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Lucius kramte einige Papyrosrollen aus seiner Truhe, suchte sein Schreibset und begann, die Briefe zu beantworten. Die Einzelheiten des Feldzuges erwähnte er nur kurz. Den Dreck, die Schmerzen und die Angst konnte man nicht schildern. Und wie sollte er jemandem, der bequem im Atrium in Arausio bei einem Becher Wein den Brief las, das Entsetzen erklären, das ihn befallen hatte angesichts der toten Säuglinge? Und sich dann als Held darstellen? Folgt eurer Ehre, Kameraden? Nein, das sollten lieber andere erzählen. Seinem Vater brauchte er keine Einzelheiten zu schreiben, der kannte das alles aus eigener Erfahrung. Und die anderen würden es ohnehin nicht verstehen.

Nachdem er die ersten Briefe beendet hatte, legte er die Feder beiseite.

Es wurde Zeit für eine Ablenkung und ein bisschen Spaß. Er griff nach seinem Mantel und verließ die Baracke. Er ging mit einem kurzen Gruß an die Wachen durch das Lagertor hinaus. Im Westen war der Himmel von der untergehenden Sonne glutrot erleuchtet. Er schlenderte durch die belebten Straßen der Stadt und erreichte das gesuchte Haus. Auf sein Klopfen wurde geöffnet und er betrat den Raum. Es war ein einfacher, schlecht möblierter Raum. Die Frau sah ihn wortlos an. Er legte drei Asse auf den Tisch und sah sie fragend an. Sie nickte, strich das Geld ein. Er folgte ihr in den Nebenraum.

AUGUSTA • RAURICA

Der Konsul Lucius Calpurnius Piso sah zu Tiberius und Drusus hinüber. Letzterer versuchte soeben, ein Gähnen zu unterdrücken.

„Wir haben noch einen Punkt zu besprechen, bevor wir uns dem Abendessen widmen können.“

Er machte eine Pause, während Drusus sich bemühte, einen klaren Kopf zu bekommen.

„Wir sollen eine colonia anlegen. Welcher Ort eignet sich am besten zur Ansiedlung von Veteranen und als Zentrum der römischen Kultur?“

Drusus’ Antwort war durch ein erneutes Gähnen nur schwer zu verstehen.

„Bratanium liegt zu weit im Osten, Brigantium liegt verkehrstechnisch günstig!“

Tiberius setzte die Aufzählung fort: „Das Lager der Gemina, das Castra Vindelicum, ist eigentlich gut geeignet. Aber obwohl es eine verkehrsgünstige Lage an zwei Flüssen hat, ist es zu abgelegen. Es gibt dort keine weitere Keltensiedlung, und bis aus dem Lager ein Zentrum römischer Kultur werden könnte, würden noch einige Jahre vergehen. Castra Raurica ist zu klein.“

Piso nickte zustimmend: „Ich habe mir so etwas gedacht. Wir brauchen aber mehr Stützpunkte und Zentren der römischen Kultur im Norden. Dies ist der Wunsch von Augustus. Wir werden entlang des Rhenus weitere Legionen stationieren und wo es geht, coloniae anlegen. Wir werden die erste colonia hier in der Nähe gründen. Sie wird Augusta Raurica heißen. Diese Gegend hier ist sehr gut geeignet. So sichern wir zunächst das Gebiet entlang des Rhenus.“

Drusus sah erstaunt auf: „Hier in Basilia?“

Piso verneinte: „Ein Stück weiter südlich. Dort hatte Lucius Munatius Plancus im Jahr von Caesars Tod bereits eine colonia gegründet. Sie ist aber nie besiedelt worden, das werden wir jetzt nachholen.“

„Und wer soll dort angesiedelt werden?“, hakte Drusus nach.

„Derzeit stehen vier Legionen in Gallien. Und vier hier südlich des Danuvius. In den nächsten Jahren wird es eine Reihe von Veteranenentlassungen geben. Die Entlassenen werden wir hier und bei den Treverern ansiedeln. Castra Treverorum ist nun schon einige Jahre ein Legionsstützpunkt und soll ebenfalls zur colonia erklärt werden“, führte Piso aus.

„Ich werde so bald wie möglich einen Trupp losschicken. Sie sollen den locus gromae festlegen und die Via Principalis und die Via Praetoria abstecken“, sagte Tiberius.

