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Gurronsevas konnte sehen, wie die Lehrerin gleich bei den ersten Worten die Ohren zuklappte, und die Wut in ihrer Stimme hören, als sie versuchte, die Schüler zu bewegen, ihrem Beispiel zu folgen, während er die Bekanntmachung wiederholte. Doch die Lehrerin hatte keinen Erfolg, weil die Kinder in kleinen Kreisen um sie herumhüpften und sich aufgeregt etwas zuriefen. Wie Gurronsevas wußte, hatten die erwachsenen Wemarer zwar den Fremdweltlern gegenüber die Ohren verschlossen, aber den eigenen Kindern nicht mehr zuzuhören, das konnten sie unmöglich tun.

Bis zum Einbruch der Dunkelheit würde sich die Nachricht von Creethars Rückkehr in der gesamten Mine herumgesprochen haben.

„Gut gemacht“, lobte Prilicla den Tralthaner, wobei er eine elegante Kurve flog, bis er mit dem Kopf wieder dem Schiff zugewandt war. „Aber jetzt müssen Sie Ihre Stimme noch ein ganzes Stück mehr strapazieren. Kehren wir zum Patienten zurück.“

Es war fast so, als wäre Creethar Gurronsevas’ Patient geworden. Man ließ die beiden immer für lange Zeit auf dem Unfalldeck allein, während sich das medizinische Team in den Unterkünften oder auf dem winzigen Deck mit den Speise- und Aufenthaltsräumen der Rhabwar aufhielt. Gurronsevas war bewußt, daß jedes einzelne Wort, das zwischen ihm und Creethar fiel, von Wiliamson auf der Tremaar aufgezeichnet wurde, doch die Kommentare oder die Kritik des Captains verschwieg man ihm, so daß er sich ohne Ablenkung mit dem Patienten unterhalten konnte.

Zu Creethar zu sprechen fiel ihm zwar nicht schwer, aber es war gar nicht so einfach, bei einem Thema zu bleiben, das den Wemarer nicht schnell dazu veranlaßte, nichts mehr zu entgegnen. Wie Prilicla berichtete, war Creethars häufiges Schweigen unweigerlich von einer starken emotionalen Anspannung begleitet, in der Angst, Wut und Verzweiflung vorherrschten. Und noch immer konnten Gurronsevas und der zuhörende Empath keinen Grund für diese Anfälle von Schweigsamkeit entdecken.

Über die Wemarer und ihren jahrhundertelangen Überlebenskampf auf einem Planeten zu sprechen, den man in ferner Vergangenheit durch die unkontrollierte Verschmutzung beinahe in den Untergang getrieben hatte, war ein ungefährliches, wenn auch nicht gerade angenehmes Thema. Gefährlich wurde es nur immer dann, wenn sich Gurronsevas und Creethar nicht über die Bedeutung des Fleischverzehrs für die erfolgreiche Fortpflanzung einig waren. In den alten Zeiten, schwärmte Creethar, als noch gewaltige Tierherden durch die Wiesen und Wälder gestreift seien, habe man noch in Hülle und Fülle über Fleisch verfügt. „Heutzutage sind diese Herden und die unzähligen Tiere des Dschungels zwar schon lange verschwunden“, fuhr der Wemarer fort, „doch dafür hat sich der Verzehr von Fleisch — auch das der winzigen und seltenen Stückchen, die man nach einer erfolglosen Jagd besitzt — zu einer Art nichtgeistlichen Religion entwickelt.“

In seiner Entgegnung darauf räumte Gurronsevas ein, daß die Jäger es verdient hätten, das Fleisch zu essen, da es ihnen erst nach langen Wanderungen und Mühen und unter großen Gefahren für Leib und Leben zur Beute werde. Doch die Gemüsebauern, die zu Hause bleiben müßten, würden unter geringeren Risiken mehr Nahrungsmittel erzeugen und nichts von der Achtung abbekommen, die man den Jägern entgegenbringe. So sehe es nach seiner Auffassung momentan auf Wemar aus, und genauso hätten die Dinge auch auf unzähligen anderen Planeten jahrhundertelang gestanden.

Von Prilicla souffliert erklärte Gurronsevas dem Anführer der Jäger, daß der Verzehr von Fleisch in der fernen Vergangenheit eher eine Frage der Verfügbarkeit, der Annehmlichkeit und der persönlichen Vorliebe gewesen sei als eine physiologische Notwendigkeit. Er hielt Creethar vor Augen, daß die ausschließlich von Gemüse lebenden Kinder und die ganz alten Wemarer im allgemeinen gesünder und besser ernährt seien als die Fleischesser, die sich wegen ihres Stolzes als Jäger oftmals unnötig krank hungern würden. Die Folge dieser Erklärungen war ein ärgerliches Schweigen von Creethar, das fast eine ganze Stunde lang anhielt.

