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Zwei Tage nach den Liberalien brach Lucius zum Hof auf, um sein Training für die Legion zu beginnen. Syros, der noch einmal zu Verhandlungen nach Lugdunum reiste, begleitete ihn erneut. „Dabei habe ich Gelegenheit, dir beim Training zuzusehen. Den Spaß lasse ich mir doch nicht entgehen!“

Als sie, müde und staubig vom langen Ritt, beim Hof ankamen und in Vorfreude auf eine entspannende und ausgiebige Reinigung das Badehaus betraten, war dieses schon belegt. Im Warmwasserbecken lag ein alter, grauhaariger Mann, der sein Bad sichtlich genoss. Er sah abgemagert und, obwohl das Wasser diesen Eindruck etwas relativierte, heruntergekommen aus.

„Herein in die gute Stube!“, rief er ihnen fröhlich zu. „Wie ich sehe, kommt ihr nicht mit leeren Händen.“ Er zeigte auf den Weinschlauch, den Syros trug. „Angesichts einer solchen Parole lasse ich euch gerne passieren!“ Er winkte ihnen, näher zu treten.

Schon nach einem kurzen Blick in sein Gesicht hatte Lucius gewusst, dass er einen Veteranen vor sich hatte. Die Scheuernarben am Kinn und die kahle Stelle auf dem Kopf, die man vom Tragen eines Helmes bekam, verrieten ihn. Außerdem hatte er diverse Narben am Körper. Der Mann grinste breit, so dass seine Zahnstümpfe zu sehen waren. Einige sahen aus, als ob sie abgebrochen wären.

Lucius und Syros setzten sich auf die Bänke und ließen sich vom Badediener mit dem Sand-Salbe-Gemisch einreiben und anschließend mit dem Schaber abkratzen.

Der Mann im Becken schielte auf den Weinschlauch und fragte neugierig: „Wer seid ihr? Verwandte vom alten Sergius? Macht nichts. Ihr dürft trotzdem mit mir baden.“

„Danke für deine Erlaubnis, ich weiß deine Großzügigkeit zu schätzen“, sagte Lucius ironisch. „Die Frage ist aber nicht, wer wir sind, sondern, wer du bist. Ich bin nämlich Lucius Justinius Marcellus und das ist mein Vetter Gaius Justinius“, fügte er bedeutungsvoll hinzu.

Dem Veteranen fiel die Kinnlade so weit herunter, dass er Wasser schluckte, einen Hustenanfall bekam und dunkelrot anlief. Er stieß fluchend und hustend einige unverständliche Wörter aus, es dauerte, aber dann bekam er wieder eine normale Gesichtsfarbe und begann, aus dem Becken zu klettern.

„Lucius Marcellus, der Sohn vom alten Marcellus.“ Und als Lucius nickte, fuhr er fort: „Da soll mich doch der Blitz treffen. Du bist tatsächlich der Sohn von Erraticus, diesem altem Hurensohn?“

Syros sah Lucius fragend an. Erraticus, der Umherirrende, hatte der Veteran gesagt. Doch diese Bezeichnung hatte auch Lucius noch nie in Verbindung mit seinem Vater gehört. Der Veteran kam herüber und griff sich dreist den Weinschlauch.

„Ah, lecker“, sagte er, nachdem er einen kräftigen Schluck genommen hatte, und rülpste vernehmlich. „Mich nennt man Saxum, den Felsblock, weil ich meinen Platz in der Schlachtreihe immer wie ein Felsblock gehalten habe. Na, wenn ihr mit dem alten Knacker verwandt seid, ist das hier natürlich euer Revier. Erraticus verdanke ich den Posten hier. Was hätte ich auch sonst mit der Pfote anfangen sollen? Bauer vielleicht?“ Er grölte lautstark über seinen eigenen Witz und nahm noch einen tiefen Schluck aus Syros’ Weinschlauch. Lucius blickte auf Saxums rechte Hand, die in einem Handschuh steckte. Saxum handhabte den Schlauch geschickt, aber die Finger in dem Handschuh bewegten sich nicht. Der Veteran legte den Schlauch am Beckenrand nieder und winkte mit der bandagierten Hand, bevor er ins Becken zurückkletterte.

„Das war bei Actium. Das war, als wir das Biest Kleopatra fertiggemacht haben. Ich beugte mich gerade über die Planke, um einen Haken zu lösen, als von der Seite ein Barbar nach meinem Kopf schlug. Ich riss den Kopf zurück und zack! traf das Schwert meine Hand. Verfluchte Scheiße. Seitdem bin ich ein Linkshänder.“ Er grölte erneut über seinen Witz.

