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Mit langsamen Schlägen der schillernden Flügel ging der Cinrussker über Creethars Bett in den Schwebeflug über, bevor er fortfuhr: „Sie sind von diesen Wesen weit mehr als Freund akzeptiert worden als irgend jemand vom medizinischen Team. Aber gehen Sie trotzdem nicht davon aus, daß die Wemarer einer anderen Spezies gleichen. Die Wemarer sind anders, ob Sie sie nun an Terrestriern, Cinrusskern oder Tralthanern messen: es sind und bleiben Wemarer. Dieser Unterschied, der sich durch etwas Falsches, das wir gesagt oder getan haben, noch vergrößert hat, ist der Grund, weshalb wir nicht mehr ihre Freunde sind.“

„Ich werde vorsichtig sein“, versicherte Gurronsevas.

„Das weiß ich“, sagte Prilicla. Er streckte eins der zierlichen vorderen Greiforgane aus und berührte damit kurz einen Knopf auf dem Bedienungsfeld am Bett. „Ich werde die emotionalen Reaktionen des Patienten überwachen und Ihnen auf einer abhörsicheren Frequenz darüber berichten. Den Translator habe ich eben eingeschaltet. Freund Creethar hat zwar die Augen geschlossen, ist aber wach und hört uns zu. Es ist besser, wenn ich mich jetzt zurückziehe.“

Creethar lag so im Behandlungsbett, daß die in Gipsverbänden steckenden verletzten Gliedmaßen bequem in einem System aus Kreuzschlingen hängen konnten, die Gurronsevas an das Tauwerk eines alten Segelschiffs erinnerten. Der übrige Körper und der Schwanz waren durch Haltegurte ruhiggestellt, doch Gurronsevas hatte keine Ahnung, ob sie den Patienten vor Eigenverletzungen oder die Krankenpfleger vor Angriffen schützen sollten. Die Gipsverbände waren durchsichtig, und da keine Bandagen, Binden oder Umschläge nach Art der Wemarer vorhanden waren, konnte Gurronsevas sehen, daß die vielen infizierten Wunden, die Creethars Körper bedeckt hatten, inzwischen verheilten oder bereits verheilt waren. Plötzlich schlug der Anführer der Jäger die Augen auf.

„Großer Shavrah!“ rief Creethar aus und kämpfte mit dem ganzen Körper gegen die Haltegurte an. „Was für ein scheußliches, stupides Ungetüm sind Sie denn?“

Gurronsevas überhörte die Beleidigung einfach und beantwortete lediglich die Frage.

„Ich bin ein Tralthaner“, antwortete er in beruhigendem Ton. „Das heißt, ich gehöre einer Spezies an, die größer und optisch vielleicht auch fürchteinflößender ist als diejenigen, die Sie schon auf dem Schiff gesehen haben. Aber ich will Ihnen genau wie die anderen nichts tun. Im Gegensatz zu denen bin ich jedoch Koch und kein Arzt. Allerdings möchte ich Ihnen ebenfalls nur helfen, wieder ganz.“

„Ein Koch, der kein Arzt ist?“ unterbrach ihn Creethar. Seine Stimme war jetzt ruhiger, und er begann, sich unter den Haltegurten wieder zu entspannen. „Das ist ja merkwürdig, Fremdweltler. Sind Sie nicht fähig gewesen, Ihre Ausbildung zu beenden?“

„Ich heiße Gurronsevas“, fuhr der Tralthaner fort, der diese erneute Beleidigung nicht einfach überhören konnte, obwohl Priliclas Stimme im Kopfhörer anmerkte, daß auf dem Weg der Besserung befindliche Patienten für ihre Streitsucht bekannt seien. „Seit meiner frühzeitigen Ausbildung habe ich mein Leben dem Erreichen der Meisterschaft in der Kochkunst gewidmet, und andere Interessen habe ich nicht. Darum bin ich heute ein guter Koch, und das ist auch der Grund, weshalb man mich gebeten hat, Ihnen zu helfen. Creethar, Sie müssen etwas essen, bevor man Sie in die Mine zurückkehren läßt, aber Sie lehnen die Verpflegung auf dem Schiff ab. Falls sie Ihnen nicht schmeckt, erklären Sie mir bitte, aus welchem Grund, und ich werde Ihnen etwas anderes beschaffen.“ Creethar bewegte sich zwar unruhig hin und her, sagte aber nichts.

