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Seit der Niederlage bei Noreia war es ein unverrückbarer Eckpfeiler römischer Außenpolitik geworden, unter keinen Umständen Germanen in römischem Einflussgebiet zu dulden. Der letzte Versuch germanischer Stämme, in römischem Gebiet Fuß zu fassen, lag vierzig Jahre zurück und war von Gaius Julius Caesar zurückgeschlagen worden.

„Es müssen auch nicht alle vier Legionen sein!“, fügte Drusus hinzu und schenkte allen sein strahlendes Lächeln. „Ich nehme die Rapax und die Augusta, das sind die stärksten Kontingente, dazu noch die Reiter und die Belgen. Die Gemina bleibt mit meinen Hilfstruppen hier, sie geht im Frühjahr über die Alpen zurück. Du marschierst mit der Gallica und den restlichen Hilfstruppen nach Basilia, wo ich dann zu dir stoße.“

Tiberius sah nicht besonders glücklich aus, aber er wusste, wenn sein Bruder sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, war er nicht mehr davon abzubringen.

„Einverstanden!“, war daher alles, was er dazu sagte.

„Fein!“, rief Drusus und rieb sich unternehmungslustig die Hände. „Dann breche ich übermorgen auf!“

Ich werde mir den Beinamen Germanicus erwerben, dachte er bei sich, und ihn an meinen Sohn vererben.

TOD • DEN • TEUTONEN

Lucius befahl dem Cornicen, zum Wecken zu blasen. Während die Hornsignale durch das Lager hallten, rannte er zwischen den Zelten auf und ab.

„Aufstehen, los, raus aus den Zelten, ihr seid immer noch bei der Legion! Antreten! Los, alle raus! Antreten!“

Die Männer krochen aus ihren Zelten. Sie sahen alle übernächtigt und verkatert aus. Mühsam und widerwillig traten sie an.

„Wir haben neue Befehle und marschieren heute noch ab!“

Ein drohendes Murren breitete sich unter den Männern aus, und nicht nur in ihrer Centurie, sondern auch von den Nachbarcenturien hörte man ein Summen wie von wütenden Bienen.

Lucius neigte den Kopf zu Mallius, der mit seiner Standarte neben ihm stand, und fragte: „Willst du einen Sesterz setzen?“

Da das Gesicht des Signifer durch seinen Maskenhelm verdeckt war, konnte er seine Miene nicht sehen, als Mallius den Kopf schüttelte, aber Lucius hätte schwören können, dass er grinste.

In dem Moment scholl das von ihm erwartete „Einen neuen!“ von der 10. Kohorte herüber. „Schade!“, seufzte Lucius. „Ich hätte gewonnen!“

Dann sah er wieder zu seinen Männern und in ihre wütenden, aufsässigen Gesichter.

„Glaubt ihr, ihr seid ab heute im Urlaub? Wenn ihr nicht marschiert, werdet ihr Straßen bauen oder Lager errichten, Felder roden, Kanäle ziehen, oder Waffenübungen abhalten. In einem Punkt könnt ihr sicher sein: In der römischen Legion gibt es für jeden genug zu tun, und wenn ihr für die Legionäre da drüben Latrinen aushebt. Und jetzt macht euch marschbereit! In einer Stunde seid ihr fertig!“, brüllte er sie an. „Das Contubernium, das als letztes fertig ist, gräbt eine Woche lang die Latrinen!“

Die Männer eilten zu ihren Zelten und begannen zu packen. Die Maultiertreiber führten die Mulis herbei und die Contubernia begannen, die Tiere mit Zelten, Schanzwerkzeugen, der Mühle und den pila muralia zu beladen. Nach genau einer Stunde stand die ganze Legion abmarschbereit.

In Eilmärschen ging es die Licca entlang nach Norden. Nach zwei Tagen erreichten sie den Danuvius. Sie folgten dem Fluss in mehreren Tagesmärschen nach Westen, bis sie eine günstige Stelle zum Überqueren fanden. Es dauerte einen Tag, bis sich beide Legionen endlich wieder am anderen Ufer gesammelt hatten. Nun befanden sie sich im Waldgebirge des Abnoba.

Lucius war der Gedanke, in dieses Gebiet zu marschieren, nicht geheuer. Hier hatten längere Zeit die Kimbern und Teutonen gelebt. Auch Ariovist und seine Sueben waren von hier nach Gallien einmarschiert.

Die Legionäre wussten nicht, dass Drusus darauf hoffte, auf die Germanen zu treffen. Sie konnten nur Mutmaßungen darüber anstellen, welches Ziel ihr Feldherr mit diesem neuerlichen Feldzug verfolgte. Doch die Angst der Legionäre vor den Germanen saß tief, und so wagte keiner darüber nachzudenken, dass diese das Ziel ihres Marsches sein könnten.

