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»Großer Gott, ich glaube, es geht los«, murmelte Mike. »Was ist das?«

Aus dem Fernseher drang jetzt die Stimme eines Kommentators, der überflüssigerweise erklärte, was einige Milliarden Menschen live auf der Mattscheibe miterlebten.

Charity hörte gar nicht hin. Wie Mike trat sie näher an den Apparat heran und beugte sich vor, als könnte sie so mehr Einzelheiten erkennen.

Die kleine Flotte silberfarbener Flugscheiben stieg allmählich höher, wobei sie sich sowohl vom Schiff als auch voneinander entfernten, so dass sie eine riesige, allmählich expandierende Halbkugel über der Sternenscheibe bildeten.

»Es geht los«, sagte Mike noch einmal.

Er hatte recht. Es ging unheimlich schnell - und ohne jegliche Warnung: Von einer Sekunde auf die andere wurde aus dem gemächlichen Dahingleiten der kleinen Silbermünzen ein rasender Flug in die Höhe. Die geordnete Formation zerplatzte wie unter einer lautlosen Explosion, als die Scheiben in alle Himmelsrichtungen davonrasten, und dann - erlosch das Bild. Der Fernseher flimmerte nur noch.

Mike stöhnte. »Das war's«, flüsterte er. »Sie haben den Satelliten heruntergeholt.«

Ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren, wandten sie sich um und zogen ihre Uniformen an. Nicht einmal zwei Minuten später verließen sie das Apartment.

Bei den Jungs im Pentagon musste eine gehörige Schraube locker sein, dachte Charity, diese Bilder live über die Mattscheiben zu schicken.

Draußen auf den Fluren war schon der Teufel los. Der Korridor war voller Menschen und Lärm. Jemand schrie hysterisch, aber noch war die Panik nicht wirklich losgebrochen. Die Leute hatten noch nicht ganz begriffen, was sie gerade gesehen hatten. Und Charity hatte keine besondere Lust, noch in diesem Haus zu sein, wenn sie es begriffen.

Sie berührte Mike am Arm und deutete auf den Treppenschacht.

»Komm. Ehe er auch verstopft ist.«

Sie liefen los, aber sie waren nicht die ersten, die auf diesen Gedanken kamen.

Ein dicker Mann, der einen gewaltigen Koffer mit sich schleppte und eine kaum weniger dicke Frau hinter sich herzerrte, blockierte die Treppe, und aus der Tiefe des Schachtes drangen jetzt die ersten Schreie herauf.

»Sie kommen!« keuchte der Dicke. »Gott im Himmel, steh uns bei, sie kommen. Sie werden uns alle umbringen.«

Da kannst du sogar recht haben, dachte Charity düster. Trotzdem zwang sie sich zu einem Lächeln, trat einen halben Schritt zurück und wartete, dass der Dicke mit seinem Koffer sich an ihr vorbeischob und die Treppe freigab.

Aber er dachte nicht daran. Statt dessen blieb er stehen und starrte sie und Mike an. »Sie... Sie sind Soldaten«, sagte er und wies auf ihre Uniformen. »Sie werden sie abschießen, nicht? Sie werden sie doch vertreiben, oder?« Er ließ seinen Koffer fallen und streckte die Hände nach Charity aus.

Mike packte Charity kurzerhand am Arm, drängte den Dicken mit Gewalt zur Seite und zerrte sie hinter sich her. Die Schreie aus dem Treppenschacht wurden lauter. Irgendwo krachte ein Schuss.

Er ließ sie erst los, als sie das Dach erreicht und die Feuertür hinter sich zugeworfen hatten. Charity trat wütend einen Schritt zurück und funkelte ihn an.

»War das nötig?« fragte sie scharf. »Verdammt, der arme Kerl hatte nur -«

»Nur ein bisschen Angst«, unterbrach sie Mike grob. »Nicht wahr? So wie zehn Millionen anderer in dieser Stadt.« Er deutete mit einer wütenden Geste in den Himmel hinauf. »Was hattest du vor? Ihn mitzunehmen? Der Hubschrauber ist leider nicht groß genug, um zehn Millionen Anhalter aufzunehmen.«

Charity starrte ihn an, aber sie bezweifelte, dass Mike ahnte, was in diesem Moment hinter ihrer Stirn vorging. Es ging schon los, dachte sie betäubt. Die Fernsehübertragung war noch nicht einmal fünf Minuten her, aber es ging schon los. Selbst Männer wie Mike begannen sich zu verändern.

