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James White

Chef de Cuisine

HEYNE SCIENCE FICTION & FANTASY Band 0604982

Titel der englischen Originalausgabe Code THE GALACTIC GOURMET

1996 der deutschen Ausgabe und der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München

Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!!

1. Kapitel

Schon seit langem war es Gurronsevas gewohnt, daß ihm Kollegen, bei denen es sich eigentlich um seine Vorgesetzten handelte, der äußeren Form nach mit Respekt begegneten; und das lag normalerweise eher an seiner gewaltigen Körperkraft und — größe als an den weniger augenfälligen Eigenschaften, über die er verfügte, wie hohe Intelligenz und unübertroffene Berufserfahrung. Daß er nun eingeladen worden war, die Endphase des Anflugs vom winzigen Kommandodeck des Aufklärungsschiffs aus zu verfolgen, war eine große Ehre, die Schiffspassagieren nur selten erwiesen wurde, auch wenn sich — wie es diesmal der Fall war — nur ein einziger an Bord befand. Doch Gurronsevas wünschte sich von Herzen, der Captain hätte lieber weniger Höflichkeit und statt dessen mehr Rücksicht an den Tag gelegt und ihn den Flug im nicht überfüllten und wesentlich geräumigeren Laderaum der Tennochlan beenden lassen.

In höflichem Schweigen und mit zunehmender Ehrfurcht beobachtete Gurronsevas, wie das gewaltige, komplexe Bauwerk — das Orbit Hospital im galaktischen Sektor zwölf — im Frontbildschirm heranwuchs, bis dieser ganz und gar von den gleißenden, in Reihen angeordneten Anflugbaken und der Flutlichtanlage des Docks ausgefüllt war, die einen atemberaubenden Anblick boten. Auch die Außenluken und Zuschauergalerien der Stationen waren zu sehen, die in allen möglichen — von den verschiedenen Mitarbeitern und Patienten als normal empfundenen — Farben und Lichtstärken leuchteten.

Neben ihm entblößte Captain Mallan kurz die Zähne und stieß einen dieser unübersetzbaren bellenden Laute aus, die bei Terrestriern Belustigung anzeigen. „Genießen Sie die Aussicht solange wie möglich“, riet er Gurronsevas. „Diejenigen, die hier arbeiten, erhalten nur selten Gelegenheit, ihre Welt einmal von außen zu betrachten.“

Die übrigen Offiziere im Cockpit verharrten in der schweigenden Zurückhaltung von Untergebenen, und da es nichts Wichtiges gab, das er hätte sagen wollen, folgte Gurronsevas ihrem Beispiel. Auf einmal verschwand das erleuchtete Hospital vom Schirm und wurde durch das Bild eines blaßgrünen Chloratmers von Illensa ersetzt, dessen Konturen von dem gelben Nebel in seinem Schutzanzug zum Teil verwischt wurden. Der Illensaner saß an einem Kommunikationspult, und in seiner unmodulierten, vom Translator übersetzten Stimme schwang noch etwas von der zischenden, jammernden Klangfarbe der ursprünglichen Sprachlaute mit.

„Hier Anmeldezentrale“, sagte er schnell. „Identifizieren Sie sich bitte. Geben Sie an, ob Sie Patient, Besucher oder Mitarbeiter sind, und teilen Sie Ihre Spezies mit. Falls es sich um eine Notlage handelt, teilen Sie uns bitte zuerst die klinischen Einzelheiten zum Patienten mit und anschließend die physiologischen Klassifikationen der übrigen Schiffsinsassen, damit wir für die geeignete Unterbringung, das passende Lebenserhaltungssystem und die richtige Art Ernährung und Häufigkeit der Mahlzeiten sorgen können.“

„Mahlzeiten“, wiederholte der Captain, wobei er Gurronsevas anblickte und erneut die Zähne entblößte. Er drückte auf die Sprechtaste und sagte forsch: „Kein medizinischer Notfall an Bord. Ich bin Major Mallan und führe das Kommando über das Aufklärungsschiff des Monitorkorps Tennochlan, das sich auf einem Kurierflug von Retlin auf Nidia befindet. Die Besatzung besteht aus vier Mitgliedern, die allesamt Terrestrier sind und zur physiologischen Klassifikation DBDG gehören. Außerdem ist ein Passagier, Gurronsevas, an Bord, ein tralthanischer FGLI, der als neuer Mitarbeiter am Hospital anfängt. Wir alle gehören zu den warmblütigen Sauerstoffatmern, und was mich angeht, so würde ich eine Abwechslung von der eintönigen Schiffsverpflegung auf jeden Fall zu schätzen wissen…“

„Warten Sie“, bat der PVSJ in der Anmeldezentrale, der eindeutig nicht dazu aufgelegt war, Zeit mit Diskussionen über terrestrisches Essen zu vergeuden, dessen Verzehr für einen Illensaner sofort tödlich gewesen wäre. Auf den Frontbildschirm kehrte — allerdings nur für einen kurzen Moment — wieder das Bild des Hospitalgebäudes zurück, das jetzt näher gekommen war und noch beeindruckender als zuvor wirkte.