Sie trafen auf ein Oppidum der Latobrigen und mehrere junge Männer erklärten sich bereit, ihnen als Führer zu dienen.

Drusus hatte eine Gruppe Legionäre unter dem Befehl des Tribuns Ahenobarbus ausgeschickt, die Gegend zu erkunden. Das Hastatenmanipel der 8. Kohorte und ein Manipel Allobroger, begleitet von drei Turmae Reiter, näherten sich einer offensichtlich verlassenen Siedlung.

Die Reiter umkreisten diese während Lucius und seine Männer in die Ruinenlandschaft eindrangen. Vorsichtig und kampfbereit, obwohl kaum mit einem Hinterhalt zu rechnen war.

Diese Siedlung war nicht nur verlassen, sondern auch geplündert worden. Überall zeigten sich Brandspuren und Zeichen mutwilliger Zerstörung. Verlassen war die Siedlung allerdings offenbar schon länger, da sich niemand die Mühe gemacht hatte, die älteren Schäden zu reparieren. Trotzdem war erkennbar, dass hier noch vor kurzer Zeit Menschen gelagert hatten. Es sah so aus, als ob diese Siedlung so etwas wie ein Ausgangs- und Sammelpunkt für die einfallenden Germanen war. Lucius fand diesen Gedanken nicht sehr ermutigend.

Nachdem die Durchsuchung des Ortes und der Umgebung abgeschlossen war und die Kundschafter keine frischen Spuren der Germanen gefunden hatten, ließ Ahenobarbus die Wachen einziehen und befahl den Abmarsch. Er wollte so schnell wie möglich zur Legion zurück.

Lautes Geschrei zu seiner Rechten schreckte Lucius plötzlich auf. Mehrere Gruppen der voranreitenden gallischen Reiter kamen zurück über die Hügelkuppe geritten und galoppierten auf sie zu. Lucius fand, dass sie in ihren bunten Gewändern einen prächtigen Anblick boten, und sah versonnen von Gruppe zu Gruppe. Ihre bunten Umhänge bilden einen schönen Kontrast zu den grauen Regenwolken, dachte er. Doch ihm stockte der Atem, als er erkannte, dass ihnen weitere Gruppen von Reitern folgten, deren Kleidung keineswegs bunt war. Dies waren keine Gallier, dies waren Germanen.

„Blas Alarm!“, brüllte Lucius dem neben ihm gehenden Cornicen zu. Der sah ihn verständnislos an. „Los, blas Alarm!“

Laut rufend rannte Lucius durch die Reihen seiner Männer. Diese starrten zuerst entgeistert, reagierten dann aber schnell. Unterdessen donnerte der Alarmruf aus dem Horn über das Lager. Die Lage war ernst. Eine Turma Gallier befand sich in wilder Flucht. Sie drohten von einem drei- bis viermal so starken Gegner eingekreist zu werden.

„Rechts schwenkt!“, brüllte Lucius und seine Centurie schwenkte dem Feind entgegen.

Auch Hilarius hatte sein Centurie schwenken lassen und war bereit, sich den Germanen zu stellen. Ahenobarbus zügelte sein Pferd neben den Centurionen und erteilte eilig seine Befehle:

„Centurio Marcellus, rücke mit deinen Männern vor und halte diese Reiter auf! Centurio Hilarius, deine Männer bilden die Reserve! Die Allobroger ziehen sich auf den Kamm zurück und sichern den Rückzug!“

Es blieb keine Zeit zu fragen, ob es klug war, die Einheit zu trennen.

Lucius grüßte und wollte loslaufen, als Hilarius ihn an der Schulter festhielt.

„Bekämpfe die Panik! Geschrei tut niemanden weh!“

Lucius nickte. Hilarius hielt ihn immer noch fest: „Marcellus, achte auf deine rechte Seite!“

Damit ließ er ihn los und ging weg.

Lucius war so überrascht, den traditionellen Gruß von Hilarius zu hören, dass er vergaß, ihm zu antworten. Er eilte zu seinen Männern. Hastig gab er seine Anweisungen, und seine Centurie rückte vor. Als die Germanen sahen, dass sich die Legionäre in ihre Richtung bewegten, schwenkten sie herum und galoppierten direkt auf sie zu. Sie teilten sich in zwei Gruppen und griffen unter lautem Geschrei von zwei Seiten an. Lucius gingen diese Schreie durch Mark und Bein. Auch seine Männer blickten den Germanen ängstlich entgegen.