Der Anführer der Jäger war immer noch nicht ganz davon überzeugt, daß Fleisch für die sexuelle Potenz keineswegs notwendig war, doch nachdem er einige Tage lang die von Gurronsevas zubereiteten Gemüsegerichte gegessen hatte, geriet seine Überzeugung — wie sich der Tralthaner sicher war — allmählich ins Wanken.

Essen war ein ziemlich ungefährliches Thema, besonders das Gespräch darüber, wie Gurronsevas seine neuesten einheimischen Gerichte zubereitete und anrichtete, doch sowie der Chefdiätist versuchte, das Thema zu wechseln, um über Creethars Jagdfreunde oder über Remrath oder die gute Arbeit zu sprechen, die die anzulernenden Jungköche in der Mine leisteten, verfiel der Wemarer in Schweigen. Einmal behauptete der Anführer der Jäger wütend, die Küche sei nicht der geeignete Ort für einen jungen Wemarer und Kochen keine angemessene Arbeit. Als Gurronsevas sich nach dem Grund erkundigte, warf ihm Creethar Dummheit und Mangel an Feingefühl vor.

Kurz bevor Gurronsevas aus der Mine geworfen worden war, hatte ihn Remrath der Gefühllosigkeit bezichtigt und ihm ebenfalls keine Erklärung dafür gegeben. Verwirrt und äußerst frustriert kehrte Gurronsevas wieder zum Thema Essen zurück.

Das war der eine Gesprächsgegenstand, den er mit vollkommenem Sachverstand erörtern konnte. Gurronsevas war imstande, über Gerichte in all den vielen verschiedenen Formen und Geschmacksrichtungen zu sprechen und zugleich über die seltsame und noch außergewöhnlichere Vielfalt an Lebewesen, die seine kulinarischen Schöpfungen serviert bekommen hatten. Das wiederum führte zwangsläufig zu einer Erörterung der Fremdweltler, ihrer Überzeugungen, Philosophien und gesellschaftlichen Bräuche, wobei Gurronsevas auch die persönlichen Vorlieben und Eßgewohnheiten der mehr als sechzig verschiedenen Spezies nicht ausklammerte, aus denen sich die Galaktische Föderation zusammensetzte.

Mit aller Kraft bemühte er sich, Creethar begreiflich zu machen, daß Wemar nur ein bewohnter Planet von vielen hundert war. Gleichzeitig hoffte er, daß sich unter den fremden intelligenten Spezies, die er beschrieb, eine befand, die den Wemarern von der Gesellschaft her so ähnlich war, daß der Anführer der Jäger emotional oder verbal auf eine Weise reagierte, durch die Prilicla oder er selbst einen Riß in die Mauer des Schweigens schlagen konnten.

Doch Creethars emotionale und verbale Reaktionen blieben unverändert.

„Ich spüre und teile Ihre Enttäuschung ebenfalls, Freund Gurronsevas“, meldete sich Prilicla. „Creethar verfolgt Ihre Erzählungen mit starkem Interesse und großer Neugier. Zudem nehme ich bei ihm ein noch stärkeres Gefühl der Dankbarkeit Ihnen gegenüber wahr, weil Sie ihn von einigen ernsthaften persönlichen Problemen ablenken. Doch seine Verzweiflung, Wut und Angst sind noch immer vorhanden und durch alles, was Sie gesagt haben, zwar verringert, aber nicht verändert worden.

Die stärkste Empfindung des Patienten ist im Moment die der Freundschaft mit Ihnen“, fuhr der Empath fort. „Sie sind sich dessen vielleicht gar nicht bewußt, aber Sie haben für ihn dasselbe Gefühl entwickelt, genauso, wie es Ihnen nach längerem Kontakt mit seinem Vater Remrath passiert ist. Doch jetzt spüre ich sowohl beim Patienten als auch bei Ihnen eine zunehmende Müdigkeit. Nach einer Pause ergibt sich vielleicht von selbst eine neue Herangehensweise an das Problem.“

„Creethar soll in weniger als sieben Stunden entlassen werden“, gab Gurronsevas zu bedenken. „Ich glaube, es ist übertrieben vorsichtig von uns gewesen, ihm seine bevorstehende Entlassung zu verheimlichen. Jetzt ist der Moment, um es ihm mitzuteilen. Wir haben nur wenig zu verlieren.“

In einem freundlich tadelnden Ton entgegnete Prilicla: „Ich kann Ihre Enttäuschung spüren und nachempfinden, mein Freund, aber jedes Mal, wenn Sie das Thema seiner Rückkehr zur Mine auch nur angedeutet haben, ist es bei Creethar zu einer ablehnenden Gefühlsreaktion gekommen, an die sich ein langes, verärgertes Schweigen angeschlossen hat. Wir haben sehr wohl viel zu verlieren.“