„Sehr bequem sogar, danke“, antwortete Gurronsevas. „Aber ich habe eine Frage zur Wasserpumpe für die AUGL-Hauptstation, die vorhin gesprochen hat. Über die Schwierigkeit, den Geschmack von Gerichten für Wasserarmer zu verbessern, habe ich bisher noch gar nicht nachgedacht. Sobald ich einige Kennmisse über die Anlage der Wartungsebenen und das Nahrungsvertriebssystem gesammelt habe, würde ich das Problem gern mit den Chaldern besprechen. Können Sie das für mich arrangieren?“
„Das ist wohl eher eine medizinische Angelegenheit“, antwortete Timmins nach einiger Überlegung. „Es wäre ratsam, wenn Sie Schwester Hredlichli, die die Aufsicht über die AUGL-Station führt, um Erlaubnis bitten und sich bei ihr nach den günstigsten Besuchszeiten erkundigen.“
„Gut, dann werde ich das so machen“, sagte Gurronsevas. „Doch Sie klingen etwas unschlüssig. Kann es sein, daß ich auf Probleme stoßen werde?“
„Oberschwester Hredlichli genießt den zweifelhaften Ruf, nur ein kleines bißchen weniger ungenießbar als O’Mara zu sein“, antwortete der Lieutenant. „Doch bevor ich Ihnen die Haupteinheit des Nahrungssynthesizers unter der Kantine zeige, befestigen Sie jetzt diese Binde für Auszubildende an einem Ihrer Vorderglieder, wo sie leicht zu sehen ist.“
Das war schon das zweite Mal, daß man ihn aufforderte, das erniedrigende Abzeichen eines Auszubildenden zu tragen, empörte sich Gurronsevas im stillen, doch die verärgerte Antwort, die er dem ungeduldigen Chefpsychologen gegeben hatte, wäre bei diesem freundlichen Lieutenant mit den guten Manieren kaum angebracht gewesen. Während er noch nach Gründen suchte, das Tragen der Binde abzulehnen — oder handelte es sich womöglich um Ausreden? — , meldete sich Timmins erneut zu Wort.
„Mir selbst ist ja bekannt, daß Sie kein Auszubildender, sondern ein Fachmann mit beachtlicher langjähriger Berufserfahrung sind, und schon bald werden das auch alle anderen im Hospital wissen. Dennoch sind die Mitarbeiter auf den Wartungsebenen ständig in Eile, und es kommt leicht zu Unfällen. Wie einige von uns fahren, haben Sie ja mit eigenen Augen sehen können, und es gibt noch viele andere Situationen, in denen Sie gefährdet wären. Ist es deshalb nicht ganz einfach vernünftig, diejenigen, die über mehr Erfahrung verfugen, wissen zu lassen, daß Sie keine haben, damit sie sich Ihnen gegenüber nachsichtiger verhalten? Schließlich braucht dieses Hospital sehr viel dringender einen neuen Chefdiätisten als einen weiteren Patienten.“
Für einen langen Augenblick stritt Gurronsevas mit sich selbst, wobei er sich vor sich selbst schämte, weil er nicht mit Sicherheit wußte, ob er seinen Verstand einsetzte oder moralischer Feigheit erlag.
„Na gut, wenn es für mich dabei wirklich ums Überleben geht, dann her mit dem Ding“, willigte er schließlich widerstrebend ein.
5. Kapitel
Gurronsevas war sehr stolz auf sich, und das, so dachte er, mit Recht.
Er hatte sich mit jedem Mitglied seines Personals einzeln zusammengesetzt und — nötigenfalls in aller Ausführlichkeit — unterhalten. Sein erster Assistent, ein Nidianer namens Sarnyagh-Sa, mußte zwar mit Samthandschuhen angefaßt werden, weil er fest damit gerechnet hatte, auf den Posten des sich zur Ruhe setzenden Chefdiätisten vorzurücken. Doch der Nidianer war ein fähiger und verantwortungsbewußter, für neue Ideen noch ein wenig unaufgeschlossener Mitarbeiter, der auf lange Sicht zu den besten Hoffnungen berechtigte. Ohne sich einzuschmeicheln oder die eigene Autorität oder Verantwortung indirekt herunterzuspielen, bat Gurronsevas jeden einzelnen um Hilfe. Seine Absicht war es, für Mitarbeiter aller Personalstufen ansprechbar zu bleiben, vorausgesetzt, ein solches Gespräch stellte keine Zeitverschwendung dar. Zudem hoffte er, in der Nahrungsversorgungsabteilung würde eine angenehme und professionelle Arbeitsatmosphäre herrschen, wobei allerdings das Ausmaß des Angenehmen ganz vom Stand der Professionalität abhängen mußte. Auch wenn es nach Ansicht einiger Mitarbeiter eigenartig war, daß der große Gurronsevas bei den Gesprächen mit ihnen einen Wartungsoverall trug, fiel die allgemeine Reaktion in der Regel gut aus.
