Der stechende Schmerz in Charitys Rücken erwachte zu neuer Wut, als sie vom Pferd stieg und den ersten Schritt machte; trotzdem war sie erleichtert, wieder auf ihren eigenen Füßen zu stehen. Als Stanley sie gefragt hatte, ob sie reiten konnte, hatte sie angenommen, dass er ihr auch ein Reitpferd geben würde; keinen kreuzlahmen Gaul, den seine Leute wahrscheinlich aus dem Schlachthaus geholt hatten...
Sie warf dem Pferd einen feindseligen Blick zu, löste ihren Rucksack vom Sattelgurt und beeilte sich, Stanley zu folgen.
Sie betraten die Halle.
Zuerst sah Charity gar nichts. Ihre Augen hatten sich an zwei Stunden Sonnenlicht gewöhnt und brauchten Sekunden, um sich auf die Dämmerung hier drinnen umzustellen. Es gab Licht - ein Dutzend grellweißer Inseln aus Helligkeit, die von großen Karbidscheinwerfern in die Schwärze gestanzt wurden -, aber der krasse Kontrast zwischen künstlicher Nacht und ebenso künstlicher Helligkeit schien die Schwärze eher noch zu betonen.
Dann begannen sich ihre Augen an die neuen Lichtverhältnisse zu gewöhnen, und wenn das, was sie im aller ersten Moment glaubte, der Wahrheit entsprach, dachte sie, dann hatte Stanley verdammt recht, die Hälfte seiner kleinen Armee hier aufzubieten...
Der Hubschrauber war mindestens zwanzig Jahre alt. Die Pilotenkanzel war eine zerkratzte runde Plexiglaskugel, in der gerade Platz für zwei Passagiere war, von der spindeldürren Konstruktion des Schwanzes blätterten mindestens fünf verschiedene Lackschichten herunter, und der Motor sah aus, als hätten Stanleys Leute ihn aus einem Vorläufer der Arche Noah ausgebaut.
»Großer Gott, sagen Sie bloß, das Ding fliegt noch?« sagte Mike fassungslos.
Stanley warf ihm einen ganz und gar undeutbaren Blick zu, antwortete aber nicht, sondern hob befehlend die Hand.
»Croyd!«
Ein kleiner, kahlköpfiger Mann in einem weißen Kittel voller Öl- und Schmutzflecken löste sich aus der Dunkelheit und kam auf ihn zu. Seine Überraschung, als er Charity und Mike erkannte, war nicht zu übersehen.
Aber er verbiss sich jede Bemerkung und sah nur Stanley fragend an.
»Colonel?«
Stanley deutete auf den Hubschrauber. »Wie seit sind Sie, Croyd?« fragte er knapp. »Fliegt er?«
Croyd nickte ganz automatisch, dann zuckte er mit den Schultern.
»Theoretisch, ja«, antwortete er. »Der Motor läuft. Aber ob das Ding überhaupt noch jemals fliegt, kann niemand sagen. Wir haben noch keinen Probeflug gemacht, wenn Sie das meinen.«
»Er wird funktionieren müssen«, antwortete Stanley barsch. Er deutete auf Charity. »Sie kennen Captain Laird?«
»Wer kennt sie nicht?« antwortete Croyd. Er lächelte flüchtig. »Ich freue mich, Sie kennenzulernen.« Er wurde übergangslos ernst. »Sie wollen wirklich mit diesem Ding fliegen?«
»Wenn wir es weiter als zehn Zentimeter in die Luft bekommen, ja«, antwortete Charity lächelnd.
»Das werden Sie«, antwortete Croyd überzeugt. »Diese alten Vögel waren robuste kleine Maschinchen, die so schnell nichts umwirft. Aber es ist zu früh.« Er wandte sich wieder an Stanley.
»Kommen Sie morgen wieder, Colonel. Oder besser in zwei Tagen. Der Hubschrauber muss doch ...«
Stanley schnitt ihm mit einer zornigen Geste das Wort ab. »Wir haben weder bis morgen Zeit noch bis übermorgen, Croyd«, sagte er heftig. »Fliegt er, oder fliegt er nicht?«
Croyd schwieg einen Moment, eher verblüfft als erschrocken, oder gar eingeschüchtert.
»Theoretisch, ja«, wiederholte er. »Aber ...«
»Dann ist es ja gut«, sagte Stanley. »Alles andere wird sich zeigen. Weisen Sie Captain Laird in die Instrumente ein.«
Croyd starrte ihn aus aufgerissenen Augen an, aber Stanley gab ihm keine Gelegenheit mehr, zu widersprechen, sondern fuhr auf dem Absatz herum und verschwand mit schnellen Schritten im Hintergrund der Halle. Croyd blickte ihm kopfschüttelnd nach. »Was hat er?«
Charity zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht«, sagte sie. Ein wenig war sie selbst überrascht, wie glatt ihr die Lüge von den Lippen kam.
