»Schade,« sagte der Hausherr, »denn er ist ein stilles und bescheidenes Kind … «
»Ein unerzogener Bengel, wie ich sehe,« entgegnete Julian Mastakowitsch, seinen Mund hysterisch verziehend. »Geh weg, Junge! Was stehst du da? Geh doch zu deinen Freunden!« sagte er, sich wieder an den Knaben wendend.
Er konnte sich offenbar nicht mehr beherrschen und schielte mit einem Auge auf mich. Auch ich konnte mich nicht beherrschen und lachte ihm gerade ins Gesicht. Julian Mastakowitsch wandte sich sofort wieder weg und fragte den Hausherrn so demonstrativ, daß ich es merken mußte, wer dieser sonderbare junge Mann sei? Sie begannen beide zu flüstern und verließen das Zimmer. Ich sah noch, wie Julian Mastakowitsch, den Erklärungen des Hausherrn zuhörend, mißtrauisch den Kopf schüttelte.
Als ich genug gelacht hatte, kehrte ich in den Saal zurück. Der große Mann stand, von Vätern und Müttern umgeben, da und sprach mit großer Begeisterung auf eine Dame ein, zu der man ihn eben herangeführt hatte. Die Dame hielt das Mädchen an der Hand, mit dem Julian Mastakowitsch soeben den Auftritt im Salon gehabt hatte. Jetzt erging er sich in begeisterten Lobsprüchen auf die Schönheit, die Talente, Grazie und Wohlerzogenheit des schönen Kindes. Er machte der Mutter ganz offenbar den Hof. Die Mutter hörte ihm zu, vor Entzücken beinahe weinend. Der Mund des Vaters lächelte. Der Hausherr freute sich über die allseitigen Freudenergüsse. Selbst alle Gäste nahmen ihren Anteil daran, und sogar die Kinder mußten ihre Spiele abbrechen, um das Gespräch nicht zu stören. Die ganze Luft war von Ehrfurcht erfüllt. Ich hörte später, wie die bis ins Innerste ihrer Seele gerührte Mutter des interessanten Mädchens Julian Mastakowitsch in gewählten Ausdrücken bat, ihr die besondere Ehre zu erweisen und ihr Haus mit seinem Besuch zu beehren; ich hörte, mit welch echtem Entzücken Julian Mastakowitsch die Einladung annahm, und wie nachher alle Gäste, nachdem sie sich, wie es der Anstand gebot, nach verschiedenen Seiten zerstreut hatten, ein Loblied anstimmten auf den Branntweinpächter, auf seine Gemahlin, auf das Töchterchen und ganz besonders auf Julian Mastakowitsch.
»Ist dieser Herr verheiratet?« fragte ich ziemlich laut einen meiner Bekannten, der Julian Mastakowitsch am nächsten stand.
Julian Mastakowitsch warf mir einen prüfenden, bösen Blick zu.
»Nein!« gab mir mein Bekannter zur Antwort. Er war über meine absichtliche Taktlosigkeit bis in die Tiefe seines Wesens gekränkt.
Neulich ging ich an der x-Kirche vorbei. Die große Menschenansammlung vor dem Kirchenportal fiel mir auf. Alle sprachen von einer Hochzeit. Der Tag war trüb, und da es gerade etwas zu regnen anfing, drängte ich mich mit der Menge in die Kirche hinein. Hier sah ich den Bräutigam. Es war ein kleines, sattes, rundliches Männchen mit ziemlichem Embonpoint und sehr geputzt. Er lief geschäftig hin und her und traf die letzten Vorbereitungen. Bald begann man zu flüstern, daß die Braut soeben angekommen sei. Ich drängte mich vor und erblickte eine wunderbare Schönheit, mit allen Reizen des ersten Lenzes geschmückt. Doch die Schöne war blaß und traurig. Sie blickte zerstreut um sich, und es schien mir sogar, daß ihre Augen von Tränen gerötet seien. Die antike Strenge ihrer Gesichtszüge verlieh ihrer Schönheit etwas Ernstes und Majestätisches. Doch durch diese Strenge und Feierlichkeit, durch diese Traurigkeit hindurch leuchtete noch die ganze Unschuld ihrer frühen Jugend. Aus ihrem ganzen Wesen sprach etwas unsagbar Naives, Weiches, Kindliches, das ohne Worte um Gnade zu flehen schien.
Man sagte, sie sei erst kaum sechzehn Jahr alt. Ich sah mir den Bräutigam noch einmal aufmerksam an und erkannte in ihm Julian Mastakowitsch, den ich seit fünf Jahren nicht gesehen hatte. Dann sah ich wieder auf die Braut … Mein Gott! Ich bemühte mich, die Kirche so schnell als möglich zu verlassen. Im Publikum sprach man davon, daß die Braut sehr reich sei, daß sie eine Mitgift von fünfmalhunderttausend Rubeln in bar besitze … und dazu noch eine Aussteuer im Werte von so und so viel …
»Die Rechnung hat also gestimmt!« sagte ich mir, auf die Straße tretend.