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Ein Menü kann aus vielen verschiedenen Gängen bestehen, aus fünf oder elf oder sogar noch mehr, so daß es beispielsweise möglich ist, vier Stunden zu speisen“, fuhr er begeistert fort. „Bei den größeren und vielschichtigeren Menüs, die oft die politische und psychologische Nebenfunktion erfüllen, die Gäste mit dem Reichtum des Gastgebers, der Organisation oder der Bevölkerungsgruppe zu beeindrucken, wird vom Speisenden nicht erwartet, alles zu essen, was ihm vorgesetzt wird. Versucht er es trotzdem, ergeben sich für ihn daraus starke Verdauungsbeschwerden. Ich persönlich bin nicht für solche überreichlichen und verschwenderischen Festgelage, da ich die Qualität der Quantität vorziehe. Wie dem auch sei, ich bereite jeden einzelnen Gang mit peinlicher Sorgfalt zu und serviere ihn mit den geeigneten.“

„Ihr Fremdweltler vergeudet in eurem Leben offenbar furchtbar viel Zeit mit Essen“, fiel ihm Remrath ins Wort. „Woher nehmt ihr da noch die Zeit, Raumschiffe und Fahrzeuge, die über dem Boden schweben, und eure anderen technischen Wunderwerke zu bauen?“

„Diese Sachen benutzen wir, ohne ihre Funktionsweise verstehen zu müssen“, antwortete Gurronsevas. „Sie sind nicht zur Zeitverschwendung, sondern zur Zeitersparnis gebaut worden, damit wir mehr Zeit haben, die anhaltenden Freuden des Lebens zu genießen, wie zum Beispiel das Essen.“

Remraths Entgegnung ließ sich nicht übersetzen.

„Sicherlich gibt es auch noch andere Genüsse“, räumte Gurronsevas ein, „insbesondere diejenigen, die mit der Fortpflanzung zusammenhängen. Aber denen kann man sich nicht ständig oder oft hingeben, ohne eine schwere Entkräftung oder einen anderen gesundheitlichen Nachteil zu riskieren. Dasselbe gilt für aufregende oder gefährliche Betätigungen wie beispielsweise Bergsteigen, Tiefseetauchen oder Segelfliegen. Das hauptsächlich Aufregende an derartigen Beschäftigungen ist, daß der Betreffende in einer Situation, die durchaus lebensbedrohlich werden kann, all seinen Wagemut und sein ganzes Geschick aufbieten muß. Zwar läßt das für diese Aktivitäten erforderliche Zusammenspiel von Geist und Körper mit zunehmendem Alter nach, doch dafür nimmt das Vergnügen an gutem Essen und Trinken im Alter mit der Gewohnheit zu. Und dabei handelt es sich um Freuden, die man immer wieder bis zum Überdruß genießen kann und die das Leben womöglich erheblich verlängern, wenn man die geeigneten Speisen regelmäßig und in der richtigen Menge zu sich nimmt.“

„Dieses Grünzeug zu essen, ungekochte Pflanzen zu verzehren, erhält das meinen Körper etwa jung und frisch?“ fragte Remrath leise.

„Wenn man sie von Kindsbeinen an und das ganze Erwachsenenalter hindurch ißt, bleibt man viel länger wesentlich jünger und frischer“, antwortete Gurronsevas. „Insbesondere, wenn man lernt, sich ausschließlich pflanzlich zu ernähren, so wie ich es vorziehe. Unsere Ärzte sind ebenfalls dieser Meinung, und ich verfüge über Erfahrungen als Koch für alte Leute, bei denen sich das bewahrheitet hat. Aber ich darf Sie nicht anlügen. Ihre Eßgewohnheiten zu ändern bedeutet für Sie und Ihr Volk keineswegs das ewige Leben.“

Remrath wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Tablett mit den einzelnen Gerichten zu, die Gurronsevas mit solcher Sorgfalt zubereitet hatte, und sagte dann griesgrämig: „Wenn man dafür dieses Zeug essen müßte, wäre auch niemand scharf darauf.“

Gurronsevas dachte daran, daß er sich in seiner Eigenschaft als Koch in seinem ganzen Leben noch nicht so viele Beleidigungen hatte anhören müssen wie seit seiner Ankunft auf Wemar. Er deutete aufs Tablett und kehrte zum eigentlichen Thema zurück.

„Wie ich schon sagte, besteht ein Menü normalerweise aus drei Gängen“, erklärte er. „Beim ersten, den ich Ihnen bereits beschrieben habe, handelt es sich um eine kleine, frisch schmeckende Vorspeise, die den Appetit nicht stillen, sondern lediglich anregen soll.

