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„Meine Freundin“, unterbrach Prilicla die Wemarerin, „es gibt nichts, wofür Sie sich revanchieren müßten. Doch wenn es für Ihre Spezies wichtig ist, daß niemand dem anderen etwas schuldig bleibt, dann kann ich Sie beruhigen. Sie haben uns erlaubt, unsere medizinische Neugier gegenüber den Wemarern zu befriedigen, und Ihre Schuld damit doppelt und dreifach zurückgezahlt. Was Ihre steif gewordenen Gelenke betrifft, die Schmerzsymptome können leicht gemindert werden, auch wenn eine Behandlung, die Ihnen wieder eine uneingeschränkte Bewegung ermöglicht, vielleicht schwieriger sein dürfte, weil das Leiden in Ihrem Fall bereits weit fortgeschritten ist. Möglicherweise müßten wir die beschädigten Gelenke vollständig entfernen und Prothesen aus Metall oder gehärtetem Kunststoff einpassen.“

„Niemals!“

Das einzelne Wort klang derart zornig, daß es von einer starken emotionalen Ausstrahlung begleitet gewesen sein mußte, und Gurronsevas war heilfroh, Priliclas Reaktion nicht gesehen zu haben. Er war inzwischen weiter den Stollen entlanggegangen und nur noch wenige Schritte vom Kücheneingang entfernt, als der Empath die Sprache wiederfand.

„Es gibt nichts, wovor Sie Angst haben müßten, meine Freundin“, sagte er. „Künstliche Gelenke werden ganz routinemäßig hergestellt, auf einigen Planeten täglich zu Tausenden, und in der Mehrzahl der Fälle ist der Ersatz leistungsfähiger als das Original. Schmerzen treten nicht auf. Während die Operation durchgeführt wird, ist der Patient bewußtlos und.“

„Nein“, lehnte Tawsar erneut ab, dieses Mal allerdings weniger heftig. „So etwas dürfen Sie mit mir nicht machen. Dadurch würde mein Körper zum Teil ungenießbar.“

Gurronsevas ging langsam in eine kleine Kammer, bei der es sich offenbar um einen Abstellraum neben der eigentlichen Küche handelte, die hinter einer doppelten, nur für Blicke, nicht aber für Gerüche undurchdringlichen Schwingtür lag. Er konnte lange Bänke sehen, auf denen Tabletts aufgestapelt waren, ordentlich in Fächer einsortierte Eßgeräte und Regale, in denen Kochtöpfe, unterschiedlich große Schüsseln und Tassen standen, von denen die meisten gesprungen waren oder die Henkel eingebüßt hatten. Als ihm allmählich die Bedeutung dessen dämmerte, was Tawsar gerade gesagt hatte, blieb er ruckartig stehen.

Wie das medizinische Team und der das Gespräch verfolgende Fletcher auf der Rhabwar reagierten, konnte er sich nur ausmalen — sie mußten wie Gurronsevas selbst vor Entsetzen sprachlos sein. Es war die Pathologin, die ihre Stimme zuerst wiederfand.

„W. w. wir, das heißt, alle intelligenten Spezies, die wir kennen, begraben oder verbrennen ihre Toten oder beseitigen sie auf andere Weise, aber niemand verwendet sie als Nahrungsmittel.“

„Es ist sehr dumm von Ihnen, eine wichtige natürliche Nahrungsquelle so zu vergeuden“, entgegnete Tawsar. „Auf Wemar können wir uns solch eine kriminelle Verschwendung nicht leisten. Wenn das Leben und die Taten unserer Toten dazu berechtigen, ehren wir sie und behalten sie in guter Erinnerung, doch selbst so hat die Vergangenheit von jemandem nur wenig Einfluß auf seinen Geschmack, vorausgesetzt, er bleibt gesund. Selbstverständlich würden wir niemanden essen, der an einer Krankheit gestorben ist oder schon zu lange tot ist oder dessen Körper schädliche Substanzen wie Metalloder Kunststoffgelenke enthalten hat. Wenn wir uns sicher sind, daß uns das Fleisch nicht schadet, essen wir alles. Wegen meines hohen Alters werde ich selbst wahrscheinlich zäh und sehnig, aber trotzdem nahrhaft sein.

Die schmackhaftesten Stücke stammen von den jungen oder gerade herangereiften Erwachsenen, die durch einen Unfall oder auf der Jagd ums Leben gekommen sind.“

Plötzlich flog die doppelte Schwingtür zur Hauptküche auf und zeigte die Gestalt eines in Dampf gehüllten Wemarers sowie zwei weitere DHCGs, die in einiger Entfernung dahinter arbeiteten. Alle drei trugen locker umgebundene Schürzen aus einem Stoff, der schon zu oft gewaschen war, um noch die ursprüngliche Farbe aufzuweisen. Der Wemarer in der Schwingtür sprach Gurronsevas zuerst an. „Offensichtlich sind Sie einer der Fremdweltler“, sagte er höflich. „Ich heiße Remrath. Treten Sie bitte ein.“

Für einen Moment kam es Gurronsevas vor, als wären seine sechs massiven Beine an den Steinboden angewachsen, denn er erinnerte sich wieder daran, was Tawsar vorhin gesagt hatte.

