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Ein Rempler brachte ihn wieder in die Wirklichkeit zurück. „Marcellus!“, zischte ihm Mallius ins Ohr.

Lucius registrierte die Hornsignale. Die 4. Kohorte vor ihm hatte sich in Marsch gesetzt und drängte sich zwischen zwei Rotten der Germanen. Die 8. Kohorte rückte nach und verstärkte die erste Schlachtreihe. Lucius warf schnell einen Blick zur Seite und sah, dass sich auch die 9. Kohorte in Marsch gesetzt hatte.

Jetzt begannen die Legionen vorzurücken und die Teutonen zurückzudrängen. Das germanische Schlachtgeschrei hallte über das Feld. Die Legionäre antworteten ihrerseits mit lautem Gebrüll.

Die Reiter versuchten die Angriffskeile der Germanen zu umfassen, aber die Germanen wichen zurück. Die Reiter setzten nur vorsichtig nach. Der Respekt der Gallier vor den Germanen war zu groß, die Angst zu tief verwurzelt. Die Barbaren konnten sich unbehelligt in ihre Ausgangsstellung zurückziehen.

Nun befahl Drusus allen Einheiten, vorzurücken und die Teutonen anzugreifen. Kaum hatten sich die Legionen und Hilfstruppen in Marsch gesetzt, brachen die Gegner den Kampf ab und flohen zur Barrikade. Die römischen Alen setzten nach, doch die germanischen Reiter traten ihnen entgegen und schlugen die Gallier zurück.

Drusus ordnete die Reihen neu und ließ zu der Barrikade aus Karren und Wagen vorrücken. Er war fest entschlossen, diese zu stürmen und die Teutonen hier an dieser Stelle, an diesem Tag bis auf den letzten Mann niederzumachen. Zuerst würden die Legionäre den Widerstand der Barbaren brechen, dann sollten die Hilfstruppen die Barrikade stürmen und die Reiter die Überlebenden jagen.

Die 8. Kohorte löste jetzt die 4. Kohorte ab, die bereits schwere Verluste erlitten hatte.

Die sechs Centurien waren manipelweise in Schlachtordnung vor der Barrikade aufmarschiert. Die erste Centurie jeweils vorn, die zweite in Reserve dahinter. In der dritten Reihe standen die Hilfstruppen bereit.

Die Stellung der Germanen war zwei Stadien entfernt. Das Gelände stieg zur Barrikade leicht an, so dass man nicht sehen konnte, was dahinter lag. Drusus hatte erwogen, die Reiter auszuschicken, um die Barrikade zu umgehen und die Germanen im Rücken zu fassen, aber die Nähe des Waldes und die Angst vor einem Hinterhalt ließen ihn diesen Plan verwerfen.

Sie waren dem Feind jetzt so nah, dass Lucius die Schreie der Frauen und das Weinen ihrer Kinder hinter der Befestigung hören konnte. Die Krieger der Teutonen hatten sich vor der Barrikade aufgestellt: große und verwegene Gestalten, einige nur mit Hose und Umhang bekleidet. Manche von ihnen waren tatsächlich ausschließlich mit einem Umhang bekleidet.

Lucius wurde gerade von Vitellius in seine Aufgabe eingewiesen, als sie plötzlich lautes Geschrei und Gekreisch auf Seiten der Germanen hörten. Die Frauen standen auf der Barrikade und schrien ihren Männern etwas zu. Dabei zerrissen sie ihr Kleider und entblößten ihre Brüste.

Die Römer glotzten erstaunt.

„Was soll das denn?“, fragte Vitellius.

„Dann haben unsere Jungs gleich nicht so viel auszuziehen, wenn sie ihren Spaß haben wollen“, sagte Hilarius feixend.

„Sie feuern ihre Männer an und fordern sie auf, sie nicht der Schimpf und Schande der Gefangenschaft preiszugeben“, sagte Lucius, während er das Schauspiel musterte.

Die feindlichen Krieger antworteten ihren Frauen mit dumpfem Geschrei, ein Dröhnen, das immer mehr anschwoll.

„Woher willst DU denn das wissen?“, höhnte Vitellius.

„Gelesen!“, antwortete Lucius kurz angebunden. Er hatte noch mehr über die Niederlage der Kimber und Teutonen gelesen, konnte sich jedoch nicht mehr recht daran erinnern.

„Gelesen?“, fragte Vitellius ungläubig. „Kleiner, Krieg liest man nicht, Krieg führt man.“

Für eine Antwort blieb keine Zeit, denn schon wurde zum Angriff geblasen. Die Kampfpause hatte eine Stunde gedauert, eine Stunde, in der die Legionen sich neu formiert hatten.

Eine Stunde, in der Drusus unruhig auf- und abgeritten war, weil ihm alles viel zu lange dauerte. Was, wenn die Germanen ihm entkamen, was, wenn er unverrichteter Dinge wieder abziehen musste und nichts außer ein paar zerstörter Gehöfte vorweisen konnte?