Auf diesen Gang folgt der zweite, der gehaltvoller, von den Zutaten her abwechslungsreicher und, wie Sie sehen können, wesentlich umfangreicher ist. Auch hier spielt das Aussehen eine wichtige Rolle, und Sie werden die meisten der verwendeten Gemüsesorten erkennen, wenn Sie es auch sicherlich nicht gewohnt sind, sie in dieser nicht ganz gar gekochten Form zu sehen. Das habe ich deshalb gemacht, um jedes Gemüse für sich allein auf den Teller legen zu können, wodurch nicht nur die optische Wirkung gesteigert wird, sondern auch alle Sorten den eigenen Geschmack behalten, der schwächer oder sogar ganz verlorengehen würde, wenn man sie zu einem Eintopf vermischt. Was Ihren Eintopf betrifft, verwenden Sie in erster Linie Orrogne. Das ist, wenn Sie mir die Bemerkung verzeihen, ein besonders fades und unschmackhaftes Gemüse, das ich in Scheiben geschnitten und ohne Flüssigkeit gekocht habe — diesen Vorgang nennen wir „schmoren“—, nachdem es von mir, um ein Anbrennen zu vermeiden, mit ein wenig Öl aus zerdrückten Glänzbeeren eingepinselt worden ist, die Sie offenbar überhaupt nicht als Nahrungsmittel betrachten. Der Geschmack der Orrogne bleibt zwar derselbe, doch ich glaube, mit der knusprigen Oberfläche, die von einem dünnen Fettfilm überzogen ist, werden Sie das Gemüse interessanter zu essen finden.“

„Zumindest riecht es interessant“, räumte Remrath ein, wobei er sich übers Tablett beugte und geräuschvoll durch die Nase einatmete.

„…insbesondere in Verbindung mit der dickflüssigen dunkelroten Gewürztunke, die ich ebenfalls aus hier wachsenden. Nein, essen Sie die nicht so mit dem Löffel ohne etwas dazu! Nehmen Sie Ihren Eßspieß, stechen Sie ihn in einen Happen Gemüse und tupfen Sie damit leicht gegen die Tunke. Sie hat Ähnlichkeit mit dem kelgianischen Sarkun oder dem scharfen Senf von der Erde und brennt wirklich sehr stark auf der Zunge.“

„Mann, ist die scharf!“ rief Remrath, wobei er nach einem der beiden Becher auf dem Tablett griff und den Inhalt in Windeseile hinunterstürzte, bevor er hinzufügte: „Großer Corel! Mein ganzer Mund brennt davon! Aber. aber was haben Sie denn mit dem Wasser angestellt?“

„Entweder habe ich die Empfindlichkeit des Wemarer Gaumens falsch eingeschätzt, oder ich muß weniger gemahlene Cresselwurzeln nehmen“, sagte Gurronsevas in entschuldigendem Ton. „Vielleicht müssen Sie aber auch erst mal Geschmack an der Tunke finden, wie es bei allen neuen Gewürzen ist. Dem Wasser in den Bechern habe ich mit dem Saft von zwei verschiedenen Beerenarten etwas Geschmack gegeben, wobei der eine Saft eine bittere und der andere eine etwas süßere und würzigere Note hat. Wie die Beeren bei Ihnen heißen, weiß ich nicht, weil Sie sie nicht in der Küche verwenden, aber die Ärzte auf dem Schiff haben mir versichert, daß sie für die Wemarer unschädlich sind.“

Remrath entgegnete nichts. Mit dem Eßspieß hatte er ein zweites Stück geschmorte Orrogne aufgepickt und tupfte es vorsichtig in die Tunke. Mit der anderen Hand hielt er sich den Becher dicht vor den Mund, als wolle er bereit sein, sofort einen weiteren Brand zu löschen.

„Ihr Gebirgsquellwasser ist zwar kühl und frisch und stellt ein angenehmes flüssiges Beiwerk zu einer Mahlzeit dar“, fuhr Gurronsevas fort, „aber wenn es dann endlich getrunken wird, ist es längst lauwarm und geschmacklich uninteressant geworden. Die Zugabe der Beerensäfte ist ein Versuch, dem Wasser einen Reiz zu verleihen, der nicht allein auf der niedrigen Temperatur beruht, sondern den Geschmackssinn hoffentlich zu einer größeren kritischen Würdigung des gleichzeitig gereichten Essens anregt. Auf vielen Planeten wird als Getränk zu Mahlzeiten Wein bevorzugt. Dabei handelt es sich um eine Flüssigkeit, die in wechselndem Verhältnis einen chemischen Stoff namens Alkohol enthält, der bei der Gärung bestimmter Pflanzenarten entsteht. Es gibt viele verschiedene Weine, die man zur Ergänzung und Betonung des Geschmacks eines Gerichts oder einzelnen Gangs servieren kann, doch hier auf Wemar bin ich, was die Erzeugung von Alkohol betrifft, auf Schwierigkeiten gestoßen, durch die ich gezwungen war, den Versuch aufzugeben.“