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»Nein, General«, sagte sie. »Sie schlagen sie nicht. Sie vernichten sie, wo immer sie sie finden. Sie machen Treibjagd auf jeden, der eine Uniform trägt.«

»Aber es muss doch Widerstandsnester geben!« sagte Becker. »Irgend jemand muss sich doch wehren. Sie sind doch auch durchgekommen, und ...«

»Natürlich gibt es den«, sagte Charity. Ihre eigenen Worte taten ihr leid, aber ihr fiel kein Weg ein, sie zurückzunehmen. Sie war erschöpft und so gereizt wie Becker. Menschen in ihrer beider Zustand sollten nicht miteinander reden, dachte sie. Laut sagte sie:

»Es wird überall gekämpft. Im Norden sind ein paar Bomben gefallen. Ich ...« Sie blickte einen Moment auf die Karte, dann sah sie wieder Becker an. »Ich war bis jetzt der Meinung, Sie hätten sie geworfen.«

»Ich wollte, ich könnte es«, antwortete Becker grimmig. »Verdammt, ich wollte, nur ein Teil dieser beschissenen Knöpfe dort unten würde noch funktionieren. Ich würde diese verdammten Ungeheuer in die Galaxis zurückbomben, aus der sie gekommen sind.«

Charity verbiss sich eine Antwort. Becker machte es ihr sehr leicht, ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen. Auch wenn er ihr im Moment leid tat - er war im Grunde nichts als das Arschloch, für das sie ihn immer gehalten hatte. Und Männer wie er waren einmal der Garant für die Sicherheit dieses Landes gewesen!

»Es gibt überall noch Widerstand«, knüpfte sie an ihre eigenen Worte an. »Aber ich glaube nicht, dass es noch lange dauern wird.«

Becker starrte sie an, aber in Wahrheit schien sein Blick durch sie hindurchzugehen.

Sie war nicht einmal sicher, ob er ihre letzten Worte überhaupt gehört hatte.

»Wenn ich es nur verstehen könnte«, sagte er. Seine Stimme klang flach, fast tonlos. »Es ist so ... so sinnlos. Kein Ultimatum. Keine Drohungen. Keine Forderungen - nichts. Warum tun sie das?«

Vielleicht gab es keine Antwort auf diese Frage. Vielleicht war der einzige Grund dieses Überfalles auf eine ganze Welt der, sie zu vernichten, so entsetzlich und absurd es klang. Vielleicht war es Gott, der gekommen war, um ihnen die große Schlussrechnung zu präsentieren, vielleicht die galaktischen Vettern der Wale, die sich für den Völkermord an ihren Brüdern revanchierten. Eine Erklärung war so gut und schlecht wie die andere.

»Es tut mir leid, dass ich keine besseren Neuigkeiten mitbringe«, fuhr sie nach einer Weile fort. »Aber das ist das, was ich erlebt habe. Möglicherweise sieht es nicht überall so aus.«

Ihre Worte waren nicht mehr als ein schwacher Versuch, Becker aufzumuntern.

Er lächelte dankbar, wenn auch nur sehr flüchtig.

»Möglicherweise«, sagte er. »Trotzdem müssen wir mit dem Schlimmsten rechnen. Ich habe Vorkehrungen getroffen, die Station zu isolieren.«

»Isolieren?« Charity hatte sich nicht gut genug in der Gewalt, den Schrecken ganz zu verhehlen, den ihr Beckers Worte einjagten.

»Isolieren«, bestätigte Becker. »Glauben Sie nicht, dass wir hier unten absolut sicher sind, Captain Laird. Sie haben gesehen, was oben in der Schleusenkammer passiert ist.«

»Trotzdem ...« begann Charity, wurde aber sofort wieder von Becker unterbrochen:

»... habe ich gesagt, dass ich Vorkehrungen getroffen habe, Captain. Das heißt nicht, dass ich es auch tun werde. Im Moment sind wir hier unten noch sicher. Solange sich daran nichts ändert ...« Er ließ das Ende des Satzes offen und breitete statt dessen die Hände aus. Dann erhob er sich mit einem Ruck.

»Lassen Sie sich ein Bett zuweisen, Charity, und schlafen Sie sich aus«, sagte er, mit völlig veränderter Stimme und sehr viel lauter, plötzlich wieder der befehlsgewohnte, überlegene Kommandant, kein alter Mann mehr, der vor Angst halb wahnsinnig war. »Wir sind im Moment hier unten zwar etwas beengt, aber Stone wird schon ein Quartier für Sie auftreiben. Wenn Sie sich ausgeruht haben, erwarte ich Ihren ausführlichen Bericht.«

Charity erhob sich und salutierte, aber Becker sah schon gar nicht mehr hin. Er lief so schnell aus dem Zimmer, dass es fast wie eine Flucht aussah.