Lucius und Syros stiegen zu ihm in das Warmwasserbecken.

„Warum Erraticus?“, fragte Lucius.

„Bitte?“ Saxum war irritiert.

„Warum nennst du meinen Vater Erraticus, den Umherirrenden?“

„Warum?“, fragte Saxum erstaunt. Dann ging ein durchtriebenes Grinsen über sein Gesicht.

„Klar, das hat er nicht erzählt. Bei einem Übungsmarsch hat Marcellus der Centurie richtig Dampf gemacht. Er wollte den Legionsrekord für die Tagesleistung brechen und hat sie über Stock und Stein gejagt. Eigentlich sollten wir nach zwei Tagen am nächsten Ort ankommen, dein Vater wollte ihn aber schon am nächsten Mittag erreichen.“ Saxum griff wieder nach dem Schlauch und trank einen Schluck. „Marcellus wuchs mindestens um eine Handbreit, als am Abend das Dorf vor uns lag. Wir Legionäre waren kurz davor zu kotzen, so hatte er uns gehetzt. Aber was machte er für ein blödes Gesicht, als er den Namen dieses Dorfes erfuhr! Es lag im Norden des Lagers, er aber hätte nach Westen marschieren sollen. Er hatte sich in der Richtung geirrt. Das blöde Gesicht war einmal Kotzen wert. Das werd ich nie vergessen, verflucht.“ Saxum schlug auf das Wasser vor Begeisterung

Lucius versuchte, sich seinen Vater vorzustellen, wie er vor dem Dorf stand und erfuhr, dass er in die falsche Richtung gerannt war. Er merkte, wie er trotz seines Widerwillens gegenüber Saxum grinsen musste. Syros schüttelte sich vor Lachen.

„Na ja, und letztes Jahr traf ich deinen Vater im Hafen von Massilia, wo ich als Gepäckträger arbeitete. Er war gerade auf dem Weg von Rom nach Arausio. Gnaeus sah die kahle Stelle auf meinem Kopf und das Scheuermal am Kinn. Und ich kam ihm wohl bekannt vor, also sprach er mich an. Na ja, dann verschaffte er mir hier am Hof eine Stelle. Besser als Gepäckträger, das sag ich euch. So, jetzt muss ich aber wieder!“ Saxum kletterte aus dem Becken.

„Was hast du für eine Stelle hier?“, fragte Lucius neugierig. Ihm schwante Böses, denn in den Weinbergen konnte er sich Saxum kaum vorstellen.

„Ich bin Ausbilder!“, verkündete er vergnügt. „Ich soll einen Verwandten des Alten fit für die Legion machen.“ Er ging in den Vorraum, wo die Kleider lagen. Lucius sah ihm entgeistert nach. Syros brach nach einer Weile das Schweigen: „Da kannst du sehen, wie Rom seine treuen Soldaten belohnt. Er hat ehrenvoll gekämpft, sogar gegen die Hexe Kleopatra, und endet als Tagelöhner im Hafen.“

Lucius wiegte nachdenklich den Kopf. „Du weißt doch, im Krieg werden nur die Sieger belohnt!“

„Schon klar!“, sagte Syros. „Aber nur, weil er seine Hand verloren hat, ist er doch kein Verlierer!“

„Nein“, entgegnete Lucius, „aber weil er auf der falschen Seite gekämpft hat. Agrippas Schiffe waren bei Actium mit Enterhaken und Harpunen ausgerüstet. Nicht die Schiffe von Antonius und Kleopatra. Wenn er also einen Haken lösen wollte, dann hat er gegen Augustus gekämpft und nicht für ihn!“

„Ah, das erklärt es natürlich!“, sagte Syros verblüfft. „Was sagst du zu deinem neuen Trainer?“ Lucius schüttelte ratlos den Kopf: „Ich weiß nicht!“ Lucius gefiel der Gedanke gar nicht, die kommenden Wochen und Monate in Gesellschaft dieses abstoßenden und heruntergekommenen Mannes zu verbringen.

Sie aßen mit Sergius und seiner Familie zu Abend. Von Sergius erfuhren sie, dass Saxum auf dem Hof wohnte, sich aber selten nützlich machte. Er langweilte sich anscheinend die meiste Zeit, trank viel und war in der ganzen Gegend wegen seines unbeständigen Temperamentes gefürchtet. Lucius fragte sich, wie sein Vater einen Mann wie ihn als seinen Ausbilder hatte auswählen können.