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Nur leicht humpelnd ging Creethar dicht an die Handkarren heran, wo er stehenblieb, um einen Blick in sie hineinzuwerfen. Durch den Krach, den die Menge veranstaltete, war es schwierig, klare Gedanken zu fassen, aber allmählich ging der Lärm vom unverständlichen Schreien und Kreischen in das Gewirr vieler verschiedener Gespräche über, die nur deshalb schreiend geführt wurden, weil alle schrien. Die Bewegung innerhalb der Menge war fast zum Erliegen gekommen, doch mit einem Auge erspähte Gurronsevas eine junge Erwachsene, die wie Donath aussah und im Mineneingang verschwand, um, wie Gurronsevas hoffte, Remrath zu holen. Mit den übrigen Augen beobachtete er, wie Creethar wieder von den Karren aufblickte und mit erhobenen Armen um Ruhe bat.

„Liebe Familienmitglieder, Freunde und Jagdgenossen“, sprach der Anführer der Jäger langsam und deutlich, nachdem endlich Ruhe eingekehrt war. „Was die Absicht und Fähigkeiten der Fremdweltler auf dem Schiff betrifft, ist euch ein schwerer Irrtum unterlaufen. Es handelt sich um denselben Irrtum, dem auch ich bis vor ein paar Stunden erlegen bin. Doch jetzt könnt ihr mit eigenen Augen sehen, daß ich keineswegs ein zerstückelter Haufen leblosen Fleisches bin, das man nur noch auf diese Karren laden und in die Küche schaffen kann. Ich bin lebendig und kräftig und gesund. Das liegt daran, daß unsere außerplanetarischen Freunde weder jetzt noch früher Bewahrer von Fleisch gewesen sind.

Sie sind Bewahrer des Lebens!“

Creethar machte eine Pause. Der Menge entrang sich ein Seufzen, das wie sanft durchs Gras streichender Wind klang, als alle Wemarer gleichzeitig vor Überraschung und Verwunderung Luft holten. Doch als Creethar fortfuhr und all das beschrieb, was ihm die Fremdweltler gesagt und für ihn getan hatten, kehrte sogleich wieder Ruhe ein. Nur ein einziges Mal hielt er inne, als plötzlich sein Vater und seine Lebensgefährtin im Mineneingang erschienen und sich durch die Menge nach vorne drängten. Doch Remrath gab seinem Sohn durch ein Zeichen zu verstehen weiterzusprechen, ging an ihm vorbei und blieb neben Gurronsevas stehen.

Mit einer Stimme, die nur der Tralthaner hören konnte, sagte er: „Wir haben Ihre Freunde auf dem Schiff — und nach allem, was Sie für uns getan haben — hauptsächlich Sie völlig falsch beurteilt. Ich habe allzu sehr wie ein ignoranter und rückständiger Wemarer gedacht, und das tut mir leid. Sie und Ihre Freunde sind in unserem Heim wieder willkommen.“

„Danke“, entgegnete Gurronsevas mit ebenso leiser Stimme. „Mir tut es ebenfalls sehr leid, daß ich so dumm und gefühllos gewesen bin und Ihnen nicht genauer zugehört habe. Das Ganze ist ein Mißverständnis gewesen.“

Ein Mißverständnis…

Bei der Erinnerung an einige der Dinge, die er Remrath gesagt hatte, zog sich Gurronsevas vor Scham und Verlegenheit innerlich alles zusammen. Damals hatte er es merkwürdig und irgendwie ganz niedlich gefunden, aber überhaupt nicht für wichtig gehalten, daß die Koch- und die Heilkunst von ein und derselben Person praktiziert und dieser Wemarer von seinem Volk auch als „Bewahrer“ bezeichnet wurde. Hätte er gründlich nachgedacht, wäre ihm klargeworden, daß eine Bevölkerung, in deren Augen der Verzehr der zunehmend selteneren Beutetiere zur einzigen langfristigen Hoffnung aufs Überleben geworden war, kein Fleisch, welcher Art auch immer, verkommen ließ. Die Anzeichen waren für ihn jedenfalls deutlich erkennbar gewesen. Und als er die Bezeichnung „Bewahrer“ in bezug auf das medizinische Team gebraucht hatte, weil er glaubte, „Arzt“ und „Bewahrer“ seien im Wemarischen gleichbedeutende Ausdrücke, hatte er überhaupt nicht nachgedacht.

Wäre Gurronsevas an Remraths Stelle gewesen und hätte ihm der Chefkoch angeboten, ihm in allen Einzelheiten zu erklären, was die außerplanetarischen Bewahrer — für deren Aufgabe man es hielt, infiziertes Gewebe zu entfernen und die eßbaren Körperteile für die Küche zu zerlegen und vorzubereiten wie Fachleute in einem Schlachthaus — mit seinem geliebten Sohn anstellten, dann hätte er vielleicht eher mit körperlicher Gewalt als mit zornigem Schweigen und dem Hinauswurf aus der Mine reagiert.