Piso nickte zustimmend. „Wir werden die Gründung der colonia feierlich begehen und das Armilustrium, die Reinigung der Waffen, dort abhalten. Die eigentlichen Bauarbeiten beginnen dann im Frühjahr.“

Drusus erhob sich. „So soll es geschehen.“

Lucius stand breitbeinig da und hielt die Vitis hinter dem Rücken, während er die Arbeiten beaufsichtigte. Obwohl er nur mit einer Tunica bekleidet war, spürte er, wie ihm der Schweiß den Rücken herunterlief. Seine Centurie ging den Ingenieuren und Feldmessern zur Hand, die die neue colonia abstecken und ihren Bau vorbereiten sollten. Die Männer arbeiteten verbissen und vermieden seinen finsteren Blick.

Der hellte sich jedoch auf, als er Ambiorix mit seinem federnden Gang näher kommen sah.

Dieser hob lässig die rechte Hand zum Gruß. „Ich habe schon gehört, dass die Legion in ihrer Weisheit dir eine verantwortungsvolle Aufgabe zugewiesen hat!“

Er ließ den Blick über Schaufeln und Körbe wandern. Lucius verzog das Gesicht, als ob er Essig getrunken hätte. Ambiorix hob die linke Hand, in der er einen torquis, einen Halsring, hielt.

„Ich habe ein Abschiedsgeschenk für dich!“

Lucius nahm das Geschenk erstaunt und gerührt entgegen. Der Ring lag schwer und kühl in seiner Hand. Es waren einige kunstvolle Muster eingraviert und in der Sonne glänzte er.

„Dies ist nur ein kupfernes Erinnerungsstück und kein reiches Geschenk. Schließlich bin ich kein Häuptling oder gar König, sondern nur ein Centurio“, rief Ambiorix lachend. „Er soll dich an unseren gemeinsamen Feldzug erinnern!“

„Warum Abschied?“, fragte Lucius erstaunt.

„Unsere Einheit kehrt mit der Gemina über die Alpen zurück, um die letzten Widerstandsnester der Raeter auszuheben!“

Lucius packte den Kelten an den Schultern und suchte nach Worten des Dankes. Ambiorix wies die Dankesbezeugungen mit einem Kopfschütteln zurück, sah Lucius noch einmal freundlich mit seinen grauen Augen an, wandte sich um und ging.

Lucius’ Männer hatten verstohlen zugehört und begannen nun hektisch weiterzugraben.

Zwei neue Contubernia waren der Centurie zugeteilt worden. Wie immer hatten die Männer zunächst gedacht, dass sie mit dem jungen Möchtegern-Centurio leichtes Spiel haben würden, aber recht schnell wurden die ersten von ihnen auf Gerste gesetzt und ihre Weinrationen gestrichen. Wenn sie gedacht hatten, bei den anderen Contubernia Unterstützung zu finden, mussten sie zu ihrem Erstaunen feststellen, dass sie auf sich allein gestellt waren. Zu allem Überfluss wurden sie auch noch als erste Contubernia zu den Grabungsarbeiten eingeteilt.

Lucius war von seiner neuen Aufgabe beim Aufbau der colonia wenig angetan und dementsprechend schlecht war seine Laune. Ambiorix’ plötzlicher Abschied tat ein Übriges, um seine Stimmung auf den Tiefpunkt zu bringen.

Die neuen Legionäre waren daher auf der Hut, denn eines wussten sie: Egal, ob junger oder alter Centurio, ein schlecht gelaunter Centurio bedeutete in der Regel Prügel, so sicher wie auf den Sommer der Winter folgen würde. Und da keiner der Erste sein wollte, der Prügel bezog, schuftete jeder, so schnell er konnte. Nach Beendigung der Grabungsarbeiten mussten die Maulesel mit Pionierwerkzeugen beladen werden, da noch zahlreiche weitere Arbeiten in und um Basilia erledigt werden sollten. Die Septembersonne brannte heiß und unerbittlich. Alle ächzten vor Durst und benötigten dringend eine Pause, aber niemand wagte den Centurio darauf hinzuweisen.

Lucius drehte sich zu den Männern um und sah, wie sie ihn verstohlen beobachteten. Er sah ihre durchgeschwitzten Tunicen und ihre unsicheren Bewegungen.

„Pause!“, rief er zu ihnen hinüber.

Sie seufzten erleichtert auf und sahen zu, dass sie in den Schatten kamen. Dort kauerten sie sich nieder und tranken gierig. Lucius stand abseits und beobachtete sie. Sie flüsterten miteinander, und dann kam einer von ihnen auf ihn zu. Es war ein schmaler Mann mittleren Alters, der Duilius hieß. „Centurio“, begann er, „wir wollten dich fragen, ob du wegen der Hitze die Pause um eine Stunde verlängern könntest? Wir würden dann heute Abend ein wenig länger arbeiten.“