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Remrath wusch drei weitere Teller ab, untersuchte sie peinlich genau auf Essensreste und stellte sie noch tropfnaß beiseite, bevor er fragte: „Wissen Sie überhaupt, ob Tawsar gesund oder krank ist? Läuft bei ihr der Fäulnisprozeß des Alters ab, der sich in den Körpern von uns allen ausbreitet und anderen Krankheiten den Weg bahnt, die unser Fleisch vergiften?“

Gurronsevas versuchte noch, sich eine passende Antwort einfallen zu lassen, als sich Murchison auf der Schilfsfreqüenz einmischte. „Wie Sie ganz richtig erwähnt haben, sind wir vielleicht nicht in der Lage, bei den Wemarern ein arthritisches Leiden zu lindern, doch besteht eine recht gute Chance. Tawsar ist zwar alt und gebrechlich, aber keineswegs krank. Sie könnte weitere zehn Jahre leben und sogar noch länger, wenn sie mehr essen würde. Aus irgendeinem Grund hungern sich diese DHCGs fast zu Tode.“

Hätte Murchison eben das Essen der Wemarer probiert, wäre ihr der Grund klar, dachte Gurronsevas und sagte zu Remrath: „Tawsar könnte noch viele Jahre vor sich haben, wenn sie mehr essen würde.“

Von einem Teller schabte Remrath eingetrocknete Essensreste in einen Abfalleimer, bevor er den Teller in den Waschtrog gleiten ließ. „Wenn wir die jungen Wemarer bäten, würden sie uns zwar helfen, aber wir Alten müssen trotzdem nützliche Arbeit leisten, während wir auf die Übergabe unseres Körpers bei unserem Tod warten. Es handelt sich um eine Arbeit, die wir verrichten dürfen, auch wenn wir nicht immer imstande sind, sie gut zu verrichten. Und mehr Nahrung wollen wir nicht zu uns nehmen, jedenfalls nicht, solange es sich um Gemüse handelt. Dieses Thema ist in jeder Bedeutung des Wortes ekelhaft. Aber ich habe auch einige Fragen an Sie, Gurronsevas. Falls die ungehörig sein sollten, beachten Sie sie einfach nicht. Ihre Arbeit kann ich ja nachvollziehen, weil sie meiner eigenen nicht unähnlich ist, aber was ist mit den Wesen, die sich mit Tawsar unterhalten und irgendwelche Sachen mit ihr angestellt haben? Wo kommen die her, und was machen die dort?“

Gurronsevas bemühte sich, das Orbit Hospital und die Arbeit zu beschreiben, die dort verrichtet wurde, doch seine Schilderung war viel zu einfach und alles andere als genau, denn er wußte, daß ihm Remrath die ungeheuerliche Wahrheit ohnehin nicht glauben würde.

„Demnach handelt es sich also wirklich um ein großes Gebäude am Himmel, das mit Wesen bevölkert ist, die Kranke und Verletzte aufnehmen und sie wieder rein und frisch und heil machen?“ hakte Remrath ungläubig nach.

„So kann man unsere Tätigkeit auch beschreiben“, warf Murchison mit einem leisen Lachen ein.

„Auf Wemar hat es auch mal solche Einrichtungen gegeben“, fuhr Remrath fort, „aber deren Tätigkeiten sind weit hinter dem zurückgeblieben, was Sie eben beschrieben haben. Sie wollen also allen Ernstes behaupten, Ihre Freunde auf dem Schiff kommen vom Orbit Hospital und sind bereit, diesen Dienst für Tawsar und den Rest des älteren Personals zu leisten?“

„Ja“, antwortete Gurronsevas, ohne zu zögern.

„Vie… vielen Dank“, stammelte Remrath verlegen. „Aber andererseits ist mir nicht ganz wohl dabei, meinen Körper Fremden anzuvertrauen. Obwohl Sie ja auch einer von denen sind und ich Sie mittlerweile einigermaßen kenne und. Sie kommen doch auch vom Orbit Hospital und müssen eigentlich mehr wissen als ich. Wenn es soweit ist, wäre es mir lieber, wenn Sie die Aufgabe übernähmen, meinem Körper die Frische der Jugend zurückzugeben.“

„Bedauerlicherweise verstehe ich überhaupt nichts von diesen Dingen“, stellte Gurronsevas klar, wenngleich er sich über das unangebrachte Kompliment freute. „Mein einziger Beitrag besteht darin, den Lebewesen im Hospital das Essen zuzubereiten, anzurichten und zu servieren.“

„Ist das ein wichtiger Beitrag?“ erkundigte sich Remrath. „Hilft es den Wesen dort, rein und frisch zu bleiben?“

„Ja“, antwortete Gurronsevas erneut. „Ich würde sogar ohne Zögern behaupten, daß mein Beitrag der wichtigste ist, weil ohne ihn niemand überleben würde.“

Im Kopfhörer konnte er Murchison hören, die einen unübersetzbaren Laut ausstieß.