Auf ein Trompetensignal hin liefen die Hilfstruppen aus den Gassen zwischen den Centurien heraus und deckten die Germanen mit einem Speerhagel ein. Diese schrien wütend auf und machten ihrerseits einen plötzlichen Vorstoß. Sofort zogen sich die Hilfstruppen in die Lücke zwischen den Centurien zurück. Die Germanen stoppten aber nicht ab, sondern bildeten wieder eine keilförmige Formation und stürmten mit lautem Geschrei auf die Römer zu.

Lucius hörte überraschte Rufe aus den Reihen der Männer. Aber die Optiones mahnten sofort zur Ruhe. Die folgenden Bewegungen liefen so ab, wie Lucius sie vom Exerzierplatz her kannte. Auf ein Hornsignal hin begannen die Legionäre zu laufen.

Sie stürmten dem Feind entgegen.

Ein weiteres Hornsignal, die Römer stoppten ab.

Hilarius stand ruhig da und gab seine Befehle: „Tollite pila! Fertig machen zum Werfen! Mittite!

Der Feuerbefehl kam, als die Germanen nur noch fünfzehn Doppelschritte entfernt waren. Die zehn Legionäre der ersten Reihe nahmen Anlauf und schleuderten ihre Pila, sprangen sofort zurück und bekamen die nächsten gereicht, die sie ebenfalls schleuderten.

Der größte Teil der Würfe ging ins Leere, da die Germanen nach den ersten vier Salven überstürzt kehrtmachten und die Anhöhe wieder hinaufliefen.

In aciem venite, in duos ordines! In Linie angetreten, in zwei Gliedern!“, befahl Lucius, worauf die Linien sich noch enger schlossen.

Gladius stringite! Zieht blank!“

Cursim! Im Laufschritt!“

Als sie nun die Anhöhe hinaufstürmten, setzte von oben ein Speer- und Steinhagel ein. Einige Legionäre wurden vom wuchtigen Aufschlag eines Felsbrockens auf ihrem Schild umgerissen. Es gab auch schwerere Verluste. Hilarius wurde von einem Stein am Helm getroffen und bewusstlos von seinen Männern aus der Kampflinie gezerrt. Sein Optio eilte nach vorn, um das Kommando zu übernehmen.

Lucius sah die Frauen der Gegner auf den Barrikaden stehen und ihre kleinen Kinder in die Höhe halten, um so die Männer zu beschwören, erneut anzugreifen. Daraufhin stürmten die Germanen wieder die Anhöhe hinab. Sie warfen sich auf die Legionäre und versuchten sie zurückzudrängen. Diese hielten jedoch ihre Stellung. Den durch Kettenhemden und mannshohe Schilde geschützten Legionäre hatten die mit bloßer Brust kämpfenden Barbaren nur ihre Tapferkeit und ihre Wildheit entgegenzusetzen.

Die erste Centurie wankte und Lucius wusste, dass es an der Zeit war einzugreifen. Er schluckte schwer.

„Vorrücken!“, befahl er.

Sie rückten bis auf Pilumweite vor und schleuderten ihre Pila über die Reihen ihrer Kameraden. Der Widerstand der Germanen brach zusammen, sie wichen zurück. Die Anfeuerungsschreie der Frauen wurden zu lautem Wehklagen.

Nicht überall kamen die Legionäre gleichermaßen gut voran. Eine Reiterattacke hatte den rechten Flügel in Unordnung gebracht und den Vormarsch gestoppt, da Drusus kein Risiko eingehen wollte. In der Mitte wogte der Kampf unentschieden hin und her, nur der linke Flügel stand unmittelbar vor dem Sturm auf die Barrikade.

Lucius’ Centurie verstärkte nun die Reihen der ersten Centurie. Die Männer stachen auf die Germanen ein und drängten sie zur Barrikade zurück. Lucius nahm die wilden Gesichter, das Geschrei, die Toten wie durch einen Nebel wahr. Er schrie mechanisch seine Befehle hinaus, wie man es ihm eingebläut hatte. Genauso mechanisch führten seine Legionäre die Befehle aus. Lucius hatte damals in Massilia ein mechanisches Schöpfwerk gesehen. Durch Windkraft angetrieben, hatte es unermüdlich Eimer um Eimer in die Höhe befördert. Als er jetzt die Legionäre kämpfen sah, wurde er daran erinnert. Mit tödlicher Präzision wurden die Germanen zurückgedrängt und niedergestochen. Jeden Moment würden ihre Reihen aufreißen und das große Schlachten würde beginnen. Die meisten Toten gab es nicht im Kampf, sondern danach. In dem Moment, wenn die Schlachtreihe eines Heers sich auflöste, begann das Gemetzel unter den Fliehenden.