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Sie selbst war eher überrascht gewesen, als sie begriffen hatte, dass dieses riesige Schiff nichts anderes als Leere transportierte. Für Soerensen musste eine Welt zusammenbrechen.

»Noch sechs Minuten«, sagte Mike. »Was tun wir? Weiter nach unten?« Charity schüttelte den Kopf, dann fiel ihr ein, dass die Bewegung im Inneren ihres Helmes wohl kaum zu sehen war.

»Nein«, sagte sie. »Macht euch fertig - ich zünde eine Leuchtgranate.«

Sie glitten zu Soerensen und den anderen hinauf. Charity befestigte ihre Sicherheitsleine wieder an den Anzügen Soerensens und Bellingers, überzeugte sich mit einem Blick davon, dass Mike auf der anderen Seite dasselbe tat, dann nahm sie ihre vorgeschriebene Position ein. Sie bildeten jetzt ein gleichmäßiges Fünfeck, mit nach außen gewandten Gesichtern und - weitaus wichtiger - Kameralinsen.

Mit etwas Glück würden sie das Innere des gesamten Schiffes aufnehmen können.

»Jetzt«, meinte Charity.

Zwanzig Meter unter ihnen flammte eine grellweiße Miniatursonne auf. Für einen Moment war Charity blind, trotz des Filters, der sich blitzartig vor die Sichtscheibe ihres Helmes senkte.

Dann gewöhnten sich ihre Augen an das schattenlose grelle Licht, und was sie sah...

Sie befanden sich im Inneren eines ungeheuerlichen, stählernen Domes. Decke und Wände bestanden aus mattem, beinahe weißem Metall, in dem eine große Anzahl runder Löcher waren, gleich dem, durch das sie das Schiff betreten hatten.

Über und neben ihnen waren keine Schatten, denn es gab nichts, was Schatten hätte werfen können - neunundneunzig Prozent dieser riesigen fliegenden Scheibe waren schlicht und einfach leer.

Nur unter ihnen war etwas zu sehen. Der grelle Teppich aus Licht, durch den sie hindurchblicken mussten, löste die Konturen auf wie leuchtende Säure und verwandelte den Boden der Flugscheibe in eine surrealistische Landschaft aus Schatten und ineinanderlaufenden Linien und Umrissen.

Die Leuchtgranate erlosch, und die Dunkelheit schlug wie eine Woge über ihnen zusammen. Für eine Sekunde hatte Charity das Gefühl, in der plötzlichen Schwärze nicht einmal mehr atmen zu können.

»Nach unten!« sagte Soerensen. »Wir müssen hinunter, Captain. Da ist etwas! Schnell!«

Der Unterton in seiner Stimme verrät eindeutig Panik, dachte Charity besorgt.

Aber das änderte nichts daran, dass er recht hatte. Trotzdem hielt sie ihn mit einem ärgerlichen Ruck zurück, als er sich an ihr vorbeisinken lassen wollte.

»Mike?« fragte sie.

»Fünf Minuten«, antwortete Mike.

»Knapp.«

Charity sah unentschlossen nach oben, weitere fünf unwiederbringlich verschenkte Sekunden, für die Soerensen ihr fünf Jahre Fegefeuer an den Hals wünschen würde.

Ihre anfängliche Besorgnis, den Einstieg nicht wiederzufinden, war unbegründet - dieses Schiff war ein fliegender Schweizer Käse, in dessen Rumpf sich Hunderte von Ausstiegen befanden. Und doch behagte ihr der Gedanke nicht, in dieses Labyrinth aus Schatten und unbekannten Dingen hinabzusteigen.

»Okay«, sagte sie. »Aber seid vorsichtig. Sie rühren nichts an, Soerensen, verstanden?«

Statt einer Antwort ließ sich der Wissenschaftler erneut in die Tiefe sinken, und diesmal hinderte ihn Charity nicht daran. Alle ihre Sinne arbeiteten mit mindestens zweihundert Prozent ihrer Leistung, und sie sah und hörte und fühlte und roch Dinge, von denen sie bis jetzt nicht einmal gewusst hatte, dass es sie gab.

Ihre Lichtstrahlen stießen auf Widerstand.

Etwas Großes, Schwarzes tauchte aus der Dunkelheit unter ihnen auf und verschwand wieder, und plötzlich waren sie von Schatten und mattblinkenden, sonderbaren Dingen umgeben, schräg gegeneinandergeneigten Ebenen aus stumpfem Metall, pyramidenförmigen, runden, kubischen und absolut unbeschreibbaren Formen, dazwischen Gräben und jäh aufklaffende, unregelmäßig geformte Löcher, die in weite, unbekannte Tiefen hinabführten, und endlich etwas, das wenigstens annähernd technisch aussah, ohne dass Charity sagen konnte, was es nun war.

