Выбрать главу

Als sie den Arm der toten Frau anhob, rollte der Leichnam von den beiden kleineren Körpern herunter, mit einem sonderbaren, sehr unangenehmen Geräusch.

Fast, dachte sie, und allein bei dem bloßen Gedanken zog sich ihr Magen zu einem einzigen Schmerz zusammen, fast, als gäbe es in diesem ganzen toten Körper keinen einzigen Knochen mehr, der nicht zehnmal gebrochen worden ist.

Aber auch der Körper der Frau wies keine erkennbaren Verletzungen auf.

Mit einer hastigen Bewegung stand Charity auf, bückte sich nach ihrer Waffe und wandte sich zu Niles um.

»Sieht es ... überall so aus?«

Niles nickte.

Mike deutete auf die Tür, die Charity aufgetreten hatte. »Sie war abgeschlossen«, sagte er. »Von innen. Du weißt, was das bedeutet?«

Charity nickte. Was immer diese Leute umgebracht hatte, es war nicht durch die Tür oder die Fenster hereingekommen, sondern hatte sie laut- und warnungslos und wahrscheinlich sehr schnell getötet, irgendeine entsetzliche Art von... von Strahlenwaffe vielleicht, die dieses Haus und wahrscheinlich auch die angrenzenden Gebäude getroffen und alles Leben ausgelöscht hatte. Welcher Natur diese entsetzliche Waffe auch immer war, dachte sie bitter, ihre Wirkung hätte die Erfinder der Neutronenbombe in schiere Verzückung versetzt. Die Wohnung war nicht im mindesten in Mitleidenschaft gezogen worden; nicht einmal ein einziges Glas war zerbrochen.

Aber sie war sehr sicher, dass es in diesem Haus kein Leben mehr gab.

Plötzlich hatte sie gar keine Angst mehr. Alles, was sie noch spürte, war Zorn. Ein so kalter, entschlossener Zorn, dass sie sich fast ein wenig davor fürchtete.

»Gehen wir«, sagte sie.

Draußen war es mittlerweile ein wenig heller geworden, ansonsten hatte sich nichts verändert. Die beiden elefantengroßen Käfer hockten noch immer reglos da, erstarrt wie schrecklich große, schrecklich hässliche Statuen, und auch das dritte Riesenwesen hatte sich nicht bewegt.

Charitys Aufmerksamkeit galt dem vierten, fast-humanoiden Lebewesen, das sich zwischen den drei chitingepanzerten Giganten bewegte. Es war eindeutig eine Kreatur der Art, wie sie sie auf dem Videoband gesehen hatten. Die Gestalt war ein gutes Stück größer als ein Mensch, aber so dürr, dass sich Charity unwillkürlich fragte, wieso es nicht beim ersten Windzug, der es traf, einfach in der Mitte durchbrach. Die vier Arme, die in beständiger Bewegung waren, verliehen diesem Wesen geradezu groteske Züge. Die Bewegungen erinnerten an eine Spinne, sie waren flink und abrupt und sehr zielbewusst. Wahrscheinlich war das Wesen höllisch schnell, wenn es sein musste.

Charity hatte nicht vor, ihm die Chance zu geben, diese Vermutung unter Beweis zu stellen.

Ruhig visierte sie den Kopf der Kreatur an, senkte den Lauf der MP um eine Winzigkeit, drückte ganz automatisch auf den Auslöser der Zielsuchautomatik und fluchte lautlos in sich hinein, als der kleine rubinrote Laserpunkt nicht kam.

Die Entfernung war nicht besonders groß - zwanzig, allenfalls fünfundzwanzig Meter, aber eine MP war keine Waffe, mit der man besonders präzise schießen konnte, und wahrscheinlich würde sie keinen zweiten Schuss haben, wenn der erste nicht traf. Und sie hatte Mike und den anderen ausdrücklich verboten, auf dieses Wesen zu schießen. Sie brauchten es lebend.

Trotzdem - sie musste es riskieren. Langsam, Millimeter für Millimeter, senkte sie den Lauf der MP weiter. Das Zentrum des winzigen Fadenkreuzes vor ihrem rechten Auge glitt am schimmernden Chitinpanzer des Sternenwesens herab, verharrte einen Moment auf seiner Hüfte und pendelte sich dann auf das ein, was sie für sein rechtes Knie hielt. Ihre Finger berührte den Abzug, fand den Druckpunkt und verharrte noch einmal. Sie war nervös.

Ihre Hände zitterten.

Aber sie wusste, dass es nicht besser werden würde, wenn sie wartete. Im Gegenteil.

Sie drückte ab.

