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»Ich kann Sie überall hinbringen. Aber ja, ich glaube, das wäre das Klügste, was man jetzt tun kann.«

»Wegen dieses sogenannten Eindringlings.«

»Er weiß über Sie Bescheid und hat offensichtlich vor, Sie zu töten.«

Es war eine hypothetische Bedrohung. Tom war ungehalten. »Der Tunnel war intakt, als ich in das Haus an der Post Road zog. Er hätte hereinkommen und mich im Schlaf umbringen können, wenn er wirklich existiert… falls er noch am Leben ist. Damals schwebte ich in Gefahr, und jetzt tue ich das auch, also wo ist der Unterschied? Solange er mich nicht finden kann…«

»Aber er kann Sie finden! Mein Gott, Tom, er hat Sie sogar beinahe gefunden… heute!«

»Meinen Sie, er war es, der Lawrence getötet hat?« Tom war von dieser Vorstellung tief betroffen.

»Es wäre der reine Selbstmord, daran zu zweifeln«, sagte Archer.

»Es ist doch nur eine Vermutung…«

»Es ist eine Tatsache, Tom. Er war dort. Er war ganz in der Nähe, als ich Sie fand. Noch weitere fünf, zehn Minuten, die Straße hätte sich geleert, Sie wären in irgendeine Gasse abgebogen, und er hätte Sie erwischt.«

»Das können Sie nicht mit Sicherheit sagen.«

»Nun, das ist es ja gerade. Ich kann es.«

Tom ließ sich nicht anmerken, dass er besorgt war.

»Es ist ganz einfach«, fuhr Archer fort. »Dieser Kerl hat drei Stationen im Zeitgefüge vernichtet, und jede war mit Maschinenkäfern besetzt, die bereit waren, diese um jeden Preis zu verteidigen. Er hat die kybernetischen Helfer mit einer elektromagnetischen Impulswaffe ausgeschaltet. Seine Rüstung hielt dem Impuls stand, die Maschinenkäfer aber nicht. Kaum ein kybernetischer Helfer hat das überlebt — es sei denn, sie wurden auch von seiner Rüstung geschützt.«

»Wie war das denn möglich?«

»Sie befanden sich in der Luft, die er einatmete. Winzig kleine Exemplare, nicht größer als Viren — kennen Sie die?«

»Die kenne ich«, gab Tom zu. »Aber wenn sie sich in ihm aufhalten, warum können sie ihn dann nicht stoppen?«

»Sie sind wie Drohnen ohne Zentrale. Sie sind versprengt und bekommen keinerlei Instruktionen. Aber sie senden auf schmaler Bandbreite kleine Mengen an Daten. Es ist eine Art Peilsignal. Ich kann es auffangen.«

»Sie können es?«

Archer drehte den Kopf zur Seite und zeigte einen kleinen Knopf in einem Ohr, der einem Hörgerät für Schwerhörige glich. »Ben hat dieses Ding von einigen kybernetischen Helfern für mich bauen lassen. Ich kann ihn orten, wenn er sich im Umkreis von acht- bis neunhundert Meilen aufhält. Sie übrigens auch.«

»Sie sind auch in mir?«

»Vollkommen freundlich. Machen Sie sich nicht in die Hose, Tom. Vielleicht haben sie Ihnen das Leben gerettet. Ich bin drei Tage lang in Manhattan herumgekurvt, vom Battery Park bis hinauf nach Washington Heights in der vagen Hoffnung, dass ich auf irgendetwas stoße.« Er legte den Kopf schief. »Sie klingen wie ein Telefon. Ein Rufzeichen. Der Eindringling klingt eher wie ein Zahnarztbohrer.«

»Sie sagen also, dass er in Larry Millsteins Apartmenthaus war.«

»Deshalb hatte ich es doch so eilig, von dort zu verschwinden.«

»Er muss gewusst haben, dass ich dorthin ging.«

»Ich nehme es an. Aber…«

»Nein«, unterbrach Tom ihn. »Lassen Sie mich mal nachdenken.«

Es war schwierig, überhaupt zu denken. Falls Archer recht hatte, war er nur wenige Meter von dem Mann entfernt gewesen, der ihn ermorden wollte. Der Millstein tatsächlich ermordet hatte. Und wenn der Eindringling auf ihn gewartet hatte, dann musste Millstein dem Eindringling geholfen haben.

Sie waren zu dem Haus geeilt, weil Millstein Joyce bei Mario’s angerufen hatte.

Der Eindringling wusste über Mario’s Bescheid. Der Eindringling kannte auch Tom. Vielleicht kannte er sogar seine Adresse. Ganz sicher wusste der Eindringling über Joyce Bescheid.

