„Insbesondere in der Küche eines Haufens von Kannibalen“, warf Naydrad ein.
„Ganz wie Sie wollen, Doktor“, willigte Gurronsevas ein, wobei er die Oberschwester einfach überhörte. „Darf ich Remraths Gastfreundschaft erwidern und ihn hierher einladen?“
„Selbstverständlich“, stimmte Prilicla sofort zu. „Aber seien Sie vorsichtig. Dieselbe Einladung haben wir schon gegenüber Tawsar ausgesprochen, die sie heftig abgelehnt hat. Tawsars emotionale Ausstrahlung war in diesem Moment sehr kompliziert und intensiv und sogar unfreundlich. Remrath könnte in gleicher Weise reagieren.
Deshalb müssen wir auch mit Ihnen erst die Gesamtsituation hier auf Wemar besprechen — die Tatsachen also, die uns bekannt sind, und unsere Vermutungen, die darauf beruhen—, bevor Sie sich wieder mit Remrath unterhalten können“, fuhr der Cinrussker fort. „Da man uns gegenüber aus irgendeinem unbekannten Grund ein Gefühl der Abneigung oder des Mißtrauens entgegenbringt, sind Sie derjenige, der unsere vielversprechendste Verbindung mit den Wemarern aufrechterhält. Dieser Kontakt darf natürlich nicht versehentlich abreißen, nur weil wir Sie nicht mit allen verfügbaren Informationen versehen haben.“
Ich bin Koch und kein Arzt oder Kontaktspezialist für fremde Spezies, dachte Gurronsevas. Doch jetzt behandelte man ihn offenbar so, als würde er alle drei Berufe auf einmal bekleiden. Das ließ seltsam angenehme Empfindungen in ihm aufkommen, und er war kein bißchen ängstlich.
„Wir werden Ihre Gespräche mit Remrath in der Mine und im Freien zwar weiterhin verfolgen und aufzeichnen, halten es aber nicht mehr für notwendig, Sie mit überflüssigen Ratschlägen abzulenken“, setzte Prilicla seine Ausführungen in beruhigendem Ton fort. „Sollte sich ein Notfall ereignen, werden wir natürlich schnell reagieren, und unser Schweigen wird dann nicht bedeuten, daß wir Sie vergessen haben. Über die persönlichen Sicherheitsmaßnahmen werden wir Sie in den genauen Instruktionen unterrichten.“
„Vielen Dank“, sagte Gurronsevas.
„Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, mein Freund, weder um Ihre Sicherheit noch um Ihre Fähigkeit, mit der Aufgabe fertig zu werden“, beruhigte ihn der Empath. „Sie haben bereits gute Arbeit geleistet und werden das auch weiterhin tun. Allerdings finde ich es schon etwas merkwürdig, daß sich ein Fachmann von Ihrer Bedeutung noch nicht wegen der niedrigen Dienste, die er hier verrichtet, beklagt hat und auch nicht viel mehr als eine ganz leichte und vorübergehende emotionale Anspannung verspürt hat. Schließlich behandelt man Sie hier auf Wemar nicht mit dem Respekt, der Ihnen gebührt.“
„Auf Wemar muß ich mir den Respekt erst noch verdienen“, stellte Gurronsevas klar.
25. Kapitel
Fletchers mit Sensoren ausgerüstetes Aufklärungsflugzeug entdeckte aus geringer Höhe eine Gruppe von dreiundvierzig erwachsenen Wemarern, die sich in Richtung Mine bewegten, sich aber schätzungsweise noch in einer Entfernung von neun Tagesmärschen befanden, und übermittelte Bilder von ihnen zur Rhabwar. Die Wemarer sprangen nicht voran, sondern gingen nur, weil vier von ihnen einen fünften auf einer Trage mitschleppten, die man aus dünnen, geraden, von allen Zweigen befreiten Ästen angefertigt hatte. Jeweils zwei kleine Tiere von etwa einem Fünftel der Körpergröße eines Wemarers wurden zwischen zwei Jägern, die ein doppeltes Seil am Hals der Tiere befestigt hatten, sowohl vorangetrieben als auch hinterhergezogen. Bis auf den kranken oder verletzten DHCG auf der Bahre waren alle Jäger mit Tornistern ausgestattet, die schlaff vom Rücken herabhingen. Ganz offensichtlich war die Jagd nicht erfolgreich gewesen.
Ob oder wann Gurronsevas diese Bilder Remrath zeigen wollte, hatte man ihm selbst überlassen. Die Nachricht von der Ankunft der Jagdgruppe hätte einen störenden Einfluß auf das sich ständig verbessernde Verhältnis zu Remrath haben können. Seit ihrem gemeinsamen Ausflug durchs Tal hatte es dem Chefkoch nie an Worten gefehlt, insbesondere wenn es sich, wie jetzt, um kritische handelte.
