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Saxum wies am nächsten Morgen dieses Ansinnen entrüstet zurück: „Das Training scheint dich nicht genug zu fordern, wenn du Zeit für Müßiggang und Flausen hast. Der Sieg liebt die Sorgfalt, also werden wir ab sofort dein Training verschärfen!“

VERSCHÄRFEN?! Lucius glaubte, sich verhört zu haben. „Was soll … willst … was meinst du?“, stammelte er erschrocken.

„Der Sommer steht bevor und wir werden ein paar Marschausflüge in die Umgebung unternehmen!“, erläuterte der alte Legionär.

Lucius war nicht mehr erschrocken, sondern entsetzt. Er, der Sohn des Gnaeus Justinius Marcellus, sollte mit Legionärsgepäck beladen durch die Gegend marschieren, in der ihn alle Nachbarn kannten und die Kinder mit dem Finger auf ihn zeigen würden? Niemals.

„Du tust das, was ich dir sage! Ist das klar?“, fragte Saxum schneidend und fügte mit lauerndem Gesichtsausdruck hinzu: „Du kannst das natürlich auch mit deinem Alten diskutieren!“ Lucius zog es vor, zu schweigen.

„Wer soll dich schon erkennen – und wenn doch, wen interessiert das schon?“

„Mich!“, fauchte Lucius. „Es geht um meine dignitas, es geht um mein Ansehen! Ich kann mich doch nicht wie ein Landstreicher oder ein Verrückter aufführen!“

„Du redest eine Scheiße!“, lachte Saxum spöttisch. „Auf einem Feldzug laufen alle dreckig, stinkend und unrasiert herum. Vom kleinsten Maulttiertreiber bis zum Feldherrn. Scheiß auf die hochgelobte dignitas! Wen interessiert’s? Keine Sau, glaub mir. Das Training soll helfen, dich auf die Strapazen vorzubereiten. Dadurch steigen deine Überlebenschancen. Was kümmert es dich also, was die Leute auf dem Feld von dir denken?“ Er machte eine kunstvolle Pause. „Und jetzt nimm deinen Kram und marschiere los!“, bellte er, so scharf und plötzlich, dass Lucius zusammenzuckte und widerstandslos sein Bündel schulterte.

Damit begannen die langen Märsche. Sie marschierten einmal rund um das Grundstück oder bis zu einem von Saxum ausgewählten Ziel und wieder zurück. Nicht selten mussten sie dabei auf freiem Feld übernachten.

Die Arbeiter auf den Feldern unterbrachen ihre Arbeit, wenn sie vorbeizogen, und sahen ihnen erstaunt nach. Es war ein allzu ungewöhnliches Bild: ein junger Mann mit Schild, der vorneweg zog, und ein alter Mann, Wein trinkend und singend, der auf einem Maultier hinterherschaukelte. Die Reisenden, denen sie unterwegs begegneten, warfen ihnen misstrauische Blicke zu. Lucius biss die Zähne zusammen und versuchte, nicht darüber nachzudenken, was sie von ihm dachten.

Ab und zu erhielt er Briefe aus Arausio von seinen Freunden, die ihm vom neuesten Stadtklatsch berichteten. Am meisten freute Lucius sich aber wie immer über den Brief, den ihm Marcus aus Rom schickte:

Grüße von Marcus Cornelius Plautus an Lucius Justinius Marcellus, der sich jetzt als Erwachsener bezeichnen darf!

Ich beglückwünsche dich dazu, dass du jetzt die Toga der Männer tragen darfst. Hoffentlich hat der alte Schleifer dich richtig feiern lassen. Sofern das bei euch in der Provinz überhaupt möglich ist. Bevor du dich jetzt unnötig aufregst: Feiern kann man in der Provinz, aber RICHTIG feiern kann man nur in Rom. Hier war an den Liberalien so viel los wie an den Saturnalien bei euch. Und was an den Saturnalien los ist? Das willst du gar nicht wissen, sonst wirst du nur grün vor Neid. Glaube mir, Bruder, hier in Rom versteht man es, zu feiern. Ich habe einen Denar gewonnen. Wir haben im Vorfeld der Saturnalien Wetten abgeschlossen, ob es so wild zugehen würde wie in den vergangenen Jahren, oder ob die neue Sitten-Gesetzgebung Erfolg haben würde. Ich hatte recht. Die Römer lassen sich in ihren Festen und Feiern nicht beeindrucken.