„Ich spüre eine negative emotionale Reaktion“, meldete Prilicla. „Die Angst und das persönliche Verlustgefühl haben sich wieder eingestellt. Ich weiß zwar nicht, woran das liegt, aber als Sie die Rückkehr zur Mine erwähnt haben, sind diese Empfindungen besonders stark gewesen. Wechseln Sie bitte das Thema.“

Aber es geht doch ums Essen und die Notwendigkeit, Creethar zu bewegen, etwas zu sich zu nehmen, dachte Gurronsevas wütend. Als er sich ins Gedächtnis rief, daß der Empath seine Wut spürte, beruhigte er sich und fuhr fort: „Was haben Sie am Schiffsproviant auszusetzen? Sagt Ihnen der Geschmack nicht zu?“

„Doch!“ antwortete Creethar überraschend heftig. „Einige Sachen haben wie Fleisch geschmeckt, besseres Fleisch, als ich jemals gegessen habe.“

„Dann verstehe ich nicht, warum Sie sich geweigert.“, begann Gurronsevas.

„Aber es ist ja kein Fleisch gewesen!“ fiel ihm der Patient ins Wort. „Es hat zwar wie Fleisch ausgesehen und geschmeckt, doch in Wirklichkeit hat es sich um irgendeinen seltsamen, fremdweltlerischen Mischmasch aus einer Maschine gehandelt, die dieses absurde Wesen mit den Flügeln als „Synthesizer“ bezeichnet hat. Es ist keine Nahrung von und für Wemarer. Ich darf es nicht essen, damit ich nicht meinen Körper vergifte. Als Koch müssen Sie doch verstehen, wie wichtig Fleisch für die erwachsenen Mitglieder einer Spezies, ja, jeder Spezies ist. Ohne Fleisch kann niemand leben.“

„Als tralthanischer Koch weiß ich davon nichts“, widersprach Gurronsevas mit ruhiger Stimme. „Von meiner Spezies wird seit vielen Jahrhunderten zumeist kein Fleisch mehr gegessen. Das machen wir, weil es uns so lieber ist, und nicht, weil wir die Mägen von Grasfressern haben. Mein Heimatplanet Traltha und die vielen anderen von Tralthanern besiedelten Planeten sind sehr dicht bevölkert und stehen in voller Blüte. Sie sind da einem Irrtum verfallen, Creethar.“

Der Anführer der Jäger schwieg einen Moment und sagte dann langsam: „Das haben mir Ihre Freunde, meine Bewahrer, auch schon oft gesagt. Nach Ihren Maßstäben sind wir Wemarer rückständig und erbärmlich ungebildet, aber wir sind nicht dumm. Und kleine Kinder, die den wundersamen Geschichten lauschen, die ihnen die Eltern erzählen, um ihnen angenehme Träume zu verschaffen, sind wir auch nicht. Erwarten Sie von einem erwachsenen Wemarer, eine offenkundige Unwahrheit zu glauben, bloß weil sie ihm von Fremdweltlern aufgetischt wird?“

Von einem so stark geschwächten und noch nicht ganz von seinen schweren Verletzungen genesenen Patienten hatte Gurronsevas eine derartige Reaktion nicht erwartet. Er überlegte kurz und antwortete dann: „Der Unterschied zwischen Intelligenz und Bildung ist mir sehr wohl bewußt, und ich weiß auch, daß von beidem der Intelligenz eine wesentlich größere Bedeutung zukommt, weil sie den Erwerb von Bildung voraussetzt. Doch in der Mine gibt es erwachsene Wemarer, die unsere Geschichten allmählich glauben.“

„Der Verstand der Alten hat allzuoft Ähnlichkeit mit dem von Kleinkindern“, stellte Creethar fest. „Ich weiß nicht, warum Sie mich dazu bringen wollen, das merkwürdige, wenngleich wohlschmeckende Fleisch aus Ihrer Maschine zu essen. Sie sind nicht mein Freund, kein Familienangehöriger von mir und nicht einmal ein Wemarer. Sie haben keine Ahnung oder es kümmert sie nicht, welchen Schaden das meinem Körper bereitet, und Sie verfügen nicht über mein Verantwortungsbewußtsein gegenüber meinem Volk. Was Sie mir auch erzählen, ich werde Ihre fremdweltlerische Nahrung nicht zu mir nehmen.“

Ganz offensichtlich hatte Creethar zu diesem Thema ganz feste Überzeugungen, die zu festgefahren waren, um sie durch logische Argumente zu ändern, und damit stimmte auch Priliclas Deutung der emotionalen Ausstrahlung überein. Es war an der Zeit, anders an die Sache heranzugehen.

Vorsichtig sagte Gurronsevas: „Als Sie das letztemal mit Doktor Prilicla gesprochen haben — das ist derjenige, der fliegen kann—, haben Sie sich nach Ihren Freunden in der Mine erkundigt. Bei meiner Arbeit in der Küche habe ich mich mit Remrath und vielen der fast erwachsenen Wemarer unterhalten. Was möchten Sie wissen?“

Selbst in der Übersetzung durch den Translator klang Creethars Stimme ungläubig. „Mein Vater hat Sie in die Küche gelassen?“

„Sicher, schließlich sind wir Kollegen“, antwortete Gurronsevas knapp.