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Stephanos schüttelte den Kopf. „Ich hole sie dir, es ist schon spät. Dein Vater wird ungehalten sein, wenn du nicht pünktlich kommst. Geh schon mal vor!“

Lucius betrat das Badehaus, wo ein großer Holzbottich voll mit heißem Wasser stand. Der Dampf nahm ihm fast die Sicht. Er deponierte seine Sachen auf einem Sims nahe der Wanne. Dann löste er den Gürtel und zog sich die Tunica über den Kopf. Er wollte gerade in die heiße Wanne steigen, als hinter ihm die Tür aufging.

„Ah, gut, dass du kommst. Dann kannst du mir ja gleich den Rücken abreiben“, sagte Lucius und drehte sich um.

Hinter ihm stand aber nicht Stephanos, wie er gedacht hatte, sondern Briseis, Stephanos’ und Geminias Tochter. Sie ließ spöttisch den Blick über ihn gleiten und sagte: „So, so. Kann ich sonst noch etwas für dich tun?“

Lucius spürte, wie er rot wurde, und suchte nach einer passenden Antwort. Briseis ging an ihm vorbei zur Wanne und schüttete einen Eimer kaltes Wasser hinein. Dann drehte sie sich um und ging wieder zur Tür. Kurz bevor sie den Raum verließ, warf sie ihm noch einen Blick zu, sagte belustigt: „Du könntest auch etwas kaltes Wasser gebrauchen“, und verschwand lachend.

Lucius fluchte und stieg hastig in die Wanne. Warum ließ er sich von einer Sklavin provozieren? Er packte erbost den Schwamm und begann, sich energisch abzureiben. Doch sein Ärger verrauchte schnell. „Sie ist eben auch erwachsen geworden. Wie Sabellia. Rogata würde toben, wenn sie wüsste, dass ich mittlerweile selbst herausgefunden habe, dass Sabellia eine junge Frau ist. Und sie würde der Schlag treffen, wenn sie wüsste, dass sie mich selbst darauf aufmerksam gemacht hat“, dachte Lucius vergnügt. Schade, dass es so schnell vorbei gewesen war. Titus Sabellius hatte seine Tochter mittlerweile mit irgendeinem Bauern verheiratet. Ob der bemerkt hatte, dass sie keine Jungfrau mehr war? Nicht sein Problem! Lucius war so in Gedanken, dass er erschrocken zusammenzuckte, als Stephanos hereinkam. Langsam stieg er aus der Wanne, trocknete sich ab und setzte sich auf einen Schemel. Stephanos rieb ihn mit einem wohlriechenden Öl ein und kratzte dann mit dem Strigilis das Öl und den Dreck – und ganz bestimmt auch einige Hautschichten! – ab. Dann rieb er ihn mit einer Salbe ein. Nachdem Lucius die Rasur über sich ergehen lassen hatte, fühlte er sich, als hätte man ihn gehäutet. Sein Gesicht brannte wie Feuer. Mars sei Dank brauchte man sich als Soldat auf Feldzügen nicht oft zu rasieren. Er hatte schon gehört, dass Rasieren eine Tortur sein konnte, aber so schlimm hatte er es sich nicht vorgestellt. Lucius zog sich die frische Tunica über und seine Sandalen an. Als er aufsah, bemerkte er, dass ihn Stephanos merkwürdig ansah.

„Was?“, fragte er unruhig. Stimmte etwas nicht? Er sah an sich herunter.

„Nichts, nichts!“ Stephanos winkte ab. „Ich dachte nur gerade daran, dass ich auch deinen Brüdern ihre erste Rasur verpasst habe. Wie die Zeit vergeht!“

Oh je, bitte jetzt keine Alte-Leute-Sentimentalitäten, dachte Lucius. Laut sagte er: „Ich bin spät dran und muss Vater begrüßen!“

Gnaeus Marcellus saß auf einem Klappstuhl und wartete schon ungeduldig auf Lucius. Nach vierzig Jahren in der Legion konnte er sich nicht mehr angewöhnen, bei Tisch zu liegen. Er zog es vor, beim Essen zu sitzen. Da heute ein Feiertag war, fand das Frühstück eine Stunde später als gewöhnlich statt. Als Lucius das Triclinium betrat, knurrte sein Vater etwas, das wie „Na, endlich“ klang.

Gaius musterte Lucius’ gerötetes Gesicht und sagte mit einem leichten Lächeln: „Tröste dich. Je häufiger du dich rasierst, desto weniger brennt es.“

„Jupiter sei Dank!“, ächzte Lucius und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. „Ich fürchtete schon, diese Tortur müsste ich den Rest meines Lebens ertragen.“

„Stell dich nicht so an. Wenn du bei den Adlern bist, musst du dich unter weit schlechteren Bedingungen rasieren oder baden als hier“, wies ihn sein Vater zurecht.

„Ja, Vater“, seufzte Lucius ergeben. Diese Zurechtweisungen mit dem Hinweis auf seinen kommenden Dienst in der Legion war er mittlerweile gewohnt. Julia unterdrückte ein Lächeln und zwinkerte ihm zu. Sie begannen zu essen. Es gab wie immer Brot, Käse und Oliven, und zur Feier des Tages Eier, Fleisch und Honig. Lucius griff tüchtig zu. Er wusste, wegen der Feier würde der Mittagsimbiss ausfallen, und das Essen musste bis zur Cena am Nachmittag vorhalten.

