Machen Sie sich, bevor Sie irgend etwas tun oder planen, mit dem Hospital vertraut“, setzte O’Mara seine Ratschläge fort. „Nehmen Sie sich alle Zeit, die Sie brauchen, um sich einzugewöhnen, solange es sich in Grenzen hält. Lassen Sie sämtliche Änderungen, die sie möglicherweise an der Krankenkost vornehmen wollen, vorher von dem leitenden Diagnostiker der entsprechenden Abteilung auf mögliche schädliche medizinische Auswirkungen hin überprüfen. Sollten sich bei Ihnen selbst irgendwelche psychologischen Schwierigkeiten einstellen, werde ich natürlich versuchen, Ihnen zu helfen, vorausgesetzt, Sie können mich davon überzeugen, daß Sie nicht imstande sind, diese Probleme allein zu lösen. Falls Sie in der Eingewöhnungsphase sonstige Schwierigkeiten oder Fragen haben, dann bitten Sie Lieutenant Timmins um Hilfe. Falls Sie es nicht schon bemerkt haben, werden Sie spätestens dann feststellen, daß er ein freundlicher und hilfsbereiter Mitarbeiter ist und zu den wenigen Leuten in diesem Krankenhaus zählt, die — ganz im Gegensatz zu mir — in der Lage sind, Dummköpfe um sich herum zu ertragen.
Wenn ich mal mehr Zeit habe, werden wir die langweiligen verwaltungstechnischen Einzelheiten besprechen“, fuhr der Chefpsychologe fort. „Ihr Gehalt, der Anspruch auf bezahlten Urlaub, die ermäßigten Beförderungskosten zu Ihrem Heimatplaneten oder ausgewählten Ferienort und die kostenlose Bereitstellung von Schutzkleidung und Ausrüstungsgegenständen. Ob nun mit oder ohne Schutzkleidung, Sie sollten auf jeden Fall die Arm- oder Beinbinde eines Auszubildenden tragen, damit Sie.“
„Genug!“ schnitt ihm Gurronsevas mit lauter Stimme das Wort ab, wobei er sich gar nicht erst bemühte, seine Empörung zu verbergen. „Ich verlange kein Gehalt. Durch die Ausübung meiner einzigartigen Begabungen habe ich bereits mehr Reichtum angehäuft, als ich im Laufe meines restlichen Lebens auszugeben hoffen kann, egal, wie verschwenderisch ich noch werden sollte. Und ich erinnere Sie nochmals daran, daß ich ein in der ganzen Föderation berühmter Spezialist bin und kein Auszubildender. Darum werde ich auch nicht das Abzeichen eines Auszubildenden tragen oder.“
„Ganz wie Sie wollen“, unterbrach ihn O’Mara gelassen. „Gibt es sonst noch etwas, das Sie mir sagen möchten? Nein? Dann werden Sie, wie ich annehme, noch etliche andere Dinge zu erledigen haben, deren Vorteil darin besteht, daß sie keine solche Verschwendung Ihrer und meiner Zeit darstellen.“
Demonstrativ warf der Chefpsychologe einen flüchtigen Blick auf seine Armbanduhr und tippte dann kurz auf ein Gerät, das auf dem Schreibtisch stand. Als der Kommunikator aufleuchtete, sagte er leise: „Braithwaite, lassen Sie jetzt bitte Chefarzt Cresk-Sar hereinkommen.“
Kochend vor Wut kehrte Gurronsevas ins Vorzimmer zurück und unternahm dabei keinen Versuch, die Füße leise auf den Boden zu setzen. Der nidianische Chefarzt, der darauf wartete, mit O’Mara zu sprechen, wich ihm eiligst aus, während die Blicke der Mitarbeiter unerschütterlich auf die Arbeitsbildschirme gerichtet blieben, obwohl die kleineren Geräte, die auf den Schreibtischen standen, bei jedem geräuschvollen Tritt des Tralthaners bebten. Erst als Gurronsevas den wartenden Timmins erreicht hatte, blieb er stehen.
„O’Mara ist jemand, der einen wirklich rasend machen kann“, grummelte er verärgert. „Als Heiler von Geist und Seele leidet er an einem geradezu erschreckenden Mangel an Mitgefühl oder Sensibilität, und auch wenn ich nicht in seinem Beruf arbeite, würde ich sagen, daß er mehr psychischen Kummer bereitet als heilt.“
Timmins schüttelte bedächtig den Kopf „Da liegen Sie völlig falsch, Sir“, widersprach er. „Der Major weist immer wieder sehr gerne darauf hin, seine Arbeit hier bestehe darin, die Leute auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen, und nicht, sie abheben zu lassen. Falls Sie die Bedeutung dieser typisch terrestrischen Redewendung nicht verstehen, werde ich Sie Ihnen später erklären. O’Mara ist ein sehr guter Psychologe, der beste, den sich ein psychisch angespanntes oder traumatisiertes Lebewesen überhaupt nur wünschen kann, aber gegenüber Freunden und Kollegen, bei denen für ihn von Berufs wegen kein Grund zur Besorgnis besteht, gibt er gerne das Bild eines durch und durch gehässigen und sarkastischen Charakters ab. Sollte er Ihnen jemals Mitgefühl oder Anteilnahme entgegenbringen und Sie nicht wie einen Kollegen, sondern wie einen Patienten behandeln, dann erst stecken Sie in echten Schwierigkeiten.“
„Ich. ich bin mir nicht sicher, ob ich Sie richtig verstehe“, stammelte Gurronsevas.
