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Er hielt inne und beugte sich über Ann Heath. Ann Heath war wieder wach und beobachtete ihn mit ihrem linken Auge. Billy sagte: »Leiden Sie?« Und sie antwortete mit ihrer tonlosen, rauen Stimme: »Ja.« Billy fragte: »Wären Sie lieber lebendig oder tot?« Und als sie antwortete: »Tot!«, tat er bei ihr das Gleiche wie bei Piper und Hallowell. Aber er schaute dabei weg, damit er nicht mit ansehen musste, wie der Glaskeil mit der neuen Wunde verschmolz, die er ihr zufügte.

Die kardiovaskuläre Maschine streikte, als das Blutvolumen rapide absackte. Billy schaltete die Maschine aus, ehe er ging.

Er erinnerte sich an diesen kahlen Raum, während er bei Lawrence Millstein saß.

Billy erinnerte sich seit Kurzem an eine ganze Menge. Manchmal strömten die Erinnerungen einfach aus ihm heraus wie ein Fluss aus einer mysteriösen Quelle. Vielleicht wurde er alt. Vielleicht ließ irgendein Defekt in der Rüstung — oder in ihm selbst — diese Erinnerungsschübe zu. Er war eigentlich nie ein besonders guter Soldat gewesen. Er war das, was die Infanterieärzte ein »anomales Subjekt« nannten, anfällig für unberechenbare chemische Reaktionen und ungewöhnliche neurale Vorgänge. Die meisten Soldaten liebten ihre Rüstung, und das tat auch Billy, aber er liebte sie, wie ein Süchtiger seine Sucht liebt: innig und voller Bitterkeit.

Er zwang Lawrence Millstein, die Adresse des Apartments preiszugeben, in dem sein Opfer — Tom Winter — wohnte. Er erwog, direkt dorthin zu gehen, doch die Sonne war mittlerweile aufgegangen, und die morgendlichen Straßen waren strahlend hell. Er sah aus Lawrence Millsteins Hoffenster auf eiserne Feuerleitern und über einen engen Hinterhof hinweg, in dem ein ausrangierter Fernseher glänzte wie eine Flasche, die das Meer angespült hatte. Billy trug seine vollständige Rüstung, und es wäre schwierig, bei Tageslicht hinauszugehen, ohne aufzufallen.

Aber hier war er in Sicherheit… wenigstens für eine Weile.

Lawrence Millstein hatte Toilettenpapier um seinen Fingerstumpf gewickelt. Er saß auf einem Stuhl und starrte Billy an. Er hatte Billy nicht aus den Augen gelassen, seit er die Schlafzimmerlampe angeknipst hatte. »Es wird ein heißer Tag«, sagte Billy und beobachtete, wie Millstein beim Klang seiner Stimme zusammenzuckte. »Ein richtiger Glutofen.«

Millstein gab darauf keine Antwort.

»Dort, wo ich herkomme, ist es richtig heiß«, sagte Billy. »Wir haben Sommer, dagegen ist dies hier wie Weihnachten. Allerdings nicht so feucht.«

Mit einer Stimme, die unangenehmerweise ähnlich klang wie die von Ann Heath, fragte Lawrence Millstein: »Woher kommen Sie denn?«

»Aus Ohio«, antwortete Billy.

»So was wie Sie gibt es in Ohio nicht«, sagte Millstein.

»Da haben Sie recht.« Billy lächelte. »Ich lebe im Wind. Ich bin noch nicht einmal geboren.«

Lawrence Millstein, der ein Dichter war, schien diese Aussage zu akzeptieren.

Eine Stunde verstrich, in der Billy seine Alternativen überdachte. Schließlich sagte er: »Kennen Sie seine Nummer?«

Millstein war müde und hatte nicht auf seinen Bewacher geachtet. »Wie bitte?«

»Seine Telefonnummer. Tom Winter.«

Millstein zögerte.

»Belügen Sie mich nicht schon wieder«, warnte Billy.

»Ja. Ich kann ihn anrufen.«

»Dann tun Sie das«, sagte Billy.

Millstein wiederholte. »Wie bitte?«

»Rufen Sie ihn an. Er soll hierherkommen. Er war schon mal hier. Sagen Sie ihm, Sie müssten mit ihm reden.«

»Weshalb?«

»Damit ich ihn töten kann«, sagte Billy ungehalten.

»Sie verdammter Kerl«, sagte Millstein. »Ich kann ihn doch nicht in seinen Tod locken.«

»Dann überlegen Sie sich die Alternative«, schlug Billy ihm vor.

Millstein dachte nach und schien vor Billys Augen zu schrumpfen. Er presste die verletzte Hand gegen seine Brust und schaukelte vor und zurück, vor und zurück.

»Nehmen Sie den Hörer«, sagte Billy.

Millstein gehorchte und drückte den Hörer gegen seine Schulter, während er die Nummer wählte. Billy registrierte die Nummer, indem er dem Rattern der Wählscheibe lauschte, und prägte sie sich ein. Er war ein wenig überrascht, dass Millstein tatsächlich seinen Befehl ausführte. Er hatte auf eine Chance von fünfzig zu fünfzig getippt, dass Millstein sich weigern würde und dass Billy ihn töten müsste. Millstein hielt den Hörer an sein Ohr und atmete abgehackt. Er hatte dabei die Augen halb geschlossen. Dann legte er den Hörer mit einer triumphierenden Geste auf. »Es ist niemand zu Hause!«

»Na schön«, sagte Billy. »Wir versuchen es später noch mal.«

Billys Vorhersage erwies sich als richtig. Der Tag wurde lang und heiß. Er öffnete das winzige Fenster, doch die Luft, die hereindrang, war klebrig und stank nach Benzin. Billys Rüstung kühlte ihn, aber Lawrence Millstein wurde bleich und begann zu schwitzen. Der Schweiß rann in glänzenden Bächen über sein Gesicht, und Billy riet ihm, er solle etwas Wasser trinken, ehe er bewusstlos würde.

Die Sonne ging spät unter, und Billy wurde allmählich ungeduldig. Er spürte den Druck der Rüstung. Wenn er nicht bald irgendetwas tat, musste er die Energie drosseln. Wenn er zu lange auf den Beinen war, dann wurde er gereizt, nervös und ein wenig unsicher. Er betrachtete Lawrence Millstein und runzelte die Stirn.

Millstein hatte sich den ganzen Tag über nicht von seinem Stuhl wegbewegt. Er saß aufrecht neben dem Telefon, und jedes Mal, wenn er in Tom Winters Apartment anrief, stellte Billy sich Lawrence Millstein als Ann Heath vor, wobei die Glasscherbe mit jeder Nummer, die er wählte, etwas tiefer in die Wunde eindrang. Millstein war ziemlich fertig.

Billy dachte darüber nach.

»Lebt Tom Winter allein?«, fragte er.

Millstein sah ihn mit einem gequälten Ausdruck an, an den er sich mittlerweile gewöhnt hatte.

»Nein«, antwortete Millstein leise.

»Lebt er mit einer Frau zusammen?«

»Ja.«

»Wissen Sie, wo die sein könnte?«

Die Stille dehnte sich aus.