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Aus dem Kommunikator meldete sich eine Stimme, die durch das dazwischen liegende flüssige Medium leicht verzerrt war: „Ja, Oberschwester?“

„Wenn Sie bei Eins-Zweiundzwanzig mit dem Kleiderwechseln fertig sind, dann bitten Sie Eins-Dreizehn, zum Personalraum zu kommen“, sagte Hredlichli. „Er hat Besuch.“ An Gurronsevas gewandt fuhr sie fort: „Falls Sie es nicht wissen sollten: ein Chalder würde hier nicht hineinpassen, ohne den ganzen Raum zu demolieren. Warten Sie draußen.“

Wahrscheinlich war die Station kleiner, als sie aussah, dachte Gurronsevas, während er auf AUGL-Eins-Dreizehn wartete, doch Größe und Entfernung waren in dieser dämmrigen, grünen Welt schwer abzuschätzen, in der der optische Unterschied zwischen den schattenhaften Bewohnern, den medizinischen Geräten und den zur Dekoration bestimmten Pflanzen, durch die sich diese Wesen wie zu Hause fühlen sollten, nur mit Mühe zu bestimmen war. Wie ihm Timmins erzählt hatte, sei ein Teil der Pflanzen keineswegs künstlich, sondern echt. Dabei handelte es sich um eine lebende Pflanzenart, die eine aromatische Substanz freisetzte, die sich im Wasser ausbreitete und von den Patienten als angenehm empfunden wurde. Die Verantwortung, für die anhaltende Gesundheit der Pflanzen zu sorgen, trage allein die Wartungsabteilung, hatte ihm Timmins weiterhin berichtet, die sich aufopferungsvoll darum kümmere, und sei es auf Kosten der Gesundheit der Patienten; wann der Lieutenant etwas ernst meinte, war manchmal schwierig zu sagen. Darüber hinaus hatte er Gurronsevas mitgeteilt, die Bewohner der Wasserwelt von Chalderescol II seien leicht peinlich berührt und wahrscheinlich die optisch furchteinflößendsten Wesen, denen der Tralthaner im Orbit Hospital jemals begegnen würde.

Das glaube ich sofort, dachte Gurronsevas entsetzt, während er die riesige, torpedoförmige Gestalt mit Tentakeln beobachtete, die lautlos auf ihn zuschnellte.

Das Wesen sah wie ein gewaltiger, gepanzerter Fisch mit einem kräftigen, messerscharfen Schwanz aus, der eine scheinbar planlose Anordnung von kurzen Flossen und einen breiten Ring von Tentakeln besaß, die aus den wenigen sichtbaren Öffnungen seines organischen Panzers hervorragten. Beim Vorwärtsschwimmen lagen die Tentakel flach an den Körperseiten an, aber sie waren so lang, daß sie über die dicke, stumpfe Keilform des Kopfes hinausreichten. Ein kleines, lidloses Auge beobachtete Gurronsevas, während das Wesen näher herankam und ihn in immer engeren Kreisen zu umschwimmen begann. Plötzlich teilte sich der Kopf und entblößte ein riesiges, rosafarbenes Loch von einem Maul mit den größten, weißesten und schärfsten Zähnen, die Gurronsevas jemals gesehen hatte.

„Sind, sind Sie der Besucher?“ fragte der AUGL schüchtern.

Gurronsevas zögerte und fragte sich, ob er sich vorstellen sollte oder nicht. Wenn er den eigenen Namen nannte, konnte sich das Mitglied einer Zivilisation, die Namen nur in der Familie oder unter Geliebten aussprach, peinlich berührt fühlen. Hätte er doch bloß daran gedacht, sich vorher bei der Oberschwester danach zu erkundigen.

„Ja“, antwortete er schließlich. „Falls Sie gerade nichts Wichtigeres zu tun haben und damit einverstanden sind, würde ich mich mit Ihnen gerne über chalderisches Essen unterhalten.“

„Mit Vergnügen“, willigte AUGL-Eins-Dreizehn sofort ein. „Das ist ein interessantes Thema, das auf unserem Heimatplaneten immer wieder zu heftigen Diskussionen, selten aber zu Gewalttätigkeiten Anlaß gibt.“

„Über chalderisches Essen hier im Hospital“, präzisierte Gurronsevas.

„Ojemine.!“

Um den schweren Vorwurf zu erahnen, der in diesem einzigen Wort mitschwang, brauchte Gurronsevas kein cinrusskischer Empath zu sein.