8. Kapitel - Vergangenheit

30. November 1998

Stille.

Das war das erste, was sie bewusst registrierte, als sie wieder erwachte: eine betäubende, tödliche Stille, die sich über allem ausgebreitet hatte, so als hielte die ganze Welt den Atem an, und ein rötliches, flackerndes Licht, das von sehr weit herkam und durch ihre geschlossenen Lider drang. Ein leichter Schmerz an der linken Hüfte - wie ein blitzschnelles Schlaglicht erinnerte sie sich, sich einfach zu Boden geworfen zu haben, beide Arme über dem Kopf verschränkt, eine rein instinktive und völlig sinnlose Reaktion. Ein zweites Schlaglicht, fast schon rührend in seiner naiven Hilflosigkeit: ein alter Film aus den fünfziger Jahren, Bilder von Menschen, die sich in den Straßengraben warfen und Aktentaschen über den Kopf hielten, zum Schutz vor der Bombe. Lächerlich.

Wieso lebte sie noch?

Erst jetzt, als wäre diese Frage der Auslöser gewesen, erwachte sie wirklich. Der Schmerz in ihrer Hüfte verblaßte zu einem leisen Pochen, sie spürte, dass sie auf Glassplittern lag und aus einer kleinen Wunde im Gesicht blutete, die aber nicht weh tat. Irgendwo in ihrer Nähe stöhnte jemand.

Vorsichtig öffnete Charity die Augen. Sie war auf alles gefaßt - einen verwüsteten Tower, Flammen, verkohlte Leichen, den brodelnden Feuerpilz einer Bombe am Horizont - aber nichts von alledem war da.

Es war sehr dunkel.

Alle Lichter waren erloschen. Die einzige Helligkeit kam von den Flammen, die irgendwo draußen auf dem Flugfeld tobten und in deren Prasseln sich jetzt immer mehr Schreie und andere Geräusche mischten. Aber keine Zerstörung. Nicht die absolute Verheerung der Bombe.

Unsicher stand sie auf. Sie erinnerte sich nicht, das Bewusstsein verloren zu haben.

Der Sturz konnte es kaum gewesen sein, denn sie war nicht besonders hart aufgeschlagen; vielmehr schien irgend etwas in ihr einfach abgeschaltet zu haben, wie eine völlig überlastete Sicherung.

Das Stöhnen wurde lauter. Sie drehte sich herum, sah ein blasses, blutüberströmtes Gesicht neben sich und erkannte, dass der Mann nicht schwer verletzt war, wohl aber heftig blutete. Ohne einen besonderen Anlaß sah sie auf die Uhr. Die Quarzanzeige war erloschen, aber die Zahl im Datumsfenster war noch weitergesprungen - es musste kurz nach Mitternacht sein. Sie hatten einen weiteren Tag geschenkt bekommen.

Wieso funktionierte die Uhr nicht mehr? Irgendwie erschien ihr diese Frage plötzlich ungemein wichtig, das letzte Stück in einem gewaltigen Puzzlespiel, das alles erklären mochte.

Sie richtete sich vollends auf, sah sich nach Mike um und entdeckte ihn fast am anderen Ende des Kontrollraumes, wo er über einem stöhnenden Mann kniete und sich an ihm zu schaffen machte.

Gleich neben ihm lag eine zweite, vollkommen reglose Gestalt. Die Bombe hatte sie verfehlt, aber sie hatte trotzdem Opfer gefordert; nicht nur draußen auf dem Flugfeld.

Der Gedanke brachte einen zweiten, sehr viel schlimmeren mit sich. Sie war schon auf dem halben Wege zu Mike, blieb aber dann wieder stehen und sah nach Osten.

Die Stadt war verschwunden.

Wo das von Menschenhand geschaffene Sternendiadem New Yorks auf dem Horizont glänzen sollte, gähnte ein gewaltiger Abgrund aus Schwärze, als hätte sich die Nacht aufgetan und die Millionenstadt einfach verschlungen. Zum ersten Mal seit mehr als zweihundert Jahren herrschte an diesem Teil der nordamerikanischen Küste wieder die Nacht. Wie betäubt drehte sie sich herum und blickte auf das Flugfeld herab. Ein paar Feuer brannten, aber sonst war nichts zu hören und zu sehen.

Erst jetzt fiel ihr die Stille wirklich auf, vielleicht, weil sie allmählich ihren Grund begriff: Es war nicht das allumfassende Schweigen des Todes, sondern eine Stille, als wäre die Welt einfach abgeschaltet worden. Der gesamte Flughafen lag so still und gelähmt da wie die Riesenstadt im Osten, wie vielleicht dieses ganze Land, vielleicht die ganze Welt. Die Dimension dieses Gedankenganges war zu groß, als dass sie ihn sofort in voller Tragweite akzeptieren konnte.