Der Fehler wird in diesem Moment bereinigt, und innerhalb der nächsten zwei Stunden wird die Nahrungsversorgung der DBDGs wieder reibungslos funktionieren“, fügte Gurronsevas hinzu. „Die Symptome werden rasch abklingen, und dem historischen Hinweis in der Datenbank zufolge werden alle Betroffenen, die keine gewohnheitsmäßigen Konsumenten sind — und das trifft ja auf Ihre Patienten zu—, schon in wenigen Tagen vollkommen genesen sein. Ich bin mir sicher, der Notfall ist vorüber.“
Für einen Augenblick war von Diagnostiker Conway kein anderer Laut als ein langes, langsames Ausatmen zu hören. Die im Schädel eingebetteten Augen des Terrestriers drehten sich in ihren Höhlen, um an Gurronsevas vorbei einen Blick auf Lioren und das Unfalldeck dahinter zu werfen; dann lächelte er und antwortete: „Sie haben also doch recht gehabt, Padre Lioren, und wir haben uns wegen einer weitverbreiteten, aber im Grunde simplen Verdauungsstörung unnötig geängstigt. Und Sie, Gurronsevas, haben unsere Probleme innerhalb weniger Minuten behoben, ohne überhaupt im Hospital gewesen zu sein. Das war ausgezeichnete Arbeit, Herr Chefdiätist. Aber haben Sie einen Vorschlag, was wir mit dem verantwortlichen Lebensmitteltechniker machen sollen?“
„Nichts“, meinte Gurronsevas. „Für das berufliche Verhalten meiner Untergebenen habe ich schon immer die Verantwortung übernommen, und dazu gehören auch deren Fehler. Sarnyagh wird nach meiner Rückkehr ins Hospital bestraft — falls ich überhaupt jemals zurückkehren sollte.“
Hinter ihm stieß Lioren einen leisen unübersetzbaren Laut aus. Conway nickte und sagte: „Ich verstehe. Doch Ihre Rückkehr wird noch einige Zeit auf sich warten lassen. Jetzt, wo der Schrecken der Epidemie gebannt ist, wird die Rhabwar innerhalb der nächsten Stunde starten.“
17. Kapitel
Nach Liorens langem Abschiedsgruß und seinen noch längeren Ermahnungen, nicht zu viel Unternehmungsgeist an den Tag zu legen und sich Freunde zu machen, hatte Gurronsevas über so vieles nachzudenken, daß ihm erst wenige Minuten vergangen zu sein schienen, als er in seinen Überlegungen erneut wie erwartet unterbrochen wurde. Er vernahm das Geräusch von Schritten, die darauf hindeuteten, daß mehrere Lebewesen durch die Besatzungsschleuse an Bord gingen, und auch die Schritte von jemandem, der durch den Hauptverbindungsschacht nach hinten zum Maschinenraum stieg. Gleichzeitig wurde das andere Ende des Bordtunnels von einer weiteren Gruppe betreten, die sich rasch näherte. Nach dem Wirrwarr aus Sprachlauten fremder Spezies zu urteilen, das aus dem Tunnel herüberdrang, schätzte Gurronsevas, daß es sich um vier verschiedene Stimmen handelte, die allerdings zu leise sprachen, als daß sein Translator sie hätte trennen und übersetzen können. Schnell dämpfte er das Licht, schob den Wandschirm vors Bett und versteckte sich dahinter. Als die Neuankömmlinge das Unfalldeck betraten, wurde die Beleuchtung auf volle Helligkeit geschaltet. Die Stimmen verstummten, und das laute unverkennbare Zischen und dumpfe Krachen der sich schließenden Luftschleuse war zu hören.
Die sich hinziehende Stille wurde schließlich von einer Stimme unterbrochen, die sich leise der musikalischen Schnalze und gerollten Laute ihrer cinrusskischen Muttersprache bediente, so daß Gurronsevas gar keine Übersetzung gebraucht hätte, um den Sprecher zu erkennen.
