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Immer diese verfluchten Spiegel!

Er trat in die Mitte der Bühne und lobte die Darbietung der Chinesin. Sie war zwar groß, aber der wuchtige Geschäftsmann überragte sie um Haupteslänge. Schlank, wie sie war, wirkte die junge Frau gegen ihn wie ein Kind. Artig bedankte sie sich für die Komplimente.

»Hast du einen Augenblick Zeit für mich, Susu?« fragte Black.

»Gewiß, Sir. Wir sind sowieso gerade fertig. Worum es geht Ihnen?«

Er warf einen Blick auf das Orchester unten im Graben und brummte halblaut:

»Nicht hier, Susu. Wir sollten besser unter vier Augen reden.«

»Dann Sie kommen mit in meine Garderobe«, schlug die Chinesin vor, deren helle Stimme beim Sprechen ebenso rein und lieblich klang wie beim Singen. Daß sie das Englische, wie viele der Chinesen, nicht perfekt beherrschte, erhöhte in den Augen des Geschäftsmannes nur ihren Charme.

Er ließ sie vorangehen und warf ein bewunderndes Auge auf die weiblichen Rundungen, die sich durch das kaftanartige Gewand abzeichneten. Bei der Vorstellung, wie der junge, unverbrauchte Körper ohne Kleidung aussehen mochte, trat ihm erneut Schweiß auf die Stirn. Reflexartig griff er zu dem spitzenbesetzten Taschentuch. Doch es war schon so feucht und klebrig, daß er es zurücksteckte und einen Jackenärmel benutzte, um die glitzernden Perlen abzuwischen.

Die Garderobe war geräumig und luxuriös, die Garderobe eines Stars. Auch wenn Susu Wang nur eine einfache Chinesin war, ohne jedwede Allüren, ihr Erfolg beim Publikum machte sie zum Star. Der Hai persönlich hatte angeordnet, daß sie die Garderobe hinter der Tür mit dem goldenen Stern erhalten sollte. Die Garderobe, in der sich schon berühmte Künstlerinnen wie Lola Montez und Lotta Crabtree umgezogen hatten.

Umgezogen!

Wieder dachte Black voller Begierde an die zarte Haut der jungen Chinesin. Weich und doch fest, wie ein frischer Pfirsich, mußte sie sein. Und wahrscheinlich hatte sie denselben bronzefarbenen Schimmer wie Susus Hände und ihr Gesicht, wenn es nicht geschminkt war.

Schon lange begehrte Black die Chinesin. Aber da sie ein Schützling des Hais war, hatte er bislang nicht gewagt, sich ihr zu nähern.

Vergeblich wartete er darauf, daß die Frau begann, sich abzuschminken und umzukleiden.

Er räusperte sich und sagte mit gleichwohl rauher, trockener Stimme:

»Du brauchst auf mich keine Rücksicht zu nehmen, Susu.«

Erst schien sie nicht zu verstehen, was er meinte. Dann aber lächelte sie und sagte:

»Oh, das nicht schlimm, Mr. Black, Sir. Ich jetzt habe Zeit. Was Sie möchten wissen?«

Enttäuscht fragte er:

»Weißt du, für wen du arbeitest, Susu?«

»Aber natürlich, Sir. Ich für Sie arbeite, Mr. Black.«

Sein breites, stets gerötetes Gesicht verzog sich zu einem Lächeln.

»Ja, das stimmt. Denkst du, daß du für mich allein arbeitest?«

Wieder drückte das schmale Gesicht mit den katzenhaften Augen Unverständnis aus.

»Hast du schon einmal davon gehört, daß ich seit einiger Zeit einen - ähem - Kompagnon habe?« wurde Black deutlicher.

Sie legte den Kopf in den Nacken und blickte an die verspiegelte Decke.

»Sie sprechen von dem geheimnisvollen Mister, der ganz oben wohnt, Sir?«

Überrascht reckte er den klobigen Kopf vor.

»Was weißt du davon, Susu?«

»Fast nichts, Mr. Black. Nur das, über das alle tuscheln, die arbeiten hier.«

»Und was ist das?«

»Daß dort oben Mann wohnen, der ist sehr mächtig. Einige sagen, er Ihr Teilhaber ist.« Sie legte den Kopf schief und blickte Black fragend an. »Das sein also richtig?«

»Ja, so etwas in der Art«, knurrte der Mann und fragte sich, ob der Hai ahnte, wie löchrig seine Tarnung geworden war. »Du weißt, daß mein - nennen wir ihn ruhig Kompagnon - und ich viele wichtige Geschäfte machen? Geschäfte, bei denen es um viel, um sehr viel Geld geht!«

Susu Wang nickte ernst.

