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Remrath stieß einen unübersetzbaren Laut aus und sagte: „Sie sind viel zu diplomatisch, Fremdweltler. Sie haben unser Hauptgericht, einen Fleisch- und Gemüse-Eintopf ohne das Fleisch probiert. Wenn es auf den Tisch kommt, wird der Eintopf kaum noch warm sein. „Fade“ ist für diesen unappetitlichen Matsch zwar eine höfliche Umschreibung, aber es ist kaum der Ausdruck, den wir oder unsere Schüler dafür benutzen würden.“

„Es fehlt noch etwas daran“, pflichtete ihm Gurronsevas bei. Absichtlich richtete er alle vier Augen auf den leeren Kühlschrank, den er vorhin bemerkt hatte, und fuhr fort: „Zweifellos würde Fleisch den Geschmack verbessern, doch Sie scheinen keins zu haben. Ist Fleisch ein Bestandteil der normalen Ernährung der Schüler?“

Über den Kopfhörer warnte ihn Prilicla: „Sie dringen in einen äußerst sensiblen Bereich vor, mein Freund. Nach der emotionalen Ausstrahlung zu urteilen, ist Remrath erregt und verärgert. Sie müssen jetzt mit aller Vorsicht auftreten.“

Das von einem Tralthaner mit seinem gewaltigen Körper zu verlangen, war geradezu lachhaft. Auch wenn Gurronsevas wußte, was der Empath meinte, befand er sich schließlich in der Küche, und der Wemarer mußte von ihm zweifellos Fragen zum Essen erwarten.

„Nein“, antwortete Remrath in scharfem Ton. Als Gurronsevas gerade zu dem Schluß gekommen war, daß er den Chefkoch gekränkt haben mußte und Remrath nichts hinzufügen würde, strafte ihn dieser Lügen, denn er fuhr fort: „Nur Erwachsene sind dazu berechtigt, Fleisch zu essen, wenn und falls es vorhanden ist. Den jungen Wemarern ist das nicht gestattet, doch dieser Grundsatz wird gelockert, wenn sich — wie es hier bei uns der Fall ist — viele von ihnen dem Erwachsenenalter nähern. Die Schüler, die alt genug sind, bekommen hin und wieder geringe Mengen Fleisch, um den Gemüsegerichten mehr Geschmack zu verleihen, und zwar als Ankündigung und Vorbereitung auf die herannahende Reife und auf die Stellung, die sie als tapfere Jäger und Ernährer ihrer Familie erwarten können.

Unsere Jäger werden bald zurückkehren“, schloß Remrath mit leiser Stimme, die trotz des Übersetzungsvorgangs, bei dem die Emotionen verlorengingen, zornig klang. „Doch in den letzten Jahren haben sie nur wenig Erfolg gehabt, und sie werden das erjagte Fleisch keinesfalls mit Kindern teilen, sondern alles für sich behalten.“

Hierauf war ganz eindeutig irgendeine mündliche Erwiderung nötig, dachte Gurronsevas besorgt, am besten eine verständnisvolle, ermutigende oder harmlose Äußerung, eine, die den Zorn des Chefkochs nicht noch verstärkte. Da er nicht wußte, was er sagen sollte, versuchte er auf Nummer Sicher zu gehen, indem er eine ungefährliche und augenfällige Feststellung der Tatsachen traf.

„Sie sind erwachsen“, sagte er.

Falls überhaupt, dann wurde Remrath nur noch wütender. Er schrie so laut, daß die beiden Köche am anderen Ende der Küche von ihrer Arbeit aufsahen: „Ich bin sogar sehr erwachsen, Fremdling! Zu erwachsen, um an einer Jagd teilzunehmen oder auch nur den kleinsten Anteil von der Beute abzubekommen. Zu erwachsen, als daß sich jemand meiner Jagden dankbar erinnern oder auf meine Gefühle Rücksicht nehmen würde. Hin und wieder wirft mir ein junger und gerade erwachsen gewordener Jäger aus Freundlichkeit oder Sentimentalität heraus ein oder zwei Brocken Fleisch hin, aber die verwenden wir, um den Mahlzeiten der älteren Kinder ein bißchen Geschmack zu verleihen. Ansonsten essen wir das, was hier alle essen: einen geschmacklosen, lauwarmen Gemüsebrei!“

In seinem Leben waren Gurronsevas schon viele Klagen übers Essen zu Ohren gekommen — obwohl nur selten, wenn er es selbst zubereitet hatte—, und er war bisher immer damit fertig geworden. Deshalb glaubte er, über dieses Thema sprechen zu können, ohne den Chefkoch zu kränken.