„Ich nehme an, Sie befinden sich ganz in der Nähe, Freund Gurronsevas“, sagte Prilicla. „Im Moment steht das Unfalldeck nicht in Hör- und Sichtkontakt mit dem Kontrollraum, und das wird sich bis zum Eintritt in den Hyperraum auch nicht ändern. Sie befinden sich unter Freunden, Gurronsevas, also schieben Sie bitte den Wandschirm beiseite, und zeigen Sie sich.“
Als sich Gurronsevas und die vier Neuankömmlinge gegenseitig musterten, herrschte für kurze Zeit Schweigen. Dann rief das kelgianische Mitglied des medizinischen Teams: „Gurronsevas! Sind Sie etwa der Gurronsevas? Ich dachte, Sie hätten das Hospital verlassen!“
Murchison lachte leise und antwortete für den Tralthaner: „Sie haben recht, Oberschwester, das hat er ja auch.“
„Guten Tag auch, Freund Gurronsevas“, sagte Prilicla, während er sich anmutig in die Luft erhob, um schließlich über dem Kopf des Tralthaners zu schweben. „Pathologin Murchison und mich kennen Sie ja schon, und wir beide sind von Ihrer Anwesenheit nicht überrascht worden, weil uns O’Mara bereits über Ihre Anwesenheit an Bord und auch über den Grund dafür aufgeklärt hat. Doch Doktor Danalta und Oberschwester Naydrad hatten — wie Sie bei der Kelgianerin am aufgeregten Zustand des Fells erkennen können — nicht mit Ihnen gerechnet und haben Sie bisher vielleicht nur von weitem gesehen. Da es in einem Schiff von dieser Größe jedoch keine Entfernungen gibt, werden wir keine andere Wahl haben, als sehr enge Bekannte und, wie ich glaube, Freunde zu werden.“
Ein großer Haufen aus einer mattgrünen, runzligen gallertartigen Masse näherte sich schwabbelnd Gurronsevas, stülpte ein Auge, ein Ohr und einen Mund aus und sagte: „Wir sind uns zwar schon mehrmals begegnet, doch als ein Wesen, das verschiedene Gestalten annehmen kann und das von seinen Kollegen gern als Verwandlungskünstler bezeichnet wird, habe ich zu dem jeweiligen Zeitpunkt persönliche oder medizinische Gründe gehabt, anders als jetzt auszusehen. Mich wundert nur, daß Sie überhaupt nicht überrascht sind und auch keine Abneigung zeigen, die sich bei vielen äußert, die mir zum ersten Mal begegnen. Ich bin sehr erfreut, Ihre nähere Bekanntschaft zu machen.“
„Ganz meinerseits, Doktor Danalta“, antwortete Gurronsevas. „Mit Ihrem Namen und Ihrer Arbeit bin ich bereits vertraut, weil ich mir die Logbuchaufzeichnungen über die letzten Einsätze und auch über die Rolle, die Sie bei vielen davon gespielt haben, angesehen habe, um mir. na ja, um mir die Wartezeit ein wenig zu verkürzen. Auch wenn ich die medizinischen Einzelheiten nicht begriffen habe, war es doch ein faszinierendes Erlebnis für mich. Zum Schluß hatte ich gar keine Lust mehr, mir die Zeit mit etwas anderem zu vertreiben.“
Prilicla ließ sich langsam auf dem Boden nieder. Sein unglaublich zerbrechlich wirkender, schillernder Körper zitterte, doch dabei handelte es sich um das langsame, leichte Vibrieren, das eine angenehme emotionale Ausstrahlung in seiner Umgebung verriet. „Freund Gurronsevas ist zwar zu höflich, um das zu erwähnen, aber er ist ausgesprochen neugierig“, stellte der Empath fest. „Da es sich bei Murchison, Naydrad und mir um ziemlich normale Lebensformen handelt, nehme ich an, daß sich die Neugier auf Sie bezieht, Freund Danalta. Würde es Ihnen etwas ausmachen, diesen Wissensdurst zu stillen?“
„Natürlich würde ihm das was ausmachen“, warf Naydrad ein, wobei sich ihr Fell verächtlich kräuselte. „Unserem medizinischen Supermann hier gefällt doch nichts mehr, als Fremde zu beeindrucken.“
Wie Gurronsevas sah, war es Danalta außerdem gewohnt, mit der Unhöflichkeit der Kelgianerin mit Leichtigkeit fertig zu werden, denn er stülpte rasch einen kelgianischen Arm mit drei Fingern aus und machte damit eine Geste, die Naydrads Fell noch mehr in Wallung brachte. „Das wäre mir sogar ein Vergnügen“, willigte er erfreut ein. „Aber was interessiert Sie denn besonders an mir, Gurronsevas?“
Während man das Gespräch fortsetzte, war durch die Sichtfenster ringsum zu sehen, wie sich die Rhabwar durch das weit in den Raum ausgreifende Labyrinth der Außenkonstruktion des Hospitals und zwischen den Flugstreckenmarkierungen hindurchschob. Sobald sich das Schiff im freien Raum befand, würde man, wie Gurronsevas erfahren hatte, Schub geben und sich bis zur vorgeschriebenen Sprungdistanz entfernen, von wo aus die Rhabwar beim Eintritt in ein von ihr selbst erschaffenes künstliches Universum die empfindlicheren Ausrüstungsgegenstände des Hospitals nicht mehr in Mitleidenschaft ziehen könnte. Doch die Zeit bis dahin ging sehr schnell und auf äußerst angenehme Weise vorüber, denn Danalta sprach gern von sich selbst und verstand es, das Thema interessant zu gestalten, was für Leute seines Schlags relativ ungewöhnlich war.