Gaius hob seinen Becher und trank ihm zu. „Auf dich, Lucius! Ab heute gehörst du zu den Erwachsenen. Mögen die Götter dich beschützen!“

Lucius nahm einen Schluck. Es war ein stark verwässerter Wein. Er verzog das Gesicht. Wenn man schon zur Feier des Tages Wein zum Frühstück reichte, dann doch nicht so stark verdünnt! Dann konnte man ja gleich Wasser trinken. Sein Vater hatte ihn beobachtet und schien seine Gedanken zu erraten. „Sei froh, dass du noch verwässerten Wein trinkst! Wenn du bei den Adlern bist und morgens Posca trinkst, fehlt dir für die nächsten Stunden jeglicher Geschmack.“

Lucius stand vor den Gästen und trug ein letztes Mal die Toga der Knaben. Dann war der große Moment gekommen: Lucius streifte die toga praetexta ab und reichte sie Gaius. Nun trat Gnaeus Marcellus vor und überreichte ihm die toga pura. Lucius versuchte mit fahrigen Händen, sie anzulegen. Die Bilder aus seinem Traum standen ihm jetzt deutlich vor Augen und er spürte kurz Panik in sich aufsteigen. „Du Idiot!“, schimpfte er leise über sich selbst. „Denk an die Übungen!“ Tagelang hatte er mit Stephanos’ Hilfe immer wieder geübt, die Toga anzulegen, und daran musste er sich nur erinnern. Wie war das gleich? Zuerst musste er die Toga in zwei ungleiche Hälften teilen. Dann warf er sie zuerst so von hinten über die linke Schulter, dass ein Drittel vorn bis zu den Füßen herunterhing. Fieberhaft versuchte er, sich an die richtigen Handgriffe zu erinnern, um Faltenwurf und Bausch richtig hinzubekommen. Er tastete nach dem Ende der Toga, das hinter seinem Rücken baumelte. Endlich erhaschte er es und zog es unter dem rechten Arm durch. Mit dem Mittelstück bildete er vorn den Bausch, den Rest warf er über die linke Schulter. Seine Hände schienen gar nicht zu ihm zu gehören. Lucius fühlte sich, als würde er sich selbst zuschauen bei dem, was er gerade tat. Hier ein Überwurf, dort über den Arm, eine Falte hier – geschafft. Jetzt noch das untere Ende hervorziehen – fertig. Ängstlich blickte er in die Gesichter der Umstehenden und fürchtete, Hohn, Spott oder Mitleid zu sehen, aber alle strahlten ihn an und applaudierten.

„Glückwunsch, Lucius.“

„Jetzt bist du ein Mann.“

„Er soll leben!“

Von allen Seiten schollen Glück- und Segenswünsche durch das Atrium, aber Lucius suchte den Blick seines Vaters. Für einen Augenblick dachte er, so etwas wie Rührung darin zu erkennen, aber vielleicht täuschte der Eindruck auch. Mit unbewegter Miene mahnte Gnaeus seinen Sohn feierlich: „Mein Sohn, du gehörst jetzt zu den Erwachsenen. Erledige deine Pflicht den Göttern gegenüber!“

Lucius ging nicht durchs Atrium, er schwebte. Er trat zum Altar der Hausgötter, der Penaten und Laren, und brachte ihnen ein Trankopfer dar. Dann legte er seine Bulla, die lederne Kapsel mit seinem Amulett, das ihn in seiner Kindheit beschützt hatte, in das Lararium, um es den Laren zu opfern. Dabei sprach er die traditionellen Worte. Die Gäste lauschten andächtig und stimmten in seine Anrufung der Götter ein.

Danach brachen alle zum Forum auf, um mit Lucius die deductio in forum zu begehen, die Einführung in die Bürgergemeinde. Auf dem Weg zum Forum kaufte Lucius stolz bei einer mit Efeu bekränzten Matrone einen Honigkuchen, der dann Mars zu Ehren verbrannt werden sollte. Auf dem Forum trafen sie die anderen junge Männer, die an diesem Tage die toga virilis angelegt hatten. Sie beglückwünschten sich gegenseitig und trugen sich dann voller Stolz in die Bürgerlisten ein. Damit war der formelle Teil erledigt und es begann der ausgelassene. Alle kehrten nach Hause zurück. Stephanos hatte im Atrium Tische und Bänke aufstellen lassen. Normalerweise wurde an den Liberalien im Freien gegessen, aber in Gallien war es dafür noch zu kalt. Zum Essen kamen auch die Nachbarn. Lucius nahm den Ehrenplatz ein. Für Lucius war es das Fest der Feste. Obwohl er mit seinen Freunden schon einige heftige Geburtstage gefeiert und auch einige wilde Saturnalien hinter sich hatte, kam doch keine dieser Feiern an den heutigen Tag heran. Erst bei Einbruch der Dunkelheit verabschiedeten sich die Gäste und machten sich, gesättigt und beschwipst, auf den Heimweg.