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»Er will Sie sprechen, Captain Laird«, sagte er.

Charity blickte ihn einen Moment fast perplex an, dann stülpte sie sich die schweren Kopfhörer über - sie waren so altmodisch und unpraktisch wie das Gerät, zu dem sie gehörten. Der Techniker, der das Gerät normalerweise bediente, tippte er ihr auf die Schulter.

»Drücken Sie die rote Taste, wenn Sie sprechen wollen, Captain«, sagte er.

Charity nickte dankbar und meldete sich. Als sie die Taste wieder losließ, füllten sich die Kopfhörer mit Rauschen und einer Unzahl piepsender und pfeifender Störgeräusche. Sie hatte Mühe, Beckers Stimme zu verstehen.

»Captain Laird«, begann Becker. Trotz der miserablen Übertragungsqualität glaubte Charity, einen gehetzten Ton in seiner Stimme zu vernehmen. »Hören Sie zu, Captain. Stellen Sie keine Fragen, sondern hören Sie einfach nur zu. Wenn Sie antworten müssen, tun Sie es mit Ja oder Nein - verstanden?«

Charity drückte die rote Taste am Funkgerät und sagte: »Aber selbstverständlich, Commander.«

»Wo sind Wollthorpe und Niles?« fragte Becker. »Bei Ihnen?«

»Nein«, antwortete Charity. »Mike... Lieutenant Wollthorpe befindet sich hier bei mir, wo Niles ist ... weiß ich nicht.« Das entsprach nicht ganz der Wahrheit.

Sie wusste ziemlich genau, wo Niles sich im Moment aufhielt - am anderen Ende der Stadt nämlich, bei seiner Familie. Falls sie noch lebten.

Becker fluchte. »Okay - versuchen Sie ihn aufzutreiben. Und dann kommen Sie hierher. Alle drei, oder nur Wollthorpe und Sie, wenn Sie ihn nicht finden.«

»Was ist passiert?« fragte Charity.

»Plan Omega läuft an«, antwortete Becker. Er atmete hörbar ein. »Termin ist der 13. Dezember. Schaffen Sie das?«

Der 13.? dachte sie schockiert. Das waren nur noch acht Tage - normalerweise genug, um achtmal nach Timbuktu und zurück zu fliegen, aber in einer Welt ohne Helijets verdammt wenig, um eine Entfernung von fast zweitausend Meilen zu bewältigen.

Trotzdem sagte sie: »Ja.« Becker würde früh genug merken, wenn sie es nicht schafften. Er wusste so gut wie Sie, was er von ihnen verlangte.

»Was ist passiert?« fragte sie noch einmal. »Warum ...«

»Verdammt, Sie sollen den Mund halten!« schrie Becker. »Ich versuche Sie und die beiden anderen da rauszuholen, begreifen Sie das nicht? Sie sind dabei, sich um ihren Hals zu reden, Kindchen.«

Und dich um deine Freiflugkarte zum Mars, fügte Charity in Gedanken böse hinzu. Einer der Plätze auf der CONQUEROR war für Becker reserviert. Aber das sprach sie dann doch lieber nicht laut aus.

»Wie meinen Sie das?« fragte sie vorsichtig, wobei sie sich bemühte, ein möglichst unbefangenes Gesicht zu machen. Sie war sich der Tatsache bewusst, dass nicht nur Stanley sie anstarrte, sondern die gesamte Besatzung des Kommandoraumes.

»Es wird ernst«, antwortete Becker. »Drüben in Europa scheinen ein paar Bomben gefallen zu sein. Niemand weiß etwas Genaues, aber wir haben einige sehr starke Erschütterungen registriert.«

Und ihr macht die Rettungsboote fertig, dachte Charity. Deshalb drängte Becker so darauf, sie und die anderen in die Station zu bringen - schließlich war sie der Steuermann. Sie fragte sich nur, wohin sie es lenken sollte.

»Aber das ist nicht alles«, fuhr Becker fort. »Sie haben Tokio ausgelöscht, und... ...ein paar weitere. Wir verlieren ungefähr alle zehn Minuten den Funkkontakt mit einer anderen Stadt. Ich weiß nicht, was da vorgeht, Laird, aber es sieht so aus, als wenn sie jetzt wirklich Ernst machen. Und ich bin sicher, dass New York ganz oben auf ihrer Liste steht. Deshalb will ich, dass Sie von dort verschwinden - klar?«

»Verstanden, Sir«, antwortete Charity. Ein schlechter Geschmack breitete sich in ihrem Mund aus. So viel zum Thema Widerstand, dachte sie.

»Geben Sie mir noch einmal Stanley«, verlangte Becker.