»Vielleicht ist er böse, dass wir ihm sein Spielzeug wegnehmen«, sagte Mike.
Croyd sah jetzt doch ein wenig erschrocken aus. »Aber Sie bringen es doch zurück, oder?«
»Selbstverständlich - falls wir nicht damit vom Himmel fallen.«
Mike klaubte seinen Rucksack vom Boden auf und schlenderte auf den Hubschrauber zu.
Croyd blieb stehen, um sich eine filterlose Zigarette anzuzünden.
Er stieß eine blaue Rauchwolke in Mikes Richtung und lächelte übertrieben schadenfroh.
»Ich bin nicht besonders scharf darauf, den Testpiloten zu spielen. Können Sie mit einer solchen Maschine umgehen?«
Mike nickte. »Natürlich«, sagte er beleidigt.
»So natürlich ist das gar nicht«, antwortete Croyd, während sie sich dem Hubschrauber näherten. »Ich weiß, dass Sie ein Raumschiff fliegen können, aber das da ist etwas anderes, glauben Sie mir. Sie haben keinerlei Hilfsmittel. Keine Computer, die jeden ihrer Fehler ausbügeln. Nicht einmal einen Höhenmesser. Wenigstens keinen«, fügte er hinzu, »der funktioniert. Eine Maschine wie diese zu fliegen, erfordert eine Menge Fingerspitzengefühl.«
Sie hatten den Helikopter erreicht. Croyd öffnete die Kanzeltür, trat einen Schritt zurück und machte eine einladende Handbewegung. Mike zögerte unmerklich, aber dann gab er sich einen sichtlichen Ruck, warf sein und Charitys Gepäck in den schmalen Stauraum hinter den Sitzen und kletterte umständlich in die Maschine hinein. Charity hörte ihn seufzen. »Mein Gott, das Ding stammt ja noch aus der Steinzeit.«
Croyd nickte ungerührt. »Seien Sie froh, dass das so ist, Lieutenant. Wenn er zehn Jahre jünger wäre, hätten wir ihn kaum hingekriegt.«
»Haben Sie sich deshalb dieses Wrack ausgesucht?« fragte Charity.
Wenn Croyd die Bezeichnung Wrack störte, so ließ er sich nichts anmerken. Er nickte.
»Zum Teil«, gestand er. »Eine Maschine jüngeren Datums wäre mir persönlich auch lieber gewesen, glauben Sie mir. Aber es hätte keinen Sinn gehabt. Wir brauchten Wochen, um eines dieser vollelektronischen Spielzeuge wieder hinzukriegen - falls wir es überhaupt schaffen. Das hier ...« Er schlug mit der flachen Hand gegen die Pilotenkanzel, und der ganze HeliCopter begann leicht zu zittern. »...ist so etwas wie ein Dinosaurier, wissen Sie? Ein einfacher, robuster Motor und so gut wie keine Elektronik.« Er deutete auf den Motor, der hinter und über der Pilotenkanzel angebracht war. »Das Schätzchen da oben hat uns ein bisschen Kopfzerbrechen bereitet, aber jetzt läuft es wieder.«
»Woher haben Sie die Ersatzteile?« fragte Charity.
»Ersatzteile?«
»Zündspule, Kerzen, Verteiler ...« Sie machte eine Handbewegung, um anzudeuten, dass sie die Aufzählung noch weiterführen konnte, es aber nicht für nötig hielt.
»Es gibt keine«, sagte Croyd lakonisch. »Alles selbstgebaut. Gute amerikanische Handarbeit.« Er lächelte flüchtig. »Falls Sie landen sollten, passen Sie auf, dass der Motor nicht ausgeht. Es gibt keinen Anlasser.«
»Oh«, sagte Charity.
Croyd grinste, streckte übertrieben galant den Arm aus und half ihr, zu Mike in die Kabine zu klettern. Anschließend zog er sich schnaubend selbst auf die Kufen des HeliCopters hinauf und beugte sich vor, um Mike die Instrumente zu erklären; ein Unterfangen, das mit einigen wenigen Worten erledigt war, denn die allermeisten Anzeiger funktionierten nicht mehr.
»Das da ist die Tankanzeige«, sagte er abschließend. »Sie geht nicht. Wenn die Kiste anfängt zu rütteln, schalten Sie an diesem Hebel auf Reserve. Anschließend haben Sie noch ungefähr zehn Minuten Zeit, die nächste Tankstelle zu finden.«
»Wie groß ist die Reichweite?« fragte Mike. Croyd zuckte mit den Schultern.
»Keine Ahnung. Der Tank fasst hundert Gallonen - also vielleicht zweihundert Meilen. Kaum mehr. Diese alten Motoren haben einen gesegneten Appetit.«