Der peitschende Knall beendete die trügerische Ruhe schlagartig, die sich über dem Platz ausgebreitet hatte, und plötzlich geschah alles gleichzeitig und zehnmal schneller, als Charity sich in ihren schlimmsten Befürchtungen ausgemalt hatte. Von den Dächern der gegenüberliegenden Häuser herab begannen Mike und die beiden Soldaten zu schießen, und zwei Meter neben ihr stieß Niles' Waffe eine grelle Feuerzunge aus, aber sie zwang sich, alles andere zu ignorieren und das Zielfernrohr wieder auf den Vierarmigen zu richten.

Ihr Schuss hatte getroffen. Das Wesen war zu Boden gestürzt und umklammerte mit zwei seiner vier Hände sein zerschossenes Bein.

Aber es war keineswegs ausgeschaltet. Unter seiner grotesken Maske drangen hohe, pfeifende Töne hervor, und in seinen beiden übrigen Händen lagen plötzlich zwei der kleinen Metallstäbe, die Charity von der Videoaufnahme her kannte.

Sie fluchte, zielte erneut und drückte ab, aber diesmal traf sie nicht. Einen halben Meter neben dem Insektenwesen schlugen Funken aus dem Asphalt der Straßendecke, im gleichen Augenblick jagte etwas über Charitys Kopf und riss ein faustgroßes Stück aus der Wand hinter ihr. Verletzt oder nicht, das Wesen da unten schoss verdammt gut. Sehr viel besser als sie.

Auf dem Platz tönte ein schriller, durch und durch unmenschlicher Schrei, ein Kreischen wie von zerbrechendem Stahl, und als Charity vorsichtig den Kopf über den Rand ihrer Deckung hob, sah sie, dass einer der Riesenkäfer zusammengebrochen war.

Mike und die beiden Soldaten konzentrierten ihr Feuer jetzt auf das andere Insektenungeheuer, während Niles mit verbissenem Gesicht Schuss auf Schuss auf das dritte Ungeheuer abgab, das ziellos im Kreis herumrannte.

Charity sah, dass er fast jedesmal traf, aber sie sah auch, dass die allermeisten seiner Geschosse einfach von der Panzerung der außerirdischen Bestie abprallten.

Trotzdem dauerte es nur noch Sekunden. Der zweite Riesenkäfer brach zusammen, und schließlich zersplitterte auch die Panzerung des letzten Monsters im konzentrierten Feuer der vier Maschinenpistolen. Charitys MP blieb die ganze Zeit hindurch auf den Vierarmigen gerichtet. Aber sie schoss nicht. Die beiden oberen Hände des Außerirdischen umklammerten noch immer seine beiden Waffen, er schien jedoch begriffen zu haben, dass sein nächster Schuss sein letzter war.

Niles hörte erst auf zu feuern, als ihm die Munition ausging. Mit grimmigem Gesichtsausdruck schob er ein frisches Magazin in die Waffe, richtete sich vollends hinter dem Fenster auf und nahm den Vierarmigen ins Visier. Er feuerte, ehe Charity auch nur begriff, was er vorhatte.

»Wenn er das nicht begriffen hat, ist ihm nicht zu helfen«, sagte er. »Geh. Ich halte ihn in Schach.«

Sie nickte, schwang sich mit einer fließenden Bewegung über das Fensterbrett und sprang die drei Meter bis zur Straße hinunter. Für einen Moment war sie hilflos, als sie das Gleichgewicht verlor und sich abrollen musste, um nicht vom Schwung ihrer eigenen Bewegung von den Füßen gerissen zu werden, aber Niles drohend aus dem Fenster zielende Waffe tat ihre Wirkung: der gepanzerte Kopf des Außerirdischen drehte sich zwar wie ein schrecklicher schwarzer Roboterschädel und folgte ihrer Bewegung, aber er schoss nicht.

Zu leicht, dachte Charity. Das war einfach zu leicht! Seit ihrem ersten Schuss auf den Außerirdischen war nicht einmal eine Minute vergangen. Charity konnte nicht glauben, dass es so einfach sein sollte, mit einem Angreifer fertig zu werden, der eine ganze Welt gelähmt hatte.

Vorsichtig näherte sie sich der schwarzbraun gepanzerten Gestalt, wobei sie einen respektvollen Bogen um einen der toten Riesenkäfer schlug, der wie ein umgestürzter Lastwagen auf der Straße lag.

Er ist tatsächlich so groß wie ein LKW, dachte sie ungläubig.

Plötzlich war sie Hardwell sehr dankbar dafür, dass er darauf bestanden hatte, ihnen die Waffen mitzugeben. Mit der kleinen Pistole, die zu ihrer normalen Uniform gehörte, hätte sie nicht viel gegen diese zwölfbeinigen Monster ausrichten können.