Schaudernd wandte sie sich um, trat an die Dachbrüstung und blickte in die Tiefe.

Auf den Straßen waren mehr Autos aufgetaucht, aber noch immer wirkte die Szenerie relativ friedlich. Es würde nicht mehr lange so bleiben. In ein paar Minuten war dort unten die Hölle los.

Keiner von diesen Narren, die sich in ihre Autos geschwungen hatten und versuchten, die Stadt zu verlassen, würde auch nur bis zur Brücke kommen.

Sie sah nach oben - wo blieb der Hubschrauber? -, und plötzlich musste sie sich eingestehen, dass auch sie keinen Deut anders empfand. Auch sie wollte nicht als weg hier. Sicher, es war ihre Pflicht - der Plan war auf die Sekunde genau ausgearbeitet, für den Fall, der jetzt eingetreten war, aber das änderte nichts daran, dass sie eine unendliche Erleichterung bei dem Gedanken empfand, in wenigen Augenblicken in einen Helijet steigen und aus dem Hexenkessel entkommen zu können, in den sich die Stadt verwandeln würde.

Mikes Hand deutete schräg nach oben, und sie folgte der Bewegung. Der kleine Lichtpunkt, auf den Mike gedeutet hatte, wuchs heran und näherte sich rasend schnell. Ein hohes, an- und abschwellendes Heulen mischte sich ins Geräusch des Windes und die Schreie, die aus dem Haus herauf drangen. Der Helijet. Er kam pünktlich. Beckers militärischer Apparat schien mit der Präzision einer riesigen, sorgfältig gewarteten Maschine anzulaufen. Der Gedanke beruhigte Charity allerdings nicht besonders. Sie hatte das sehr sichere Gefühl, dass bald jemand eine große Menge Sand ins Getriebe von Beckers kleiner Vernichtungsmaschinerie werfen würde.

Sie traten vom Landeplatz zurück, als der Helijet heulend herunterkam. Seine Bewegungen waren nicht ganz präzise - er verzichtete darauf, das Haus einmal zu umkreisen, um sich davon zu überzeugen, dass der Landeplatz auch frei und ein Aufsetzen ungefährlich war, sondern stürzte beinahe vom Himmel. Eine Gestalt erschien in der offenstehenden Tür, und eine Hand winkte ungeduldig. Geduckt rannten Mike und sie auf den Copter zu und sprangen hinein.

Die Maschine hob ab, kaum dass sie eingestiegen waren.

Es begann zu regnen, während der Jetcopter dem abgesperrten Teil des La-Guardia-Flughafens entgegenstürzte; so schnell und so tief, dass Charity mehr als einmal Angst hatte, sie würden die Dächer der Hochhäuser streifen, über die sie hinwegheulten. Der HeliCopter musste eine Spur aus zertrümmerten Fensterscheiben und geplatzten Trommelfellen hinter sich herziehen.

Der Flug selbst dauerte nur wenige Minuten, aber sie kreisten fast eine Viertelstunde über dem Platz, ehe der Pilot endlich die Erlaubnis zur Landung bekam und aufsetzte, sehr hart und nur wenige Dutzend Schritte vom Abfertigungsgebäude entfernt, das zu einer provisorischen Kommandozentrale umgewandelt worden war.

Als sie den Copter verließen, begriff sie den Grund für die Wartezeit - das Flugfeld war voller Maschinen - HeliCopter, Jets, kleine rotorgetriebene Sportmaschinen und gewaltige Transporter, deren buckelige Leiber sich wie die Rücken riesiger stählerner Wale in die Nacht erhoben. Und es kamen ständig mehr. Offensichtlich hatte jeder Pilot in Reichweite des Flugplatzes den Befehl bekommen, seinen Kurs zu ändern und La Guardia anzufliegen. Ein paar Meilen entfernt zog sich eine schnurgerade doppelte Linie aus weißem Licht über das Flugfeld: der in aller Hast errichtete Stacheldrahtzaun, mit dem die Nationalgarde das Flugfeld in zwei ungleichmäßige Hälften geteilt hatte. Die kleinen Lichter von Autoscheinwerfern krochen durch die Nacht auf diese hellerleuchtete Linie zu, und gerade, als Charity und Mike hinter ihrem Führer das Abfertigungsgebäude betraten, erhob sich ein halbes Dutzend kleiner Hubschrauber vom Flugfeld und glitt im Tiefflug auf den Zaun zu.