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Sie ist keine Welt neben der Welt, dachte Tom.

Kein Eden und kein Utopia, sondern nur das, was du berühren kannst, und die Berührung selbst.

Er ergriff ihre Hand. Sie blickte über die Kiefern und über die Stadt hinweg zum Meer. »Ich kann nicht hierbleiben«, sagte sie. »Ich muss zurückkehren.«

»Ich weiß nicht, ob ich mit dir gehen kann.«

»Ich weiß nicht, ob ich möchte, dass du das tust.«

Sie stand auf. Sie ist wunderschön, mit dem Licht der Nachmittagssonne auf den Haaren, dachte Tom.

»Hey«, sagte sie. »Sieh mich nicht so an. Ich bin es nur. Ein verrücktes Huhn aus Minneapolis. Nichts Besonderes.«

Er schüttelte den Kopf und blieb stumm.

»Ich war ein Gespenst für dich«, sagte sie. »Das Gespenst einer Idee davon, wie das Leben war oder wie es sein könnte. Aber das bin ich nicht. Doch das ist schon okay. Vielleicht warst auch du ein Gespenst. Ein Gespenst von etwas, das ich in der Stadt zu finden hoffte. Jemand Geheimnisvolles, Weises, vielleicht auch Wildes. Nun, die Umstände sind sehr seltsam. Aber da sind wir nun, Joyce und Tom, zwei ziemlich durchschnittliche Menschen.«

»Überhaupt nicht so durchschnittlich.«

»Wir kennen uns kaum.«

»Das kann sich ändern.«

»Ich weiß nicht«, sagte Joyce. »Ich bin mir nicht sicher.«

Diese letzten Stunden — ehe der Eindringling angriff oder die Zeitmaschine repariert war, was immer zuerst eintrat — waren eine Art Altweibersommer.

Archer fuhr zum Burger King am Highway und holte etwas zum Abendessen. Sie picknickten auf dem Rasen im späten Sonnenschein. Der Alarm würde ertönen, sagte Ben, falls irgendetwas im Haus passierte.

Ben, der kein zubereitetes Essen zu sich nahm, war eine onkelhafte Erscheinung am Rand des Festes. Er humpelte des Öfteren hinüber zum Holzzaun, wo er einen rechteckigen Streifen Land mit einer Schnur abgesteckt hatte. Es war schon zu spät im Jahr, um noch einen Garten anzulegen, sagte er, aber dort sei die Stelle, wo einer sein müsste. Tom überlegte, fragte aber nicht nach, ob er die Absicht hatte, im kommenden Jahr damit anzufangen, oder ob er das von jemand anderem erwartete.

Nach Einbruch der Dunkelheit ging Archer mit Tom hinunter in den Keller — jedenfalls in das, was vom Keller noch übrig war. Die Wand vor dem Tunnel war vollständig entfernt worden, ebenso eine der Fundamentmauern. Zum Vorschein gekommen war etwas, das aussah wie eine komplizierte Maschinerie, weißliche und bläuliche Kristalle, auf denen es von kybernetischen Helfern wimmelte. Das war das Herz dieser Zeitreisestation, und die Maschineninsekten, so nahm er an, reparierten es gerade. Immer wieder stieben Funken hoch.

»Wir veranstalten ein Wettrennen«, sagte Archer. »Je länger dieser Hurensohn sich in Manhattan nicht rührt, desto eher gelingt es uns, ihn total auszusperren.«

»Wie lange dauert es noch, bis alles fertig ist?«

»Bald, sagt Ben. Vielleicht morgen um diese Zeit. Da…« Er öffnete eine Schublade unter der Werkbank. Es war Toms Werkbank, die er aus Seattle mitgenommen hatte. »Ben sagte, Sie sollten eine von denen an sich nehmen.«

Archer reichte ihm eine Strahlenpistole.

Kein Zweifel, dachte Tom, das war wirklich eine Strahlenwaffe. Sie wog etwa ein Pfund, war aus rotem und schwarzem Polystyrolplastik hergestellt, und auf der Seitenfläche stand die Inschrift SPACE SOLDIER.

Er betrachtete die Waffe, dann schaute er Archer an.

»Wir mussten sie aus irgendetwas herstellen«, sagte Archer. »Ich hab ein paar von den Dingern im K-mart in der Pinetree Mall mitgenommen. Die Maschinenkäfer haben sie ein wenig umgebaut.«

Der Abzugsbügel schien aus Stahl zu bestehen, und auf der Laufmündung steckte eine gläserne Verlängerung, die fein geformt war und nicht zur restlichen Waffe passte. »Wollen Sie mir weismachen, dass sie funktioniert?«

»Sie gibt einen gebündelten Impuls ab, der möglicherweise die Rüstung unseres Freundes ein wenig bremst, vielleicht aber auch nicht. Benutzen Sie sie, aber verlassen Sie sich nicht darauf. Wir alle haben eine.«

»Mein Gott, Doug. SPACE SOLDIER?«

Archer grinste. »Das sieht doch total cool aus, meinen Sie nicht?«

Wieder oben im Haus, während die Sonne im Ozean versank, schaltete Catherine die Wohnzimmerbeleuchtung ein.