„Folgen Sie bitte den rot-gelb-roten Leitbaken zu der freien Ankopplungsanlage der Klasse drei neben Schleuse dreiundzwanzig“, wies sie der Illensaner in geschäftigem Tonfall an. „Offziere des Monitorkorps werden Colonel Skempton Meldung machen. Gurronsevas wird bei seiner Ankunft von Lieutenant Timmins erwartet.“

Gurronsevas fragte sich, ob es sich hierbei um eine weitere Gefälligkeit von einem Wesen handelte, das sich möglicherweise für seinen Vorgesetzten hielt, doch irgendwie bezweifelte er das. Auf den Illensaner in der Anmeldezentrale schien sein Name keinen großen Eindruck gemacht zu haben, und trotzdem mußte man selbst in dem giftigen gelben Nebel, der den Heimatplaneten der chloratmenden Illensaner umgab, von ihm gehört haben. Doch der berühmte oder der namhafte oder gar „der große Gurronsevas“, dessen Name und einzigartige Fähigkeiten von den kultivierten Mitgliedern sämtlicher warmblütigen und sauerstoffatmenden Spezies der Föderation bewundert und diskutiert wurden und der mit seinem Besuch auf irgendeinem ihrer Heimatplaneten und seinem Beitrag zur jeweiligen Kultur Anlaß zu planetenweitem Stolz gegeben hätte, war mit keinem Wort erwähnt worden. Lediglich die kurze Bemerkung, Gurronsevas werde bei seiner Ankunft erwartet, war gefallen.

Ein geringeres Wesen als Gurronsevas hätte sich verunsichert oder sogar beleidigt gefühlt.

Das Wesen Timmins entpuppte sich als terrestrischer DBDG, dessen dunkelgrüner Dienstoverall, obwohl in einem sauberen und ordentlich gebügeltem Zustand, derart abgetragen war, daß man das Rangabzeichen fast nicht mehr erkennen konnte. Seine Kopfbehaarung wies die Färbung matten Kupfers auf. Sogleich entblößte der Terrestrier die Zähne und verzog das Gesicht zu jener keineswegs aggressiven Grimasse, die seine Spezies als „Lächeln“ bezeichnete. Zwar verhielt sich Timmins relativ lässig, doch stets einigermaßen respektvoll.

„Willkommen an Bord, Sir!“ begrüßte er Gurronsevas, nachdem sie sich einander vorgestellt hatten. „Genaugenommen ist das Orbit Hospital für einen Planeten zu klein und für ein interstellares Raumschiff zu groß, doch die Puristen bezeichnen es trotzdem gern als Schiff, wenn wir es nicht mit einem noch abfälligeren Begriff belegen. Sobald es Ihnen paßt, hatte ich vor, Ihnen Ihre Unterkunft zu zeigen und die technische Einrichtung und deren Funktionsweise zu erklären. Als Leiter der Wartungsabteilung bin ich unter anderem auch für die Kontrollsysteme der Umweltbedingung in Ihrem Quartier verantwortlich, doch vorher würde Sie Major O’Mara gern in seinem Büro sprechen. Wenn man die Verkehrsdichte auf den Korridoren, die Sie zu durchqueren haben, und eine weitere Verzögerung für das Anlegen eines leichten Schutzanzugs einkalkuliert, bevor Sie die Abkürzung durch die Ebene der chloratmenden PVSJs von Illensa nehmen, dürften Sie etwa zwanzig Minuten brauchen. Auf dem Weg in O’Maras Büro können Sie die üblichen, aber normalerweise unzureichenden Instruktionen erhalten, die jeder Neuankömmling erhält.

Mit Ihrer Erlaubnis, Sir, werde ich Ihnen den Weg zeigen und dabei alles erklären“, fügte er beflissen hinzu.

Als Gurronsevas dem Terrestrier aus der Schleusenvorkammer hinaus durch den Bordtunnel in das eigentliche Hospitalgebäude hinein folgte, entschuldigte sich der Lieutenant im voraus dafür, daß er Gurronsevas womöglich ihm längst bekannte Dinge mitteilen könnte. Laut Timmins Ausführungen stellte das Orbit Hospital das größte, technisch fortschrittlichste und fachlich angesehenste Krankenhaus mit vielfältigen Umweltbedingungen dar, das jemals gebaut worden war. An seinem Bau hatten sich die Zivilisationen vieler Planeten beteiligt. Sie hatten einzelne Bauteile angefertigt und sie fast zwei Jahrzehnte lang zum Montageplatz im galaktischen Sektor zwölf transportiert. Für den Nachschub und die Wartung des Orbit Hospitals war das Monitorkorps verantwortlich, das auch polizeiliche Aufgaben wahrnahm und dem Gesetz der Föderation Geltung verschaffte, das aber beileibe keine militärische Einrichtung war und auch nie sein würde. Auf den dreihundertvierundachtzig Ebenen des Hospitals konnten die Umweltbedingungen sämtlicher der galaktischen Föderation bekannten Lebensformen reproduziert werden; ein physiologisches Spektrum, das bei den unter extremen Kältebedingungen lebenden Methanarten begann und über die eher normalen Sauerstoff- und Chloratmer bis zu den außergewöhnlicheren Lebensformen reichte, die von der direkten Umwandlung harter Strahlung lebten.