Charity stand auf, nahm die Kopfhörer ab und reichte sie Stanley.

Sie schwieg, während Stanley gebannt auf Beckers Stimme lauschte und nur ein paarmal mit einem halblauten Ja antwortete, und sie versuchte zumindest, die Blicke zu ignorieren, die sie aus zwei Dutzend angstvoll geweiteter Augenpaare trafen.

Diese Männer und Frauen würden ihr ihre Gefühle einfach ansehen, so deutlich, als stünden sie mit flammenden Lettern auf ihrer Stirn geschrieben.

Was sollte sie ihnen sagen, wenn sie sie fragten, was passiert war?

Dass sie wahrscheinlich nur noch ein paar Stunden zu leben hatten?

Stanley beendete das Gespräch und stand auf. Sein Gesicht war leichenblass, als er sie ansah. »Ich habe den Befehl bekommen, Sie so schnell wie möglich aus der Stadt herauszubringen, Captain«, sagte er. »Was ist passiert?«

Becker hatte es ihm nicht gesagt, dachte Charity. Sie kam sich wie eine Verräterin vor.

»Ich weiß es nicht«, antwortete sie ausweichend. »Er weiß selbst nichts Genaues. Es sieht so aus, als wären in Europa ein paar Bomben gefallen.«

Sie versuchte zu lächeln, spürte aber selbst, dass sie nur eine Grimasse zog.

»Bomben?«

»Ihre Leute sind nicht die einzigen Bastler, wie es aussieht«, antwortete sie lahm. »Vielleicht habe ich mich getäuscht, und unsere Freunde vom Mars wohl auch. Wir sind nicht ganz so hilflos, wie sie meinten.« Es war ein ziemlich plumper Versuch, die Spannung zu lösen, und er schlug auch fehl. Sowohl Stanley als auch alle anderen hier mussten einfach merken, dass jedes einzelne Wort gelogen war.

Aber Stanley widersprach nicht mehr, sondern starrte nur einen Moment lang an ihr vorbei. Dann hob er die Hand und deutete zur Decke.

»Okay, ich habe meine Befehle«, sagte er mühsam. »Holen Sie Ihre Sachen, Captain. Ich bringe Sie hier heraus.«

»Und wie?«

Stanley lächelte matt. »Können Sie reiten?«

Sie konnte, aber eine Stunde später wünschte sie sich beinahe, Stanleys Frage mit Nein beantwortet zu haben. Ihr Rücken schmerzte unerträglich, und sie spürte jeden einzelnen Hufschlag des Pferdes auf dem Asphalt wie einen Tritt ins Kreuz. Sie hatten Manhattan fast von einem Ende zum anderen durchquert, und es war wie ein Spießrutenlauf durch die Hölle gewesen. Zweimal waren sie angegriffen worden, und beide Male nicht etwa von außerirdischen Ungeheuern, sondern von verzweifelten Menschen, die es auf ihre Pferde abgesehen hatten.

Sie hatten nicht den Weg zur Brücke eingeschlagen, wie Charity erwartet hatte, sondern waren fast in entgegengesetzter Richtung geritten, und vor fünf Minuten hatten sie eine Stacheldrahtsperre passiert, die einen ganzen Häuserzug umgab.

Seit sie die Barriere hinter sich hatten, hatte Charity nur noch Soldaten gesehen.

Ein für alle Zeiten abgeschalteter Panzer blockierte die Straße.

Ein beeindruckender Anblick, dachte Charity spöttisch. Die Außerirdischen würden sich totlachen, wenn sie ihn sahen. Immerhin stellte er das Nonplusultra irdischer Waffentechnik dar, ein Ungetüm von schier unvorstellbarer Vernichtungskapazität. Vorsichtig umkreisten sie den toten Giganten, schlängelten sich durch eine weitere Stacheldrahtsperre und näherten sich einem langgestreckten Lagerhaus, vor dem eine ganze Hundertschaft Soldaten Lager bezogen hatte. Stanley, der jetzt ein Stück voraus ritt, wechselte ein paar Worte mit einem Offizier, deutete auf die Halle und dann auf sie und Mike und beendete das Gespräch schließlich mit einer befehlenden Geste. Er sah nicht besonders gut gelaunt aus, als Charity ihr Pferd neben ihn lenkte und ihn fragend ansah.

»Probleme?«

»Nein«, log Stanley. »Kommen Sie. Es ist nicht mehr weit.«

Aber er ritt nicht weiter, sondern schwang sich mit einer zornigen Bewegung aus dem Sattel und wartete, bis Charity und Mike seinem Beispiel gefolgt waren.