Und nach nur fünf Tagen gemeinsam mit Timmins unternommener Erkundungen der Wartungstunnel für die Lebensmittelversorgung und gerade mal dreieinhalbtägigem Unterricht im Fahren von G-Schlitten teilte ihm der Lieutenant mit, daß er sich nicht länger zu Fuß oder in Begleitung durch die Wartungsebenen bewegen müsse. Am sechsten Tag war der Tralthaner unter ausschließlicher Benutzung der Versorgungstunnel mit einem unbeladenen Schlitten in genau vierundzwanzig Einheitsminuten vom Synthesizerkomplex unter Ebene achtzehn zum Raum für zeitweilige Lagerungen auf Ebene einunddreißig gefahren, ohne um eine Bestimmung seines Standorts bitten zu müssen und irgendwen oder was zu rammen — zumindest nicht so hart, daß ein schriftlicher Bericht erforderlich gewesen wäre.
Nach Timmins’ Aussage hatte er seine Sache für einen Anfänger außergewöhnlich gut gemacht, und jetzt bemühte sich Gurronsevas nach Kräften, sich seinen Stolz und seine Freude über das bereits Geleistete nicht von dieser ungehobelten, scharfzüngigen chloratmenden Illensanerin zerstören zu lassen.
„Wenn wir mal einen von Ihnen brauchen, scheint Ihre merkwürdige Spezies von Wartungstechnikern ganz plötzlich ausgestorben zu sein, und wenn wir mit Ihnen nichts anfangen können, dann verstopfen Sie uns die ganze Abteilung“, beklagte sich Oberschwester Hredlichli. „Was wollen Sie eigentlich von mir?“
Da das Cromingan-Shesk nicht für Chloratmer eingerichtet gewesen war, war es das erste Mal, daß Gurronsevas eine Vertreterin der physiologischen Klassifikation PVSJ aus der Nähe sah. Der stachelige, membranartige Körper der Illensanerin ähnelte einer wahllosen Aufschichtung öliger, giftiger Pflanzen, die zum Teil von dem gelben Chlor in ihrem Schutzanzug vernebelt wurden, und Gurronsevas ertappte sich bei dem Wunsch, der Nebel wäre noch dichter gewesen. Hredlichli schwebte im mit Wasser gefüllten Personalraum reglos vor einem Patientenmonitor. Zwar war Gurronsevas nicht in der Lage, ihre Augen in der wirren, blattähnlichen Struktur des Gesichts ausfindig zu machen, doch vermutlich blickte die Oberschwester ihn an.
„Ich bin Chefdiätist Gurronsevas, Oberschwester, und kein Wartungstechniker“, klärte er Hredlichli auf, wobei er sich sehr bemühte, höflich zu bleiben. „Mit Ihrer Hilfe würde ich gern einen oder mehrere der Patienten zum Stationsessen befragen, weil ich vorhabe, es zu verbessern. Könnten Sie mir den Namen von einem Patienten nennen, mit dem ich mich unterhalten kann, ohne dessen medizinische Behandlung zu stören?“
„Ich kann Ihnen keinen Namen nennen, weil unsere Patienten sie uns nicht verraten“, antwortete Hredlichli. „Auf Chalderescol II ist ein Eigenname nur den engen Familienangehörigen des Betreffenden bekannt und wird ansonsten nur noch dem zukünftigen Lebensgefährten verraten. Die AUGLs auf dieser Station sind nach den Nummern ihrer jeweiligen medizinischen Akte benannt. AUGL-Eins-Dreizehn ist auf dem Weg der Besserung und wird höchstwahrscheinlich nicht von einem Haufen dummer Fragen ernsthaft belastet werden, deshalb dürfen Sie mit ihm sprechen. Schwester Towan!“