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Ich schreibe dir diesen Brief, damit du, wenn du dir abends deine geschundenen Füße einreibst, weißt, was im Leben so passiert. du bist ja am Rhenus so fern von der Zivilisation, dass du auch gleich bei den Garmaranten leben könntest.

Also, was kann ich dir berichten, womit kann ich dir den Mund wässrig machen? Nun, fangen wir doch hiermit an:

Unter den Sklaven in Rom herrscht große Freude, denn Publius Vedius Pollio ist tot. Dieser Pollio war der Ritter, der Sklaven, die einen Fehler begangen hatten, an die Muränen verfüttern ließ!

Lucius schauderte es. Davon hatte er schon gehört.

Manchmal tat er dies nur, um die anderen abzuschrecken. Dabei war es ihm egal, ob er Gäste hatte oder nicht. Einmal wollte er einen Sklaven, der einen Kristallbecher zerbrach, in Anwesenheit hochrangiger Gäste, einschließlich Augustus, an die Tiere verfüttern. Der Junge warf sich Augustus zu Füßen und flehte um Gnade, aber Pollio ließ sich selbst von Augustus nicht beirren. Daraufhin wies Augustus die übrigen anwesenden Gäste an, alle Gläser, Teller und was es sonst noch an Geschirr gab, auf dem Boden zu zerschmettern. Mein Adoptivvater war auch dabei und erzählte, dass sich die Gäste mit Begeisterung daran machten, alles kurz und klein zu schlagen, da ohnehin niemand Pollio ausstehen konnte. So lange, bis Pollio schließlich zusagte, den Sklaven zu verschonen.

Na ja, auf jeden Fall ist er jetzt gestorben und hat Augustus einen Großteil seines Besitzes vermacht. Dafür soll eines seiner Häuser abgerissen und an der Stelle eine Basilika errichtet werden, die seinen Namen tragen wird. Ein Fischteich wäre da doch viel passender gewesen!

Lucius musste lachen und las auch die restlichen Klatschgeschichten mit Vergnügen. Danach wandte er sich wieder Livius und dem zweiten punischen Krieg zu. Als der Schnee zu schmelzen begann, schlossen Hannibal und Philipp V von Macedonien gerade ihr Bündnis.

Mit dem Tauwetter kam wieder Leben in die Legion. Anfang April brach die Augusta schließlich auf. Sie überquerte den Rhenus und folgte dem Fluss nach Osten. An einer günstigen Stelle errichteten die Legionäre ein Lager, das groß genug für eine halbe Legion war, und bauten Anlegestellen und Schuppen für die Schiffe. Nach ein paar Wochen reger Bautätigkeit ging es weiter zum Lacus Venetus. Dort lagen noch die Moneren, die im Vorjahr gegen die Briganten eingesetzt worden waren. Ein Teil sollte auf dem See stationiert bleiben, aber die restlichen wurden auf den Rhenus verlegt. Dies war eine mühsame Plackerei, da die Schiffe wegen der Stromschnellen ein Stück über Land transportiert werden mussten. Mit Seilwinden und Flaschenzügen wurden die Moneren an Land geschafft und dann einige Meilen mit Rollen über Land gezogen, um dann wieder zu Wasser gelassen zu werden. Starker Wind und Regen machten die Arbeit zu einer Qual und ein Großteil der Legion litt bald unter Schnupfen und Erkältungen. Alle, auch der Legat und sein Stab, waren deshalb heilfroh, als Ende Mai endlich das letzte Schiff zum Rhenus transportiert worden war. Als ob die Götter sie ärgern wollten, kam jetzt die Sonne heraus. Es scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, dass Jupiter bei allen größeren Unternehmungen und Arbeiten der Legion für eine Schlechtwetterfront sorgt und sich das schöne Wetter für die ruhigen Tage vorbehält, dachte Lucius bei sich.

Eine Kohorte der Augusta blieb im Castra Rhenus und eine im Castra Venetus zurück. Die restlichen marschierten bei strahlendem Sonnenschein weiter den See entlang bis nach Brigantium, wo die 7. Kohorte der Gallica überwintert hatte. Auch die Legionäre der Gallica waren seit der Eroberung des Ortes nicht untätig gewesen und hatten die Befestigungen rundherum niedergerissen, viele der Häuser repariert und eine Anlegestelle für Boote gebaut.

Die Flüchtlinge waren zurückgekehrt, und so herrschte wieder Leben in dem Ort. Lucius fiel es schwer zu glauben, dass an dieser Stelle noch vor einem Jahr eine wilde Schlacht getobt hatte. Nur die Rußflecken an den Häusern und einige Ruinen erinnerten noch daran.

