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Zwar wuchsen auf Wemar mehrere Pflanzen, bei deren Gärung Alkohol entstanden wäre, doch die Probleme waren eher philosophischer als physikalischer Natur gewesen. Soweit das medizinische Team wußte, war die Verwendung von Alkohol in Getränken auf Wemar nicht bekannt, und man wollte nicht dafür verantwortlich sein, ihn auf diesem Planeten eingeführt zu haben. Besonders vehemente Einwände hatte die Pathologin Murchison erhoben, wobei sie sich auf das Beispiel einer frühen terrestrischen Kultur, nämlich der der amerikanischen Indianer, berief, die durch übermäßigen Alkoholgenuß praktisch zerstört worden war, weil die Indianer keinerlei Erfahrung mit der den Kopf benebelnden und zu Stimmungsänderungen führenden Wirkung gehabt hatten. Prilicla hatte ihr, wenn auch nur unter Vorbehalten, zugestimmt, da die Wemarer in ihrer momentanen Lage schon vor genügend Problemen standen.

„Den dritten Gang bezeichnen wir als „Nachtisch“ oder „Süßspeise““, führte Gurronsevas seine Erklärungen fort. „Dabei handelt es sich wiederum um eine kleine Portion, um einen angenehmen Abschiedsgruß an den Magen, der zu diesem Zeitpunkt schon fast bis zum Rand gefüllt ist. Dieser Nachtisch hier ist aus gehackten Crettohalmen zubereitet, die ich gekocht habe, bis das Wasser verdampft gewesen und eine dickliche, geschmeidige und geschmacksneutrale Paste zurückgeblieben ist, in der sich jetzt einige entkernte Denbeeren, gewürfelte Mattos und ein paar andere Zutaten verbergen, die ich Ihnen noch nicht verraten möchte. Bitte probieren Sie mal. Sie werden sich zwar nicht die Zunge verbrennen, aber ich glaube, Sie werden überrascht sein.“

„Moment mal!“ widersprach Remrath. Er hatte den Becher abgestellt und fuhr gerade behutsam mit dem bereits fünften Stück Orrogne durch die schmackhafte Tunke. „Ich bin mir nämlich noch nicht einmal darüber im klaren, wie groß meine Abneigung gegen dieses Zeug hier ist.“

„Lassen Sie sich ruhig Zeit“, entgegnete Gurronsevas und fuhr dann fort: „Statt eines kalten Salats kann die Vorspeise auch aus einer heißen Suppe bestehen. Von der Konsistenz und vom Geschmack her liegt so etwas zwischen einem gewürzten Getränk und einem sehr dünnen Eintopf. Neben einem geringen Gemüseanteil sind in einer Suppe zur Abwandlung des Geschmacks auch ganz winzige Mengen von Krautern und Gewürzen enthalten. Zur Zeit experimentiere ich noch mit verschiedenen Mischungen aus Ihren Krautern und Gewürzen herum, doch ich möchte keinesfalls, daß Sie das Ergebnis eines erfolglosen Versuchs probieren.

Offenbar sind Sie sich der vielen genießbaren Krauter und Gewürze, die im Tal wachsen, gar nicht bewußt“, klärte er den Chefkoch auf. „Den Großteil davon haben unsere Ärzte als ungefährlich und sogar als wohltuend für die Wemarer und auch für mich eingestuft. Leider bestehen zwischen den Wemarern und den Tralthanern feine Unterschiede, was die Geschmacksrichtung und — Sensibilität angeht, und diese Unterschiede zu beseitigen ist wichtig, damit ich weitere Vorschläge machen kann.“

Remrath legte den Eßspieß beiseite und tauchte nun den Löffel vorsichtig in die Süßspeise. Der Teller mit dem Hauptgericht, das aus ziemlich kleinen Portionen bestand, war bereits halb leer.

„Sie haben gesagt, in der Mine würde es nachts sehr kalt und feucht werden, wenn starker Regen in die Belüftungsschächte dringt“, kam Gurronsevas auf ein neues Thema zu sprechen. „Die jungen Wemarer stört das nicht, aber die Lehrer schon. Einer meiner Vorschläge lautet, daß die Lehrer das zum Abendbrot servierte Wasser erhitzen — falls Ihre Brennstoffvorräte das zulassen—, damit sie sich wärmer fühlen, wenn sie sich schlafen legen. Noch besser wäre es, wenn sie vor dem Schlafen eine dicke, stark gewürzte Suppe zu sich nähmen, eine die sowohl scharf als auch heiß ist. Das würde sie mehr erquicken, als unter der Decke zu bibbern, bis ihnen durch die eigene Körpertemperatur allmählich warm wird.

