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Sie alle waren nervös - das waren sie seit ihrem Start vor fünfundzwanzig Tagen, und während der letzten anderthalb Stunden, in denen die CONQUEROR auf Kollisionskurs mit dem fremden Schiff gegangen war, war die Anspannung fast unerträglich geworden.

Und warum auch nicht? Gegen Armstrongs kleinen Schritt für einen Mann, aber ein gewaltiger Schritt für die Menschheit war das, was ihnen bevorstand, ein Marathonlauf mit Siebenmeilenstiefeln - nämlich nichts weniger als der erste Kontakt zwischen Menschen und einer außerirdischen Lebensform. Einer denkenden Lebensform, keinen Einzelligen Mikroorganismen, wie sie sie auf dem Mars gefunden hatten, oder die schleimigen Schimmelpilzgewächse vom Titan, die die irdischen Wissenschaftler in einen Freudentaumel versetzt hatten - sondern intelligenten, denkenden Geschöpfen, die in der Lage waren, ein neunhundert Meter durchmessendes Raumschiff zu bauen und mit einer Geschwindigkeit von mehr als viertausend Meilen in der Sekunde auf die Erde abzuschießen.

Sie hatten gute Gründe, aufgeregt zu sein.

Aber sie durften es nicht. Wenn der Computer recht hatte, dann blieben ihnen weniger als zwölf Minuten, aus der CONQUEROR auszusteigen, zu dem fremden Schiff hinüberzufliegen und es sich anzusehen. Das Ding war einfach zu schnell, um neben ihm herzufliegen oder gar daran anzudocken. Alles, was ihnen blieb, war, auf Parallelkurs zu gehen, ein Stück vor ihm herzufliegen und sich überholen zu lassen. Zwölf Minuten, ehe die Distanz zu groß wurde, um ihre sichere Rückkehr zum Shuttle zu garantieren; vierzehn, wenn man bereit war, den Selbstmörder zu spielen und die Sicherheitsreserven der Rucksäcke bis auf den letzten Treibstofftropfen zu vergeuden.

Charity hatte keine Lust, den Helden zu spielen. Aber sie machte sich Sorgen um Mike, und viel mehr noch um Soerensen. Sie war ziemlich sicher, dass er Ärger machen würde - er gehörte zu jener Art von Wissenschaftlern, die ohne mit der Wimper zu zucken ihr Leben opferten, nur um ihren Namen in irgendeiner Fußnote eines wissenschaftlichen Berichtes verewigt zu wissen. Ihrer Meinung nach war es ein Fehler gewesen, ihn mitzunehmen. Dabei ging es gar nicht um ihn persönlich. Auf einer solchen Expedition hatten Wissenschaftler nichts zu suchen. Sie würden - falls es ihnen überhaupt gelang, einen Weg in dieses Ding zu finden! - nicht einmal zehn Minuten im inneren des fremden Raumschiffes verbringen. Was zum Teufel bildete er sich ein, in zehn Minuten erforschen zu können?

»Sieben Minuten«, sagte Niles. »Wir sind auf Kurs. Geht nach oben.« Seine Stimme klang verzerrt, und das lag nicht allein an der schlechten Übertragung der kleinen Helmlautsprecher. Er war verbittert, und sie alle - mit Ausnahme Soerensens - kannten sich zu gut, als dass er versucht hätte, diese Verbitterung zu verbergen.

Charity konnte ihn sogar verstehen. Aber das Los war nun einmal auf ihn gefallen, und einer von ihnen musste zurückbleiben; auch wenn er die ganze Zeit über wahrscheinlich so gut wie nichts zu tun hatte. Die CONQUEROR wurde seit drei Stunden ausschließlich von den Computern geflogen, und daran würde sich in den nächsten Stunden auch nichts ändern. Doch selbst der beste Computer konnte versagen. Weder Charity noch einer der anderen hatten besondere Lust, die CONQUEROR auf Nimmerwiedersehen im Weltraum verschwinden zu sehen, nur weil irgendein verdammter Chip durchgebrannt war oder die ETs dort drüben ihr Hallo Nachbarn! vielleicht auf einer Frequenz funkten, die ihre Bordrechner ausflippen ließ.

Nacheinander kletterten sie in den Laderaum hinauf. Die beiden riesigen Klappen des Frachtraumes standen weit offen, und für einen Moment kam sich Charity winzig und verloren vor. Um sie herum war jetzt buchstäblich nichts mehr, nur die eisige Kälte des Weltraumes und die Leere zwischen den Planeten.

Der Gedanke, dass sie von dieser entsetzlichen Leere jetzt nichts weiter als das bisschen Plastik ihres Schutzanzuges trennten, ließ sie schaudern.