„Ich habe vor — genaugenommen betrachte ich es sogar als eine persönliche und berufliche Herausforderung—, die Qualität, den Geschmack und die Zubereitungsarten der synthetischen Nahrung zu verbessern, mit der die vielen verschiedenen Lebensformen im Hospital versorgt werden“, fuhr er schnell fort. „Bevor jedoch irgendeine Verbesserung möglich ist, muß ich wissen, in welcher Beziehung oder in welchen Beziehungen die gegenwärtigen Speisen, die mir wenig mehr als fast geschmacklose Brennstoffe für den Organismus zu sein scheinen, hinter dem Ideal zurückbleiben. Ich habe gerade mit der Arbeit begonnen, und Sie sind der erste Patient, der befragt werden soll.“

Das höhlenartige Maul klappte langsam zu und öffnete sich dann wieder. „Das ist ja ein ehrenhaftes Ziel, das Sie sich da gesteckt haben, doch zweifellos unerreichbar, oder?“ meinte der Patient. „Ich muß an Ihre Formulierung geschmackloser Brennstoff für den Organismus“ denken. Für einen Gastgeber auf Chalderescol wäre das die größte Beleidigung seiner Kochkunst, denn wir nehmen unsere Ernährung sehr ernst und essen häufig übermäßig viel. Was wollen Sie von mir wissen?“

„Praktisch alles“, antwortete Gurronsevas dankbar. „Über chalderisches Essen weiß ich nicht das Geringste. Welche genießbaren Tier- und Pflanzenarten gibt es auf Chalderescol? Wie werden sie zubereitet, angerichtet und serviert? Auf den meisten Planeten regen die verschiedenen Zubereitungsarten einer Mahlzeit die Geschmacksrezeptoren an und tragen viel zu ihrem Genuß bei. Ist das auf Chalderescol auch so? Welche Gewürze, Soßen oder sonstige verfeinernde Zutaten werden verwendet? Außerdem ist mir die Vorstellung einer Küche, die nur aus kalten Gerichten besteht, völlig neu.“

„Da wir Wasseratmer sind, die im Meer leben, haben wir das Feuer erst sehr spät entdeckt“, unterbrach ihn Eins-Dreizehn freundlich.

„Natürlich! Bin ich dumm, daß ich daran.“, begann Gurronsevas, als das Gespräch von Hredlichlis Stimme unterbrochen wurde.

„Mich darüber zu äußern, ob Sie dumm sind oder nicht, steht mir nicht zu, zumindest nicht vor anderen Leuten“, rief ihm eine Stimme vom Eingang des Personalraums zu. „Aber es ist jetzt Zeit fürs Mittagessen, und die Patienten haben Hunger. Außerdem sind alle bis auf denjenigen, mit dem Sie sich gerade unterhalten, auf besondere Diät gesetzt und brauchen beim Essen die Hilfe der Schwestern. Also machen Sie sich nützlich, holen Sie die Ration von Eins-Dreizehn, und lassen Sie den armen Kerl essen, während Sie mit ihm sprechen.“

Mit dem Gedanken, wie komisch es war, daß ihm die unliebenswürdige Oberschwester genau das auftrug, was er sich sowieso zu tun gewünscht hatte, folgte Gurronsevas Hredlichli in den Personalraum. Doch bevor er den Gedanken bis zu dem unglaublichen Schluß verfolgen konnte, daß Hredlichli möglicherweise gar nicht so unliebenswürdig war, wie sie schien, begann die Rinne der Essensausgabe große, grau und braun gesprenkelte Bälle in ein wartendes Tragenetz auszuspucken. Als das Netz voll war, zog Gurronsevas es aus dem Personalraum hinaus und steuerte damit auf Eins-Dreizehn zu.

„Halten Sie einen Sicherheitsabstand, und werfen Sie Eins-Dreizehn jeweils immer nur einen Ball zu!“ rief ihm Hredlichli hinterher. „Schließlich wollen Sie ja nicht Teil der Mahlzeit werden, oder?“

Zwei kelgianische Schwestern, deren Fell sich unter den transparenten Schutzanzügen in schwach beleuchteten silbernen Wellen kräuselte, und eine wasseratmende creppelianische Oktopodin, die keinen Schutz benötigte, kamen auf ihrem Weg in den Personalraum an Gurronsevas vorbei.

„Was sind das für Dinger? Eier?“ fragte Gurronsevas, während er die Bälle einen nach dem anderen auf das geöffnete, wartende Maul des Patienten zuwarf. Eins-Dreizehns Kiefer schlössen sich viel zu schnell, als daß Gurronsevas hätte sehen können, ob es sich um eine weiche Substanz mit einer festen, ungleichmäßigen Schale handelte, oder ob sie ganz und gar hart war. Doch seine Neugier wurde erst gestillt, nachdem der letzte der Bälle zwischen den gewaltigen Kiefern verschwunden war und der Patient sein Maul wieder zum Sprechen frei hatte.

„Bekommen Sie genug zu essen?“ fragte Gurronsevas. „Im Verhältnis zu Ihrer Körpergröße scheinen mir die Portionen, na ja, recht dürftig zu sein.“