Der Chefkoch würde sich freuen, Sie kennenzulernen, Gurronsevas.

22. Kapitel

„Ich habe Ihr Gespräch verfolgt, Doktor“, sagte Fletcher auf der Schiffsfreqüenz, „und mir gefällt gar nicht, was ich da hören muß. Gerade sind etwa siebzig junge Wemarer und vier Lehrerinnen in Sicht gekommen, die auf den Mineneingang zugehen. Bei der momentanen Marschgeschwindigkeit dürften die in frühestens vierzig Minuten dort ankommen. Die anderen Arbeitsgruppen haben die Werkzeuge beiseite gelegt und sind auf dem Weg, um sich der ersten Gruppe anzuschließen, wahrscheinlich um zu Mittag zu essen. Und nach dem, was ich gerade gehört habe, besteht das Mittagessen wahrscheinlich aus Ihnen und Ihrem Team. Ich rate Ihnen dringend, den Kontakt abzubrechen und sofort zum S chiff zurückzukehren.“

„Einen Moment, Captain“, sagte Prilicla. „Freundin Murchison, wie lange brauchen Sie, um die Untersuchung zu beenden?“

„Nicht mehr als fünfzehn Minuten“, antwortete die Pathologin. „Die Patientin ist sehr kooperativ, und ich habe keine Lust, gerade jetzt.“

„Und ich bin ganz Ihrer Meinung“, fiel ihr der Empath ins Wort. „Captain, wir werden die Untersuchung beenden, uns hier höflich verabschieden und dann Ihren Rat befolgen. Die Entdeckung, daß es sich bei den Wemarern um Kannibalen handelt, ist höchst beunruhigend. Aber machen Sie sich bitte keine Sorgen, ich kann weder bei Tawsar noch bei irgendeinem der anderen Wemarer, die sich innerhalb der Reichweite meiner emotionalen Fähigkeiten befinden, feindselige Gefühle entdecken. Im Grunde trifft sogar das Gegenteil zu, denn ich spüre, daß Tawsar anfängt, uns zu mögen.“

„Doktor“, sagte der Captain, „wenn ich großen Hunger habe, wie es bei diesen Wesen permanent der Fall ist, dann denke ich sehr gern an meine Mahlzeit. Doch ich hege ihr gegenüber keine feindseligen Gefühle.“

„Mein Freund“, begann Prilicla, „manchmal neigen Sie dazu, alles zu vereinfachen.“

Auch wenn Gurronsevas in der Lage war, gleichzeitig in vier verschiedene Richtungen zu blicken, mußte er in diesem Moment auf den Translatorkanal umschalten, weil er nur ein Gespräch zur Zeit führen konnte. Von den zurückkehrenden Arbeitsgruppen schien keine unmittelbare Gefahr auszugehen, und erst recht nicht von der alten Wemarerin, die in der Mine zurückgeblieben war, deshalb hatte auch Gurronsevas die Gelegenheit, seine eigene berufliche Neugier zu stillen, während Murchison ihre medizinische Untersuchung beendete. Außerdem hatte der Wemarer, der vor ihm stand, etwas zu ihm gesagt, als er dem Gespräch zwischen Prilicla und Fletcher zugehört hatte, und die allgemeine Höflichkeit verlangte, darauf etwas zu entgegnen.

„Entschuldigung“, sagte Gurronsevas und deutete auf seinen Translator, um sich einer kleinen diplomatischen Lüge zu bedienen. „Dieses Gerät ist nicht auf Sie eingestellt gewesen. Ich habe zwar gehört, was Sie eben gesagt haben, aber leider nichts verstanden. Wären Sie so nett, es noch einmal zu wiederholen?“

„Es ist nicht besonders wichtig gewesen“, antwortete der Wemarer. „Ich hatte nur angemerkt, daß ich mir schon oft gewünscht habe, vier Hände zu besitzen. So was wäre an diesem Ort besonders nützlich. Ich bin hier der Arzt und Chefkoch.“

„Ich bekleide eine ähnliche Position in einer etwas größeren Einrichtung. Doch dort sind das Heilen und die Essenszubereitung in verschiedene Arbeitsbereiche aufgeteilt und werden von unterschiedlichen Mitarbeitern durchgeführt. Wie soll ich Sie ansprechen, als Doktor oder als.“