Varus legte die genauen Grenzen der Civitas der Brigantier fest. Er erklärte offiziell, dass in ihrem Gebiet kein Land für Rom beschlagnahmt würde, aber dass Rom sich das Recht vorbehalte, Straßen zu bauen und Militärposten anzulegen. Ansonsten durften die Brigantier das Land fortan wieder nach eigenem Gutdünken nutzen.

Die Legion zog weiter nach Cambodunum zu den Estionen. Auch hier kamen die Häuptlinge zusammen, um von Varus die Grenzen ihrer Civitas zu erfahren. Auch hier wurde kein Land zum ager publicus ernannt.

Die Licaten hatten nicht so viel Glück. Das Gebiet im Zusammenfluss von Licca und Vinda wurde für Rom beschlagnahmt. Hier ließ Varus weitere Kohorten zurück und zog mit den restlichen Einheiten nach Bratanium weiter. Für die Grenzen der vindelicischen Civitas gab es strenge Auflagen. Innerhalb dieser festgelegten Territorien konnten die vindelicischen Stämme ihre Angelegenheiten selbst regeln, außerhalb dieser Grenzen hatten sie von jetzt an nichts mehr zu suchen. Bei allen Stämmen sorgte die Höhe der Abgaben und die Ankündigung, zukünftig die jungen Männer zur Legion einzuziehen, für heftige Proteste. Alle Krieger im Alter von achtzehn bis fünfundzwanzig Jahren waren verpflichtet, den Dienst für das Imperium zu leisten. Die Krieger und Häuptlinge in den Versammlungen schrien, schimpften und protestierten, aber auch hier galt der Grundsatz: Roma locuta, causa finita. Rom hat gesprochen, der Fall ist entschieden.

Auf dem Marsch durch das Land der Vindelicer ließ Varus die Landschaft immer wieder vermessen und den Boden untersuchen, um die Planung und den künftigen Bau von Straßen zu erleichtern.

Als sich der Sommer dem Ende zuneigte, kehrte Varus mit der Legion zum Castra Rhenus zurück.

Nur wenige Tage später ging eine Nachricht durch das Lager, die die Legionäre aufhorchen ließ.

Die Gefangenen des letzten Jahres waren verkauft worden. Das Geld aus dem Sklavenverkauf stand natürlich dem Feldherrn zu, aber es war üblich, die Legaten, Tribune und Legionäre mit einem Geldgeschenk zu beteiligen. Die Legionäre diskutierten lebhaft, was sie über ihren Feldherrn und ihren Legaten wussten. Tiberius, da waren sich alle sicher, würde ein großzügiges Donativ an seine Soldaten ausgeben. Er war schließlich ein Claudier, und dieses Geschlecht war eng mit dem Aufstieg Roms zum Imperium verbunden. Das verpflichtete ihn. Varus war ein unbeschriebenes Blatt in diesen Dingen. Auf dem Feldzug hatten sie ihn als fähigen Kommandeur kennengelernt, aber wie war das beim Teilen der Beute? Die Legion summte vor Neugier, als der Legat sie antreten ließ. Lucius war wie alle anderen gespannt, die Aussicht auf sein erstes Donativ versetzte ihn in Hochstimmung.

Varus schwang sich gut gelaunt auf die Rednertribüne und begann seine Ansprache. Er lobte die Leistungen der Legion im Feldzug gegen die Vindelicer und im Kampf gegen die Germanen. Sie hätten ihren Standarten Ehre gemacht. Tiberius, ihr Feldherr, würde großzügig auf seinen Anteil an der Beute verzichten.

An dieser Stelle wurde Varus von einem Jubelsturm unterbrochen. Auch Lucius brüllte begeistert mit und stimmte in den Ruf „Tiberius! Tiberius!“ ein.

Varus hob beide Arme und langsam kehrte wieder Ruhe ein.

„Tiberius und ich wurden zu Konsuln des nächsten Jahres ernannt!“, fuhr Varus fort und ein Raunen ging durch die Menge. „Diese Ehre für mich ist gleichzeitig eine Ehre für euch. Ohne eure Tapferkeit wäre mir diese Ehre nicht zuteilgeworden.“

Wieder jubelten die Legionäre, wenn auch, wie Lucius fand, nicht so laut wie beim ersten Mal. „Und daher habe ich beschlossen“, versuchte sich Varus Gehör zu verschaffen, „und daher habe ich beschlossen, auch auf meinen Anteil zu verzichten und alles den tapferen Legionären der Augusta zu überlassen!“