»Yes, Mr. Black, ich weiß.«

»Du weißt auch, daß vieles davon geheim ist?«

Die Chinesin nickte erneut.

»Leider gibt es jemanden hier im Golden Crown, der unsere Geheimnisse verrät.«

Black blickte die junge Frau forschend an, war gespannt auf ihre Reaktion. Doch es kam nur der Satz:

»Das sicher ist sehr schlimm für Sie und den anderen Mister.«

»Ja, das ist es wirklich«, seufzte Black. »Weißt du, wer unsere Geheimnisse verrät? Oder hast du wenigstens eine Ahnung, Susu?«

Sie schüttelte den schönen, ebenmäßigen Kopf.

»Nein, Sir, ich nicht weiß davon. Warum Sie denken das?«

»Weil du eine Chinesin bist.«

Wieder hing sein Blick an ihrem Gesicht, jede Reaktion genau beobachtend. Doch er fand in den schönen Zügen nichts außer Verwirrung und Ratlosigkeit.

»Ich nicht verstehe Ihre Worte ganz richtig, Mr. Black. Warum ich als Chinesin soll mehr wissen als andere Menschen?«

»Weil ich vermute, daß der Verräter ein Chinese ist.«

»Oh!« tat sie mit gespitzten Lippen ihre Überraschung kund.

Black hätte die karmesinroten Lippen am liebsten geküßt. Er hielt sich zurück und sagte:

»Mein Kompagnon und ich möchten natürlich gern herausfinden, wer unsere Geschäftspläne verrät. Würdest du dich für uns ein wenig umhören und uns alles mitteilen, was dir auffällig erscheint?«

Susu nickte eifrig.

»Gewiß, Mr. Black. Ich sehr gern helfe Ihnen und dem anderen Mister. Ich sehr dankbar bin für die große Chance, die Sie mir gegeben haben.«

»Wirklich?«

Der Geschäftsmann knurrte es und klang dabei wie ein Raubtier auf Beutesuche.

Er trat vor und legte seine großen Pranken auf die schmalen Schultern der Chinesin. Als er die Wärme ihres Körpers spürte und von ihrem schweren, betörenden Parfüm umhüllt wurde, erfaßte wieder ein Schauer seinen massigen Körper. Aber diesmal war es anders als das unheimliche Gefühl, das ihn auf der Treppe überfallen hatte. Es war ein wohliger Schauer, voller Verlangen und Vorfreude.

»Ich bin sehr glücklich, daß du mir so dankbar bist, Susu. Du darfst mir deine Dankbarkeit jetzt beweisen!«

Der Ausdruck in den Katzenaugen der Chinesin wechselte rasch, von Erkenntnis zu Erschrecken und Widerwillen. Sie löste sich von Black und ging zurück, bis sie die Garder oben wand in ihrem Rücken spürte. Dort stand sie, eingeklemmt zwischen einer vergoldeten Wandlampe und der vergilbten Daguerrotypie einer korpulenten Künstlerin, die mit falschem Bart und vorgeblich orientalischem Kostüm einen Araber darzustellen versuchte.

Black folgte der Chinesin. Sein Atem ging schwer und rasselnd. Seine Augen glänzten seltsam. Wieder perlte der Schweiß auf seiner Stirn. Diesmal machte er sich nicht die Mühe, ihn abzuwischen. Sobald die Tropfen groß und schwer genug waren, rannen sie an seinen geröteten Wagen hinunter, verfingen sich im Gestrüpp des Backenbarts oder befleckten seinen Kragen.

Er trat so nah an Susu Wang heran, bis sein Körper den ihren hart gegen die Wand preßte. Der enge Kontakt erregte ihn noch mehr, ließ ihn alles andere vergessen oder zumindest belanglos erscheinen. Auch die Tatsache, daß die Chinesin ein Schützling des Hais war.

Außerdem - niemand konnte sehen, was hier geschah. Außer ihren Bildern im großen Garderobenspiegel natürlich, aber die würden gewiß nichts verraten.

Sollte Susu sich hinterher beschweren, würde Black einfach alles leugnen. Was galt schon das Wort einer Chinesin?

»Bitte, nicht, Mr. Black!«

Die Stimme der Chinesin zitterte ebenso wie ihr Körper. Sie machte sich so dünn wie möglich, doch es nutzte nichts. Der massige, schwitzende Mann preßte sich immer enger an sie. Es tat ihr weh.

»Was ist denn?« grunzte er unwillig. »Hast du nicht selbst gesagt, daß du mir dankbar bist? Also hab dich nicht so!«