Tom half Archer dabei, das Geschirr im Garten einzusammeln. Der Himmel zeigte ein tiefes abendliches Blau. Die Sterne waren herausgekommen, und die Grillen zirpten.

Archer zögerte einen Moment in der sich abkühlenden Luft.

»Alles wird völlig anders sein, wenn das hier vorbei ist«, sagte er. »Plötzlich sind wir nicht mehr im Spiel. Dann sind wir Zuschauer. Aber wir haben etwas Seltenes getan, nicht wahr, Tom? Wir haben einen langen Ausflug in die Vergangenheit unternommen. Stellen Sie sich das mal vor. Ich stand in diesen Straßen von 1962, mein Gott. Damals war ich ein kleiner Junge in der Pine-Balm-Pre-School! Hey, Tom, wissen Sie, was wir taten? Wir gingen einfach zu Vater Zeit und traten dem armseligen Hurensohn mitten in seinen Familienschmuck.«

Tom öffnete die Fliegentür und kehrte in die Wärme der Küche zurück. »Hoffen wir nur, dass er sich nicht auf gleiche Weise revanchiert.«

Archer und Catherine teilten sich eine Matratze im Gästezimmer. Ben verbrachte die Nacht im Keller — er schlief nur dort, falls er überhaupt ein Auge zumachte.

Joyce hatte zwei Nächte auf dem Sofa im Wohnzimmer verbracht. Sie kam in dieser Nacht in Toms Bett — mit, wie er meinte, einer Mischung aus Dankbarkeit und Zweifel.

Als er sich zu ihr umdrehte und sie ansah, wandte sie sich nicht ab.

Es war eine warme Nacht im Sommer 1989. Der Himmel war über dem größten Teil des Kontinents wolkenlos, das Meer ruhig. Die Welt schien auf irgendetwas zu warten, dachte Tom. Auf nichts Bestimmtes, sondern auf Möglichkeiten, gleichermaßen unheilvolle wie auch heitere. Ihre Haut war weich, und sie erwiderte seinen Kuss mit einem Eifer, der sowohl eine Begrüßung wie auch ein Lebewohl sein konnte.

Mitternacht verstrich in der Dunkelheit.

Sie schliefen, als die Alarmsignale ertönten.

18

Amos Shank, einundachtzig Jahre alt, der von Pittsburgh hierhergezogen war, um seine Gedichte zu veröffentlichen, und der fünfzehn Jahre lang inmitten fleckigen Gipsputzes und sich ablösender Tapeten in diesem schäbigen Apartment gewohnt hatte, stand mitten in der Nacht aus seinem Bett auf, immer noch in Träume von Zeus und Napoleon eingesponnen, um seine Blase zu entleeren.

Er ging zur Toilette, vorbei an seinem Schreibtisch, an Stapeln Papier, gespitzten Bleistiften, in Leder gebundenen Büchern und durch den Lichtkreis von zwei Sechzig-Watt-Stehlampen, die er ständig brennen ließ. Das Plätschern des Wassers in der Porzellanschüssel klang hohl und gespenstisch. Es war der Weckruf der Sterblichkeit. Seufzend zog Arnos seine Boxershorts hoch und kehrte zum Bett zurück, das sich aus einem Sofa herausklappen ließ. Am Fenster blieb er stehen.

Einmal hatte er draußen auf der Straße den Tod gesehen. Eine plötzliche Ahnung überfiel ihn, er würde, wenn er hinausschaute, die Erscheinung erneut sehen. Er hatte tatsächlich mehrere Nächte lang Wache gehalten — hatte sich völlig sinnlos um seinen Schlaf gebracht. Er fühlte sich hin und her gerissen: vergessen oder schauen.

Er zog die Lamellen der Jalousie ein wenig auseinander und blickte hinaus auf die Straße.

Sie war leer.

Amos Shank zog den Schreibtischsessel ans Fenster und setzte sich.

Je älter er wurde, desto mehr Knochen schienen aus seinem Körper herauszuragen. Alles war ungemütlich. Nirgendwo konnte man bequem sitzen. Er stieß pfeifend schale Nachtluft aus, legte den Kopf auf die Fensterbank, wo er mit den Händen ein Kissen geformt hatte.