„Und Sie wollen uns dabei helfen, frisch zu bleiben, indem Sie unserem Essen ein schönes Aussehen und einen besseren Geschmack verleihen?“ fragte Remrath weiter. „Ausgeschlossen!“

Da Gurronsevas nichts entdecken konnte, das einem Handtuch ähnelte, schüttelte er sich das Wasser von den Händen und antwortete: „Ich möchte nur, daß Sie mir erlauben, es zu versuchen.“

Ohne etwas darauf zu entgegnen, wandte sich Remrath um und humpelte steif in den Vorraum, um fünf Minuten später mit einer Ladung des vorhin gebrachten Gemüses zurückzukehren. Er machte sich daran, bei einigen Sorten die Blätter abzurupfen und bei anderen die Wurzeln, bevor er die vermutlich genießbaren Teile ins Wasser warf.

„Sie dürfen es versuchen, Fremdling“, willigte er schließlich ein. „Wenn Sie uns aber mit Ihrem größeren Wissen und Ihrer außerplanetarischen Erfahrung kein Fleisch auf den Tisch bringen können, verschwenden Sie nur Ihre Zeit. Das ist nämlich unsere Hoffnung und der Grund, warum ich Tawsar ursprünglich dazu gedrängt habe, sich mit Ihnen zu treffen. Statt Ihnen unseren dringenden Bedarf an Fleisch zu erläutern, das für das Überleben unserer Spezies notwendig ist, hat sie sich nur geschämt und über ganz andere Themen gesprochen und Ihren Ärzten erlaubt, seltsame Dinge mit ihr anzustellen.

Womit möchten Sie denn anfangen, Gurronsevas?“

„Zuerst würde ich mich gern mit Ihnen über die Wemarer unterhalten…“, antwortete er.

„Ja, bitte“, mischte sich Murchison ein. „Prilicla sagt, abgesehen von den physiologischen Daten erhielten sie von Ihrem Freund in fünf Minuten mehr nützliche Auskünfte als wir von Tawsar in zwei Stunden.“

„…und darüber, was Sie von sich selbst und Ihrem Planeten halten und was Sie gerne essen“, fuhr Gurronsevas fort, ohne das abermalige unerwartete Kompliment zu beachten. „Welche Gegenstände, Szenerien und Farben empfinden Sie als schön? Ist Ihnen das Aussehen des Essens genauso wichtig wie der Geschmack und der Geruch? Ich bin schon seit langem der Überzeugung, daß sich das Verhalten und das kulturelle Niveau eines Lebewesens in verschiedener und wichtiger Hinsicht in der Nahrung, die es zu sich nimmt, und natürlich auch in den kultivierten Zeremonien und Verfeinerungen widerspiegelt, die es beim Kochen, Anrichten und Essen.“

„Fremdling!“ schnitt ihm Remrath das Wort ab. „Sie beleidigen sowohl mich als auch die übrigen Wemarer. Wollen Sie etwa damit andeuten, daß wir Wilde sind?“

„Gurronsevas, seien Sie vorsichtig“, warnte ihn Murchison eindringlich. „Oder wollen Sie allen Ernstes einen Streit vom Zaun brechen?“

„Das war keineswegs meine Absicht“, entgegnete Gurronsevas, womit er beide Fragen gleichzeitig beantwortete. „Ich weiß, daß die Wemarer kurz vorm Verhungern sind, und für viele der Eßzeremonien müssen die Lieblingsspeisen ausreichend, wenn nicht sogar im Überfluß vorhanden sein. Doch dort, wo ich herkomme, können Eßzeremonien abgewandelt werden, entweder weil die Umstände uns dazu zwingen oder um die Eintönigkeit einer sich nicht ändernden Kost zu beleben.

Trotz meiner Unkenntnis der Wemarer Küche werde ich Ihnen Vorschläge unterbreiten, wie man das bewerkstelligen kann“, fuhr er rasch fort. „Falls diese Vorschläge beleidigend oder aus irgendeinem körperlichen oder physiologischen Grund ungeeignet sind, sagen Sie es mir lieber sofort, ohne kostbare Zeit mit unangebrachten Höflichkeiten zu verlieren. Doch bevor Sie das tun, lassen Sie mich die vorhandenen Lebensmittel untersuchen und die Vorschläge ausführlich mit Ihnen besprechen, damit nicht nur Ihnen, sondern auch mir klar ist, weshalb sie undurchführbar sind.

Um diese Untersuchungen vornehmen zu können, brauche ich Ihre Erlaubnis, Proben der Gemüsesorten und Gewürze zu entnehmen, die Sie hier verwenden“, erklärte er weiter. „Dabei handelt es sich nur um ganz winzige Mengen. Außerdem wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mich dorthin führen könnten, wo diese Pflanzen geerntet werden. Indem ich diese Pflanzen in ihrem Naturzustand sehe und in der näheren Umgebung andere möglicherweise genießbare Gewächse sammle und untersuche, fallen mir vielleicht Alternativgerichte oder Änderungen zu der bestehenden Kost ein.“