Die in Begleitung eines Polizisten weggefahren war. Die vielleicht gerade jetzt nach Hause zurückkehrte. Wo der Eindringling unter Umständen auf sie wartete.

Tom verschüttete seinen Kaffee, als er aufsprang.

Archer versuchte ihn zu beruhigen. »Sie tun wahrscheinlich nichts anderes, als sie so lange auszufragen, wie sie bereit ist, stillzusitzen und mitzuspielen. Sicherlich macht sie gerade vor irgendeinem verschlafenen Cop eine Aussage, während wir hier herumdiskutieren. Ihr kann bestimmt nichts passieren.«

Tom hoffte es. Aber wie lange wäre sie bereit, Fragen zu beantworten? Durchaus möglich, dass sie selbst auch einige Fragen auf der Zunge hatte.

Er konnte seine Erinnerung an den Hausflur vor Lawrence Millsteins Wohnungstür nicht verdrängen. All das Blut.

»Fahren Sie mich nach Hause«, bat er Archer. »Wir warten dort auf sie.«

Archer hob die Augenbrauen bei dem Wort »nach Hause«, aber er suchte in der Tasche nach den Autoschlüsseln.

Sie fuhren durch die engen Straßen der Lower East Side. Die Stadt wirkte verlassen, dachte Tom, das Straßenpflaster und die Ladenfronten glänzten vom Regen, und aus den Gullyöffnungen stieg Dampf auf. »Dort ist es«, sagte er, und Archer fuhr vor dem Haus an den Bordstein.

Der Regen trommelte laut auf das Dach des alten Wagens.

Tom streckte die Hand nach dem Türgriff aus. Archer hielt ihn fest.

»Ist er etwa in der Nähe?«, fragte Tom.

»Ich glaube nicht. Aber er kann hinter der nächsten Ecke lauern, einen halben Block entfernt. Hören Sie, was geschieht, wenn sie nicht zu Hause ist?«

»Dann warten wir auf sie.«

»Wie lange?«

Tom zuckte die Achseln.

»Und wenn sie dort ist?«

»Dann nehmen wir sie mit.«

»Was? Zurück nach Belltower?«

»Dort ist sie in Sicherheit… jedenfalls sicherer als hier.«

»Tom, ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist.«

Er öffnete die Tür. »Ich habe keine bessere.«

Er drückte auf den Klingelknopf.

Niemand öffnete. Dann stieg er die Treppe hinauf — diese alten schmutzigen Stufen, die unter seinen Füßen protestierten.

Es musste gegen vier Uhr morgens sein, schätzte Tom. Das Licht der Glühbirne über dem Absatz war fahl und unangenehm.

Er öffnete die Tür und wusste sofort, dass die Wohnung leer war.

Er knipste die Beleuchtung an. Joyce war nicht zu Hause, und er vermutete — hoffte inständig —, dass sie auch noch nicht dagewesen war. Nichts hatte sich seit dem Morgen verändert. Zwei Kaffeetassen standen auf dem Küchentisch mit eingetrockneten braunen Resten. Er ging ins Schlafzimmer. Das Bett war noch nicht gemacht. Der Regen trommelte gegen das Fenster, ein einsames Geräusch.

Die Zeitung vom Vortag lag aufgeschlagen auf der Armlehne des Sofas, und Tom betrachtete sie mit einem Anflug von Sehnsucht. Wenn er nur einen Tag zurückgehen könnte, dann könnte er alles ändern, Joyce in Sicherheit bringen, vielleicht sogar Lawrence Millstein das Leben retten — er wüsste ja, was passieren würde.

Aber der Gedanke war absurd. Hatte er das nicht längst bewiesen? Mein Gott, da stand er, im Besitz von fast dreißig Jahren Vorausschau, und er konnte noch nicht einmal sich selbst helfen. Es war alles ein Traum gewesen. Ein Traum von etwas, das »die Vergangenheit« genannt wird, eine Fiktion, sie existierte nicht. Nichts war vorhersagbar, nichts lief zweimal auf die gleiche Weise ab, jegliche Sicherheit löste sich bei näherem Hinsehen auf.

Die Geschichte war ein Ort, an dem Dramen auf einer Geisterbühne aufgeführt wurden, so wie Joyces alter Freund sich den D-Day vorgestellt hatte. Aber das stimmte nicht, dachte Tom. Dies war Geschichte: eine Adresse, eine Wohnung, eine Stadt, in der Menschen wohnten. Geschichte war dieses Zimmer. Nicht sinnbildlich, kaum etwas Besonderes, nur dieser leere Raum, den er zu lieben gelernt hatte.