Soerensen sicherlich auch nicht - was ihn allerdings nicht daran hinderte, unentwegt kleine, verzückte Laute auszustoßen und seine Lampe immer hektischer hin und her zu schwenken. Charitys Unwohlsein verstärkte sich. Welches Prädikat man immer auf die Technologie der Fremden anwenden wollte - einen angenehmen Anblick bot sie nicht.

Sie setzten auf einer fast fußballfeldgroßen Ebene aus grauem Metall auf, in der zahllose kleine Risse und Spalten prangten. Einige von ihnen schienen mit grober Gewalt in das Material hineingebrochen worden zu sein.

»Vier Minuten«, sagte Mike unaufgefordert. »Drei, bis wir zurück müssen.«

»Okay«, antwortete Charity. »Dann fangt an.«

Bellinger und Sanders lösten ihre Sicherheitsleinen aus dem Verband und begannen in fliegender Eile, aber ohne Hast, ihre mitgebrachten Instrumente aufzubauen und wenigstens einen Teil der Tests und Messungen durchzuführen, die auf der Wunschliste von Soerensens irdischen Kollegen gestanden hatten, während Mike behutsam niederkniete und ein Vibro-Messer aus dem Gürtel zog.

Charity beobachtete ihn aufmerksam, ohne ihre Umgebung dabei auch nur für eine Sekunde aus dem Auge zu lassen. Sie hatte den Laser schon auf halbem Wege nach unten von ihrem Anzug gelöst; jetzt schaltete sie die Sicherung aus und den Gammaverstärker ein.

Die Waffe begann lautlos in ihren Händen zu vibrieren, und in ihrem gläsernen Lauf glomm ein bösartiges, blutfarbenes Licht auf.

Soerensen sah auf, aber er sagte nichts. Entweder, dachte sie, hatte er endgültig begriffen, dass sie für die Sicherheit der Expedition verantwortlich war, oder die verbleibenden Sekunden waren ihm einfach zu kostbar, um sie mit einer weiteren überflüssigen Bemerkung zu verschwenden.

Mike schabte mit seinem Messer einen handlangen Span aus der Metallplatte, auf der sie standen, verstaute ihn sorgfältig in einer Tasche seines Anzuges und sah sich nach etwas anderem um, an dem er herumkratzen konnte, während Soerensen aufgeregt am Ende der Sicherheitsleine herumlief.

»Da drüben!« sagte er. »Dieser schwarze Zylinder, Captain!«

Charity sah Mike an.

»Zwei Minuten.« Mike nickte, löste seine Sicherheitsleine und beugte sich neugierig über irgend etwas am Boden, ohne sie oder Soerensen eines weiteren Blickes zu würdigen, und Charity wandle sich mit einer auffordernden Geste an den Wissenschaftler.

»Halten Sie sich fest, Professor.« Sie gab Soerensen nicht einmal Zeit, zu antworten, sondern flog los, direkt auf den gewaltigen schwarzglänzenden Zylinder zu, der ihn so faszinierte.

Sie verbrauchten ein Viertel ihrer verbliebenen Zeit, um ihn zu erreichen, aber das Ergebnis schien den Einsatz zu lohnen: Soerensen stieß einen kleinen faszinierten Schrei aus und riss sie fast von den Füßen, als er versuchte, auf das Ding loszustürmen, kaum dass sie wieder auf dem Boden aufgesetzt hatten.

»Der Antrieb!« sagte er ehrfürchtig. »Das muss eine der Antriebsmaschinen sein. Filmen Sie es, Captain! Nehmen Sie alles auf!«

Charity antwortete gar nicht. Ihre Helmkameras liefen, seit sie die CONQUEROR verlassen hatten. Sie hätten sie nicht einmal abschalten können, selbst wenn sie es gewollt hätten. Und außerdem hatte sie etwas entdeckt, das sie wesentlich mehr faszinierte als der monströse Raketenmotor vor ihnen.

Das hieß - faszinierte war nicht das richtige Wort. Es war...

Es war ein gewaltiger Block aus schwarzem Metall, fünfzig, sechzig Meter breit und so hoch wie ein zweistöckiges Haus. Er war vollkommen glatt, und auf seiner Oberfläche ruhte etwas, das sich ihren Blicken beständig zu entziehen schien, so absurd es klang.

»Großer Gott!« flüsterte Soerensen. »Was ist das?!«

Charity musste sich nicht zu ihm umdrehen, um zu wissen, was er meinte. Auch er hatte den schwarzen Block entdeckt. Und das Ding auf seiner Oberseite.

Was sie sahen, war faszinierend und erschreckend zugleich: Es war ein Ring, ein gewaltiger, dreißig, vierzig Meter durchmessender Kreis aus silbern schimmerndem Metall - vielleicht auch Kristall -, der wie eine auf die Kante gestellte Münze aufrecht auf dem gewaltigen Eisenblock ruhte. Er bewegte sich nicht, sondern schien so tot zu sein wie alles in diesem Schiff, und trotzdem... umgab ihn etwas.