»Dort ist es!« Eine der weißen Gestalten neben ihr hob den Arm und deutete auf einen von zahllosen flimmernden Silberpunkten über ihnen, und Charity erkannte Soerensens Stimme. Sie runzelte spöttisch die Stirn, hütete sich aber, irgend etwas zu sagen. Ihre Worte wurden nicht nur von den fünf anderen, sondern auch von ungefähr fünftausend SPACE-FORCE-Leuten auf der Erde mitgehört.

»Drei Minuten«, verkündete Niles' Stimme über die Helmlautsprecher. »Schiff liegt genau auf Kurs. Macht euch fertig.«

Es gab nichts fertig zumachen, aber sie war trotzdem beinahe dankbar für Niles' Worte, vielleicht auch nur für den Klang seiner Stimme, der ihr wenigstens die Illusion vorgaukelte, in dieser unendlichen Leere nicht allein zu sein. Schwerfällig drehte sie sich in ihrem plumpen Raumpanzer zur Seite und betrachtete die Gestalten der anderen, eineiige Vierlinge aus Silber und Weiß, die sich nur durch die kleinen Namensschildchen auf den Helmen unterschieden. Es tat ihr sehr leid, Mikes Gesicht nicht erkennen zu können, aber seine Helmscheibe hatte sich automatisch verdunkelt.

Trotzdem glaubte sie zu spüren, dass er sie anlächelte, und erwiderte sein Lächeln.

Eines der flachen Silbergesichter - das Namensschildchen darüber behauptete, dass es Soerensen gehörte - wandte sich ihr zu.

In den Helmlautsprechern knackte es ganz leise, als sich der Wissenschaftler auf ihre Frequenz schaltete. »Captain Laird?«

»Ja?«

Soerensens ausgestreckte Hand wies auf den schlanken Gammastrahllaser, der an seiner Magnethalterung an der rechten Seite ihres Anzuges hing.

»Überlegen Sie es sich noch einmal«, sagte er. »Ich beschwöre Sie, das Ding da nicht mitzunehmen.«

Charity unterdrückte ein Seufzen. Wie oft hatten sie dieses Gespräch in den letzten dreieinhalb Wochen geführt? Hundertmal? Mindestens.

»Ich habe meine Befehle«, antwortete sie unwillig. »Außerdem ist es zu spät. Ich kann nicht mehr zurück ins Schiff.«

»Sie machen einen entsetzlichen Fehler, Captain!« sagte Soerensen fast flehend. »Ich bitte Sie! Wollen Sie einer außerirdischen Lebensform wirklich mit einer Waffe in der Hand gegenübertreten? Wozu?«

»Zum Beispiel, um unverbesserlichen Romantikern wie Ihnen den Arsch zu retten, Soerensen«, sagte sie scharf. »Und jetzt halten Sie gefälligst die Klappe - sonst lasse ich Sie hier, Soerensen. Dazu ist es nämlich keineswegs zu spät.«

Aber hinter der verdunkelten Sichtscheibe ihres Helmes lächelte sie. Sie war sicher, dass dieser Teil ihres Gespräches aus den Bändern ausgeschnitten werden würde, bevor man sie der Öffentlichkeit zugänglich machte.

Soerensen wollte erneut widersprechen. »Schluss jetzt!«

»Zwei Minuten«, sagte Niles, dann: »Eine Minute. Es geht los. Viel Glück. Und bringt mir eine hübsche Außerirdische mit.«

»Keine Privatgespräche mehr, Lieutenant«, sagte Charity, allerdings in einem Ton, der nur für die Zuhörer auf der Erde streng klang. Niles würde wissen, wie sie es wirklich meinte.

»Dreißig Sekunden«, sagte Niles. »Fünfzehn, zehn... und los.«

Es war beinahe enttäuschend undramatisch, wie alle wirklichen Weltraumspaziergänge - Charity hatte nicht das Gefühl, zu fliegen, denn es gab weder Schwerkraft noch eine spürbare Beschleunigung.

Die CONQUEROR sackte einfach unter ihnen weg und wurde zu einem handgroßen weißen Dreieck, dann zu einem winzigen Punkt und verschwand schließlich ganz. Es ging unglaublich schnell.

Die Sicherheitsleine, mit der sie alle fünf verbunden waren, spannte sich mit einem Ruck, und für einen ganz kurzen Moment führten sie eine Art grotesken Tanz auf, als ihre ganze Fünfergruppe ins Trudeln kam. Dann stachen kleine Lichtlanzen aus Mikes und Soerensens Rucksäcken, schließlich eine dritte, etwas längere aus dem Bellingers. Ihre grotesken Purzelbäume hörten auf, als der Leitcomputer in Charitys Anzug zu dem Schluss kam, dass sie wieder auf dem richtigen Kurs lagen.

Lautlos schwebten sie durch das All. Niemand sprach, und selbst die Atemzüge der vier anderen klangen flacher als gewohnt. Charity glaubte die Sekunden verrinnen zu hören.