„Im Grunde haben Sie sogar lobenswerte Zurückhaltung bewiesen, Sir“, fuhr der Lieutenant mit einem erneuten Lächeln fort. „Eigentlich sollte O’Maras Büro nämlich schalldicht sein; jedenfalls haben wir Sie nur einmal laut werden hören. Außerdem versuchen viele andere, beim Hinausgehen die Tür hinter sich zuzuschlagen.“
„Das ist doch eine Schiebetür, Lieutenant“, wandte Gurronsevas ein.
„Na, sehen Sie? Um so dümmer von denen“, meinte Timmins schmunzelnd.
3. Kapitel
Das Zimmer war zwar viel kleiner als Gurronsevas’ vorherige Unterkunft in Retlin, gaukelte einem jedoch durch ein schönes und fast dreidimensional wirkendes Bild einer tralthanischen Gebirgslandschaft, das eine ganze Wand einnahm, Geräumigkeit vor. Dagegen waren die Farben, in denen man die übrigen Wände und die Decke gestrichen hatte, mit denen in Gurronsevas’ altem Quartier identisch. Unter der Wand mit dem Bild war in den Boden eine kleine, aber ausreichende Vertiefung zum Eintauchen des Körpers eingelassen, die auf der einen Seite terrassenförmige Stufen zum bequemen Einsteigen aufwies. Außerdem war ein Gerät zur Schwerkraftregulierung vorhanden, so daß Gurronsevas die Gravitationsstärke im Raum zur körperlichen Bewegung oder Entspannung erhöhen konnte, da die im Hospital herrschende normale Anziehungskraft nur wenig mehr als halb so groß wie auf Traltha war. In einer Ecke des Zimmers stand ein Pult mit Kommunikator und einem großen Bildschirm, und die zwei Behälter, ein großer und ein kleiner, die Gurronsevas auf der Tennochlan begleitet hatten, erwarteten ihn bereits im Eingang.
„Damit hatte ich nicht gerechnet, Lieutenant Timmins“, meinte Gurronsevas anerkennend. „Das ist sehr erfreulich. Vielen Dank für die Mühe, die Sie auf sich genommen haben, um das alles so hinzukriegen.“
Timmins lächelte und machte mit der rechten Hand eine wegwerfende Geste. Dann deutete er mit ihr auf das Kommunikationspult.
„Die Geräte funktionieren nach dem üblichen Prinzip“, erklärte er. „Es stehen Ihnen jede Menge medizinische Schulungs- und Informationskanäle zur Verfügung, zu denen auch einer gehört, der Ihnen den detaillierten Grundriß des Hospitals bietet, was Sie noch als sehr hilfreich empfinden werden, und — falls nötig — eine Vorrichtung zum beliebigen Abruf für Studienzwecke aufweist. Um das zu verstehen, was in den Programmen gesagt wird, werden Sie Ihren Mehrkanaltranslator benutzen müssen, der dort auf dem Pult liegt. Bedauerlicherweise sind die Unterhaltungskanäle nicht auf dem neuesten Stand — selbst das terrestrische Material ist alt und nicht besonders gut, und die Mitarbeiter anderer Spezies haben ähnliche Klagen. Im Hospital geht das — von O’Mara nie offiziell dementierte — Gerücht um, der Ausbildungsleiter, Chefarzt Cresk-Sar, habe absichtlich dafür gesorgt, um einen Anreiz für mehr Studien in der Freizeit zu schaffen.“
„Ich verstehe. Dafür habe ich vollstes Verständnis“, sagte Gurronsevas.
Wieder lächelte Timmins. „Ihre Unterkunft hat hier und hier verborgene Stauräume und ist für alle Bilder oder Wandbehänge, die Sie anbringen möchten, mit versenkten Befestigungspunkten ausgestattet, die so funktionieren. Hätten Sie gerne Hilfe beim Auspacken und Ordnen Ihrer persönlichen Gegenstände?“
„Nein danke. Da ich nur sehr wenig besitze, wird das nicht erforderlich sein“, antwortete Gurronsevas und deutete auf die Behälter. „Aber den größeren Behälter würde ich gerne so schnell wie möglich bei mäßiger Kühlung lagern lassen, und zwar an einem Platz, wo er mir rasch zugänglich ist. Den Inhalt brauche ich für meine Arbeit.“