Die Wemarer waren in vielen Bereichen zu Rückschritten gezwungen worden, doch sie hatten sich die Intelligenz und eine zivilisierte Kultur bewahrt. Aus diesem Grund hatte es Prilicla für besser gehalten, den abgerissenen Kontakt zu den Wemarern durch den ehemaligen Patienten Creethar wiederaufzunehmen. Wie gewöhnlich hatten die Gefühle des Empathen nicht getrogen, und Creethar leistete jetzt hervorragende Arbeit.

„Die Fremdweltler sind hierhergekommen, um uns darüber aufzuklären, wie wir auf unserem kranken, aber sich langsam wieder erholenden Planeten ein besseres Leben führen können“, sagte Creethar gerade. „Doch sie tun nichts weiter, als uns Wissen zu vermitteln und Ratschläge zu geben. Sie haben uns erklärt, wie und weshalb unser Planet vor vielen Jahrhunderten krank geworden ist und wie wir ihn von dieser Krankheit heilen und vor einem Rückfall bewahren können.“

In dem Bewußtsein, daß den Wemarern schon vor langer Zeit die exakte wissenschaftliche Ausdrucksweise abhanden gekommen war, hatten Gurronsevas und Prilicla die Umweltkatastrophe, die über Wemar hereingebrochen war, in einfachen Worten erläutert, und Creethar folgte jetzt ihrem Beispiel. Mit Ausdrücken, die er und seine Zuhörer verstanden, beschrieb er die Zeit des Überflusses, die vor Jahrhunderten auf Wemar geherrscht hatte, und die furchtbare permanente Verschmutzung von Land, Meer und Luft sowie die Vergiftung der Tiere, die dort gelebt und das kurze goldene Zeitalter erst ermöglicht hatten. Er berichtete von den gewaltigen Mengen schädlicher Abgase, die damals in die Luft freigesetzt wurden und sich den Weg hoch in den Himmel bahnten, wo sie den riesigen Schutzschirm angriffen und zerstörten, der die schädlichen Bestandteile des Sonnenlichts von Wemar abhielt.

Nach und nach verschwanden aus den Ozeanen des Polargebiets und der gemäßigten Zone die kleinen und empfindlichsten Meeresbewohner, auf die die größeren Fische und letztendlich die Wemarer als Nahrung angewiesen waren. Auf dem Land versengte oder vernichtete das ungefilterte Sonnenlicht die Vegetation, die den kleinen und großen Pflanzenfressern als Nahrung diente, von denen sich wiederum die Raubtiere und schließlich die Wemarer ernährten. Da allen tierischen Lebensformen gleichzeitig der Hunger und eine Krankheit zusetzte, die durch das Tageslicht verursacht wurde und die Augen erblinden und ungeschützte Körperteile austrocknen und verfaulen ließ, starben sie zu Millionen. Der Planet verdorrte, und der bereits dezimierte Bestand an Lebensformen, die auf ihm lebten, schrumpfte mit jeder schwachen und kränklichen Generation, die geboren wurde, weiter.

Doch die Wemarer, die diese Katastrophe selbst über sich heraufbeschworen hatten, waren Widerstands- und anpassungsfähig, und das gleiche galt für ihren Planeten, auch wenn sie es zu der Zeit noch nicht wissen konnten. Die gesamte Planetenbevölkerung wurde krank, und die Technik, die ihnen ein Dach über den Kopf sicherte und sie mit Nahrung und haltbar gemachtem Fleisch versorgte, zerfiel ringsum in Schutt und Asche. Doch ein winziger Prozentsatz der Wemarer überlebte, weil man gelernt hatte, die eigenen Kinder und sich selbst vor den tödlichen, unsichtbaren Bestandteilen des einst freundlichen und zuträglichen Sonnenlichts zu schützen. Diejenigen, die übrigblieben, lernten wieder, wie die Vorfahren in Höhlen zu leben. Auf winzigen Flächen in geschützten Tälern bauten sie Feldfrüchte an und wanderten, jagten und fischten bei Nacht. Der Anbau von Gemüse und genießbarem Getreide außerhalb des direkten Sonnenlichts war keine beliebte Tätigkeit, weil man bis zur Ankunft des außerplanetarischen Meisters der Köche, Gurronsevas, felsenfest geglaubt hatte, die Kost eines gesunden und kräftigen erwachsenen Wemarers habe vorwiegend aus Fisch oder Fleisch zu bestehen.