„Das ist völlig albern und kindisch!“ protestierte Remrath voller Ungeduld. „Gurronsevas, wie oft muß ich Ihnen denn noch sagen, daß wir Gemüse nicht aus freien Stücken essen, sondern nur, weil wir durch den drohenden Hungertod dazu gezwungen sind? Kalt oder warm, roh oder gekocht, in welcher Form es auch immer zubereitet wird, es bleibt Gemüse. Gut, es sieht hübsch aus, wie Sie es auf dem Teller arrangieren, das gebe ich ja zu, aber Kinder finden es angenehmer, hübsche Muster zu legen, indem sie farbige Steine und Holzstücke auf ihren Schultischen herumschieben, als mit ungekochten Gemüsehappen auf dem Teller herumzumanschen. Was soll das? Sie erwarten doch wohl von niemandem, daß er tatsächlich dieses Zeug ißt, oder?“
„Es handelt sich um einen Salat“, erklärte Gurronsevas ruhig und nachsichtig, um zu versuchen, der Ungeduld des Chefkochs entgegenzuwirken. „Wenn Sie ihn genau betrachten, werden Sie feststellen, daß er sich aus geringen Mengen bekannter Pflanzenarten Ihres Planeten in ungewohnten Formen zusammensetzt, da ich sie in Würfel, Scheiben und Streifen geschnitten habe. Angemacht ist das Ganze mit ein wenig Dressing, das aus den Keimen Ihres Vries besteht, die ich zerdrückt und mit dem Saft unreifer Moosbeeren gemischt habe, damit es den nötigen Geschmack bekommt. Zu guter Letzt habe ich den Salat zu einem optisch interessanten Muster arrangiert. Die Crillknospen kann man, falls man will, ebenfalls essen, und wenn der Salat schließlich auf den Tisch kommt, werden sie sich bereits geöffnet haben, doch in erster Linie sind sie als Verzierung gedacht und sollen das Aroma steigern. Daß der Reiz einer Mahlzeit nicht nur im Geschmack, sondern auch im Aussehen und Duft liegt, habe ich Ihnen ja schon erklärt — und das gilt auch für die anderen beiden Gänge des Menüs, die dort auf dem Tablett stehen.
Bitte probieren Sie den Salat mal“, forderte er Remrath auf. „Ich habe selbst alle drei Gänge gegessen, ohne Schaden zu nehmen, und trotz der für mich ungewohnten Zutaten einiges vom Geschmack her als recht angenehm gefunden.“
Das ist allerdings nicht ganz wahr, dachte Gurronsevas insgeheim, denn während der ersten Experimente mit Wemarer Pflanzen war auf die anfängliche Freude schnell eine Magenverstimmung gefolgt. Doch wie er sich vor Augen hielt, hatten alle Leute, die glaubten, unbedingt zu viel von der Wahrheit ausplaudern zu müssen, in der Geschichte aller Planeten schon immer eine Unmenge Probleme verursacht.
„Jetzt probieren Sie doch mal, dann werden Sie schon sehen“, wiederholte er.
„Ich verstehe nicht, weshalb es drei verschiedene Gerichte geben muß“, wandte Remrath ein. „Wieso mischen wir nicht einfach alle drei miteinander?“
Allein bei der Vorstellung lief Gurronsevas schon ein kleiner, unmerklicher Ekelschauer über den breiten Rücken. Diese Frage hatte er bereits beantwortet, und er vermutete, daß Remrath lediglich eine Verzögerungstaktik verfolgte, mit der Erfolg zu haben der Wemarer in seiner Rolle als Kochgehilfe nicht hoffen konnte. Vielleicht sollte ich die Frage ein zweites Mal beantworten, sagte sich Gurronsevas, um dieses Mal bei meinem Kollegen auch den letzten Zweifel über meine Absichten auszuräumen.
„Bei allen intelligenten Spezies, die ich kenne, ist es üblich, Mahlzeiten zuzubereiten und zu servieren, die aus mehreren miteinander kontrastierenden oder sich ergänzenden einzelnen Gerichten oder Gängen bestehen“, erklärte er geduldig. „Dies liegt daran, daß man das Essen für eine Gaumenfreude hält, die zu bestimmten Zeiten subtil und recht lange anhaltend und zu anderen Zeiten eher herzhaft und intensiv sein kann. Die Zutaten der unterschiedlichen Gänge werden so ausgewählt, daß sie innerhalb eines einzelnen Gerichts dieselbe Funktion einer Gesamtmahlzeit in kleinerem Maßstab erfüllen.