Nächstes Jahr steht uns noch eine besondere Feier bevor, denn es beginnt ein neues Saeculum. Die Ponitifices und Auguren haben die Zeichen und die heiligen Bücher befragt und entschieden, dass nächstes Jahr das richtige Jahr ist. Was gibt es noch zu berichten? Ach ja, es gibt keine Senatoren mehr. Sehe ich dich beim Lesen auffahren? Was, wer, wann, wieso? Nachdem vor vier Jahren die Zensoren ein klägliches Bild abgaben, hat man letztes Jahr Augustus gebeten, Zensor zu werden, aber er hat abgelehnt. Dieses Jahr hat man ihn wieder bedrängt und er hat zugestimmt. Bestimmt widerstrebend, der alte Schauspieler. Unter den Hinterbänklern gab es einige Unruhe, denn es ist ein offenes Geheimnis, dass Augustus achthundert Senatoren als zu viel erachtet, und man war gespannt, wen er aus dem Senat werfen würde. Ergebnis: alle. Er hat alle rausgeworfen und ein furchtbar kompliziertes Verfahren ins Leben gerufen, um die Senatoren wieder zuzulassen. Eine Kommission von dreißig Männern soll Vorschläge machen, aber keiner darf sich oder einen Verwandten vorschlagen. So sollen nur die besten wieder aufgenommen werden. Wie naiv, natürlich wird viel Geld hin und her fließen für die Aufnahme in die Kommission. Ich halte dich auf dem Laufenden.

Vale

Marcus

Lucius marschierte mit der Sarcina auf der Schulter über die befestigte Straße. Die Sonne hatte den Boden verbrannt. Da es seit Tagen nicht geregnet hatte, war die Luft voller Staub. Saxum ritt gleichmütig auf seinem Maultier hinter ihm her. Ihm schien der Staub nichts auszumachen. Lucius staunte wieder einmal, wie der alte Veteran es schaffte, mit einer Hand das Maultier zu lenken und sich zwischendurch am Weinschlauch gütlich zu tun.

„Oh, oh!“, bemerkte der plötzlich. „Das sieht nach Ärger aus!“

Auch Lucius hatte die Kutsche vor ihnen gesehen. „Warum Ärger?“, fragte er durch zusammengebissene Zähne, um keinen Staub zu schlucken.

„Ich wette einen Jahressold gegen einen räudigen Hund, dass da vor uns eine Amtsperson reist. So was sehe ich auf den ersten Blick.“ Er musterte Lucius’ Gesicht. „Gut, mit dem Dreck im Gesicht erkennt dich niemand!“

Lucius besah sich die Begleitung der Kutsche genauer. Saxum hatte recht. Die Männer erinnerten ihn an den Trupp, mit dem Gaius das erste Mal zur Amtsausübung losgezogen war. Zehn Männer in roten Tunicen, bewaffnet mit Knüppeln. Zwei, drei Jungen, die gerade die Toga der Männer angelegt hatten und jetzt erste Erfahrungen im öffentlichen Leben machen sollten. Schreiber, Feldmesser und wen ein Quatrovir auf seinen Inspektionen sonst noch benötigte. Er musste lachen. Was wäre, wenn Gaius in der Kutsche saß? Aber er wusste, dass das nicht möglich war, da Gaius nach Osten aufgebrochen war.

„Halt!“ Der Führer des kleinen Trupps stand mitten auf der Straße. „Wer seid ihr und was treibt ihr hier?“

Saxum ritt an Lucius vorbei und zügelte kurz vor dem Mann sein Maultier. Dieser zuckte ein wenig zurück, hatte sich aber gleich wieder in der Gewalt. „Römische Bürger!“, sagte Saxum leichthin. „Und ihr?“

„Lass die blöden Witze!“, knurrte der Mann böse. „Sagt mir eure Namen!“

„Ich wüsste nicht, warum ich einem dahergelaufenen Sklaven einfach meinen Namen nennen sollte!“

„Ich bin kein Sklave!“, rief der Mann und schwang bedrohlich den Knüppel.

Saxum sah furchtlos auf ihn nieder. „Na und, dann bist du eben ein Freigelassener! Glaubst du, ein Veteran des gallischen und des alex-andrinischen Krieges fürchtet sich vor dir?“

Es herrschte einen Moment Stille. Lucius sah den Schweiß auf der Stirn des anderen Mannes.

Eine ruhige Stimme meldete sich zu Wort: „Es geht hier nicht darum, wer sich vor wem fürchtet!“ Ein Mann von Ende zwanzig war aus der Kutsche gestiegen. Er ordnete seine Toga und schritt dann auf sie zu. „Geh zur Seite, Septimus!“, bedeutete er dem Mann. Dieser ließ den Knüppel sinken. „Ich bin einer der Quatroviri für die Straßen außerhalb der Stadt Arausio! Einige Bewohner der umliegenden Höfe …“ ‚er machte eine vage Bewegung, „… haben uns von einem merkwürdigen Paar berichtet, das seit Wochen hier gesehen wird.“ Er hüstelte. „Ein junger Mann mit Legionärsschild und ein alter Mann auf einem Maultier!“ Sein Blick wanderte von Lucius’ Schild zu seinem Gesicht und dann hinauf zu Saxum. Obwohl Lucius ihn sofort erkannt hatte und er sogar schon bei ihnen im Haus zu Gast gewesen war, schien der Quatrovir Lucius nicht zu erkennen. Nun, er rechnete auch nicht damit, den Bruder seines Amtskollegen verdreckt und verschwitzt in Legionärsmontur auf der Landstraße anzutreffen. „Es gibt kein Gesetz, das einem Römer verbietet, in Legionärsausrüstung durch die Landschaft zu marschieren, solange er sich nicht als Legionär ausgibt, aber ungewöhnlich ist das schon.“ Es entstand eine Pause.