Für Sie selbst würde das nur eine kleine Veränderung des gewohnten Arbeitsablaufs bedeuten“, fügte er hinzu, „doch bei vielen Spezies von anderen Planeten ist das abendliche Heißgetränk beziehungsweise die Suppe ein beliebter Brauch, dem man sowohl körperlich und geistig beruhigende als auch schlaffördernde Wirkung zuschreibt.“

Remrath hielt mit dem zweiten Löffel voll Süßspeise auf halbem Weg zum Mund inne und sagte: „Ja, es wäre nur eine kleine Veränderung, eine von vielen kleinen Veränderungen und Vorschlägen, die mich dazu verleitet haben, diese fremdartigen Pflanzenmischungen hier zu essen, und die mich schließlich zu wer weiß was sonst noch treiben werden. Sie haben die Absicht, uns zu helfen, und das ist der Grund, weshalb ich mich — wie auch in geringerem Maße die übrigen Lehrer — Ihren seltsamen und oftmals Übelkeit erregenden Experimenten mit den Pflanzen von Wemar aussetze. Doch vergessen Sie dabei nicht, daß wir, weil wir nicht nur alt, sondern auch hungrig sind, unsere Scham unterdrückt haben, um Ihnen entgegenzukommen, und daß die jungen Erwachsenen Ihre Hilfe am meisten benötigen und vor allem Fleisch brauchen?

Gurronsevas“, schloß er, „Sie sind mit solcher Begeisterung, Energie und Zielstrebigkeit bei der Sache und tun alle Einwände mit einer derartigen Selbstverständlichkeit ab, daß Sie sich wie jemand aufführen, der seinem Lieblingshobby nachgeht.“

Der Große Gurronsevas ein Hobbykoch! empörte sich der Tralthaner zornig. Einen Moment lang war er zu wütend, um zu sprechen, und in diesem Augenblick schoß ihm ein äußerst beunruhigender Gedanke durch den Kopf. Worin bestand der Unterschied zwischen jemandem, der ein Hobby betrieb, das all seine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm, und jemandem, der sein Leben der Vollendung einer einzigen, alles verzehrenden Tätigkeit verschrieben hatte?

„Und noch eines vergessen Sie: Zwar haben sich die Lehrer — wenn auch nur widerwillig — bereit gefunden, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, aber bei den Schülern brauchen Sie nicht damit zu rechnen“, klärte ihn Remrath auf. „Mag sein, daß bei uns das Alter den Verstand in Mitleidenschaft gezogen oder weniger widerstandsfähig gegen Argumente gemacht hat. Doch wenn Sie versuchen, die Kinder und Jugendlichen dazu zu bewegen, dieses Zeug zu essen, werden die mit Ihren sorgfältig zubereiteten experimentellen Gerichten höchstwahrscheinlich die nächste Wand oder Sie selbst bewerfen. Was wollen Sie dagegen tun?“

„Nichts“, antwortete Gurronsevas trocken.

„Nichts?“

„Nichts, was die Kinder und Jugendlichen betrifft“, erläuterte Gurronsevas. „Die werden die neuen Gerichte zwar sehen, aber nicht probieren dürfen, da diese ausschließlich den Erwachsenen vorbehalten sind. An diesem Punkt werde ich erneut Ihre Mitarbeit und die der übrigen Lehrer benötigen. Wie Sie gesagt haben, speist Tawsar allein, weil sie sich schämt, gezwungenermaßen Gemüse essen zu müssen. Doch wenn man erklären würde, daß sie das nicht tut, weil sie sich dafür entschieden hat, sondern um bei wichtigen Versuchen mit Lebensrnitteln zu helfen, die die Fremdweltler durchführen, wäre das vielleicht der Vorwand, den sie braucht, um öffentlich essen zu können. Wenn die jungen Wemarer dann sehen, wie Sie alle gemeinsam die neuen Gerichte verzehren und genießen — und von letzterem bin ich immer mehr überzeugt—, wird die natürliche Neugier der Kinder die Oberhand gewinnen und zu dem Wunsch führen, die Gerichte ebenfalls zu probieren. Doch Sie werden es Ihnen trotzdem nicht erlauben. Das wird die Kinder nun immer stärker betrüben, da sie es für selbstsüchtig von Ihnen halten werden, diesen Genuß nicht mit anderen zu teilen. Sie werden schließlich darum bitten, und Sie werden sich nach und nach erweichen lassen und diesen Bitten nachgeben.

Ein vorenthaltener Genuß ist nämlich ein doppelter Genuß.

Ihr gegenwärtiges Küchenpersonal reicht vielleicht für das Kochen von Eintöpfen und einem seltenen Fleischgericht aus“, fuhr er fort. „Für die Zubereitung und insbesondere für das Anrichten und Dekorieren des neuen Drei-Gänge-Menüs brauchen wir allerdings viel mehr und wesentlich ffinkere Hilfskräfte. Sie wählen die entsprechende Menge aus, und das Anlernen übernehmen wir dann gemeinsam. Als besondere Vergünstigung und Belohnung für die Hilfe in der Küche dürfen diese wenigen Auserwählten während der Ausbildungszeit die neuen Gerichte essen. Wie es so die Art von Kindern und Jugendlichen ist, werden die frischgebackenen Küchengehilfen bestimmt von ihrer neuen Arbeit erzählen und vielleicht sogar gegenüber ihren weniger beliebten Freunden damit prahlen. Als Lehrer wissen Sie ganz genau, was in den Köpfen von Kindern vorgeht und wie man sie beeinflußt, Remrath. Es dürfte nicht lange dauern, bis hier alle so speisen wollen wie die Fremdweltler.“