Er holte tief Luft und sagte vorsichtig: „Ich habe viele verschiedene Lebensformen, intelligente Wesen wie Sie, kennengelernt oder zumindest von ihnen gehört, die Kulturen entwickelt haben, die sogar noch fortschrittlicher gewesen sind als die der Wemarer vor vielen Jahrhunderten, und die von dem Moment an, als sie von der Muttermilch entwöhnt worden sind, bis zu ihrem Tod nichts als pflanzliche Mahlzeiten zu sich genommen haben. Bei diesen Spezies werden die Gerichte entweder heiß serviert, so wie Ihre, oder roh in einer Vielzahl verschiedener.“

„Niemals!“ platzte Remrath los. „Daß die bis zu ihrem Tod Gemüseeintopf essen, kann ich ja noch glauben, weil wir älteren Wemarer gezwungen sind, das gleiche zu tun. Höchstwahrscheinlich beschleunigt das unseren Tod noch. Doch es geht ja nur darum, einen leeren und knurrenden Magen mit geschmacklosem, organischem Brennstoff zu füllen, auch wenn es für jeden Erwachsenen schändlich und erniedrigend ist, Gemüse essen zu müssen.

Aber rohes Gewächs wie ein. wie ein Rouglar zu fressen!“ rief er grimmig aus. „Fremdweltler, bei dem, was Sie sagen, dreht sich mir gleich der Magen um!“

„Bitte verzeihen Sie mir meine Unwissenheit, aber was ist ein „Rouglar“?“ erkundigte sich Gurronsevas.

„Das ist ein großes, langsames Tier gewesen, das wir gejagt haben und das den ganzen Tag damit beschäftigt gewesen ist, Blätter zu fressen und zu verdauen“, antwortete Remrath. „Ein paar davon soll es Gerüchten zufolge noch in den Gebieten am Äquator geben, doch überall sonst sind sie ausgestorben. Sie sind immer zu langsam und dumm gewesen, um den Jägern zu entwischen.“

„Bei allem Respekt, Sie irren sich“, widersprach Gurronsevas. „Viele intelligente Spezies sind Pflanzenfresser und schämen sich deshalb kein bißchen. Auch ein Gefühl der geistigen oder körperlichen Unterlegenheit stellt sich bei ihnen unter all den anderen Fleisch- und Allesfressern, die ausschließlich Fleisch oder eine Mischung aus tierischer und pflanzlicher Nahrung essen wie Sie, nicht ein. Oberschwester Naydrad zum Beispiel — die werden Sie auch noch kennenlernen, das ist die mit dem langen Körper, dem silbernen Fell und den vielen Beinen — nimmt ausschließlich pflanzliche Nahrung zu sich und ist weder im Denken noch von den Bewegungen her langsam. Unterschiede in den Ernährungsgewohnheiten sind kein Grund für Scham oder Stolz oder für irgendwelche anderen Gefühle außer vielleicht Freude oder Ärger über den Geschmack oder die Qualität des Kochens oder der Zubereitung. Doch all das sind belanglose Unterschiede. Warum schämen sich die Wemarer?“

Remrath antwortete nicht. Hatte ihn die Frage womöglich gekränkt, oder schämte ihn deren Beantwortung noch mehr? fragte sich Gurronsevas. Vielleicht war es besser, keine weiteren Fragen zu stellen, sondern lieber damit fortzufahren, Auskünfte zu erteilen, und dabei Remraths Reaktionen zu beobachten.

„Nahrung ist ungeachtet der Form nichts als ein Brennstoff für den Körper“, fuhr Gurronsevas deshalb fort, „doch die Nahrungsaufnahme selbst ist ein angenehmes Erlebnis oder sollte es zumindest sein. Der Geschmack kann auf verschiedene Arten durch das Zugeben geringer Mengen von Substanzen gesteigert werden, bei denen es sich um tierische oder pflanzliche Stoffe oder um genießbare Mineralien handelt. Ein Gericht kann auch verbessert werden, indem man verschiedene Zutaten verwendet, die sich gegenseitig ergänzen oder miteinander kontrastieren und den Geschmack interessanter gestalten. Auf diesem Gebiet verfüge ich über ein wenig Erfahrung, wozu auch die Zubereitung von.“

Für einen kurzen Moment fragte er sich, wie das untergeordnete Küchenpersonal im Cromingan-Shesk auf eine derart lächerliche und für ihn untypische Untertreibung reagiert hätte, doch sein Zuhörer wußte nichts von der Esse^z^ere^^ für viele verschiedene Spezies und würde nicht von einer unaufgefordert zur Schau gestellten Fachkenntnis beeindruckt sein, die sein Verständnis — hoffentlich nur sein momentanes — vollkommen überstieg.

Während er seine Erklärungen fortsetzte, versuchte Gurronsevas, das Wissen, das er vermittelte, so einfach und grundlegend wie möglich zu gestalten, weil der betagte Wemarer Chefkoch ungeachtet seines hohen Alters in kulinarischen Fragen das reinste Kind war. Doch während er sich immer mehr in sein Lieblingsthema hineinsteigerte und die Minuten wie im Fluge vergingen, wurde er allmählich gewahr, daß Remrath Anzeichen von Unruhe und vielleicht sogar Ungeduld erkennen ließ. Es war Zeit, langsam zum Schluß zu kommen, bevor sich beim Chefkoch eindeutige Langeweile breitmachte.