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Ohne es zu wollen, schlief er wieder ein…

Und erwachte unter Schmerzen. Er stöhnte und schaute auf die Straße hinunter, wo — vielleicht — das Geräusch von Schritten ihn geweckt hatte: Denn er war wieder da, der Tod.

Ein Irrtum war ausgeschlossen.

Arnos spürte, wie sein Herzschlag sich beschleunigte.

Der Tod ging in einem schmutzig grauen Mantel über den menschenleeren Gehsteig. Er blieb stehen und lächelte Arnos an.

Er lächelte durch seine lederne Maske und die Kapuze seines Sweatshirts.

Dann tat der Tod etwas Erstaunliches. Er begann sich auszuziehen.

Er streifte den Mantel ab und ließ ihn wie eine nutzlos gewordene Haut in die Gosse fallen. Er zog das NYU-Sweatshirt über den Kopf und warf es weg. Er stieg aus seiner Hose.

Unter den Sachen glänzte der Tod goldfarben.

Der Tod leuchtete im Licht der Straßenbeleuchtung.

»Ich kenne dich!«, sagte Arnos Shank. Er war sich nur vage bewusst, dass er laut gesprochen hatte. »Ich kenne dich!«

Er hatte das Bild gesehen. In welchem alten Buch?

Die Kriege des Altertums. Am Hof des Sonnenkönigs. Die Feldzüge Napoleons. Irgendein alter Soldat in strahlender Rüstung auf einer billigen Lithographie.

»Agamemnon«, hauchte Amos Shank.

Agamemnon, der Tod, der Soldat, maskiert und gepanzert, betrat das Gebäude immer noch lächelnd.

Schamerfüllt überprüfte Amos Shank das Schloss seiner Tür, löschte das Licht zum ersten Mal seit einem Monat und verkroch sich unter der Decke seines Bettes.

19

Billy betrat den Tunnel in einer Rüstung, die mit voller Leistung arbeitete. Die meisten seiner Ängste ließ er in diesem Augenblick hinter sich. Er hatte zu lange in Angst gelebt. Er war vor Dingen davongelaufen, denen er nicht entrinnen konnte. Dieser Besuch aus der Zukunft war eine Strafe, dachte Billy, für ein Leben im Exil.

Nachdem er Lawrence Millstein getötet hatte und nach einem fehlgeschlagenen Versuch, sein legitimes Opfer zur Strecke zu bringen, hatte Billy sich für zwei Tage in seine Wohnung zurückgezogen. Er hatte den Energiefluss gedrosselt, hatte seine Rüstung versteckt und war in die Schatten abgetaucht. Zwei Tage waren genug gewesen. Er fühlte sich nicht sicher. Es gab keine Sicherheit, keine Anonymität mehr… und die Not war quälend und intensiv.

Daher holte er die Rüstung aus ihrer Kiste und trug sie mit all ihren Waffen und Zusatzgeräten hierher, zum Ursprung seiner Probleme, zu dieser unbewachten Grenze zur Zukunft.

In die sein Opfer sich zurückgezogen hatte — er erkannte es an dem Gewirr von Fußabdrücken im Schutt.

Hier nehmen wir die Abrechnung in Angriff, dachte Billy. Hier ist der Beginn oder das Ende von irgendetwas.

Er schritt über eingestürztes Mauerwerk ins helle und aus dem Nichts kommende Licht der Zeitmaschine.

Die Angst hatte ihn jahrelang von dem Tunnel ferngehalten, die Angst vor dem, was er dort gesehen hatte.

Er hatte eine lebhafte Erinnerung an die Erscheinung. Sie war riesengroß und leuchtend gewesen. Sie hatte sich sehr langsam bewegt, aber Billy spürte ihre Fähigkeit, Tempo zu entwickeln. Sie erschien körperlos, immateriell, aber Billy spürte ihre Kraft, ihre Macht. Er war ihr um Haaresbreite entkommen und hatte dabei den Eindruck gewonnen, dass sie ihm die Flucht gestattet hatte. Er war von etwas bewertet und übergangen worden, das so mächtig und unwiderstehlich war wie die Zeit selbst.

Nun — erfüllt von der Tapferkeit seiner Rüstung und unter dem Einfluss des Mutes, der von der künstlichen Drüse im Deckflügel in seinen Körper gepumpt wurde — lebte diese Furcht in vollem Umfang wieder auf.

Billy setzte trotzdem seinen Weg fort. Der Korridor war leer. Hier, mittendrin, beide Ausgänge außer Sicht, fühlte er sich gefangen in reiner Geometrie, in einer Krümmung ohne bedeutungsvolle Dimension.

Jenseits dieser Wände, dachte Billy, tanzten die Jahre dahin wie welkes Laub in einem Herbststurm. Alter verschlang Jugend, Wirbelsäulen krümmten sich, Augen wurden trübe, Särge sanken in die Erde. Kriege jagten vorbei, so kurz und heftig wie schwere Gewitter. Hier war Billy vor all dem geschützt.

War es nicht das, was er sich immer gewünscht hatte?

Schutz. Einen Weg nach Hause.

Aber das waren sprunghafte, verräterische Gedanken. Billy unterdrückte sie und eilte weiter.

Die kybernetischen Helfer waren als feiner Staub aus Polymeren und Metall und langen, zerbrechlichen Molekülen in den Tunnel gelangt. Sie begannen sofort, in Billy einzudringen.

Billy spürte nichts davon. Billy atmete nur. Die Nanomechanismen, so klein wie Viren, wurden durch das feuchte Gewebe seiner Lungen vom Blutkreislauf absorbiert. Während ihre Zahl rapide zunahm, verrichteten sie ihr Werk.

Für die kybernetischen Helfer war Billy ein unendlich weites und verwinkeltes Territorium, ein eigener Kontinent. Zuerst traten sie isoliert auf, nur ein paar Pioniere, die das gefährliche Hinterland entlang der Blutströme kolonisierten. Sie entzifferten die chemische Sprache von Billys Hormonen und reagierten darauf mit eigenen, schwachen chemischen Botschaften. Sie überquerten die heikle Barriere zwischen Blut und Gehirn. Sie versammelten sich in zunehmender Zahl an der Kontaktfläche von Fleisch und Rüstung.

Billy inhalierte tausend Maschinen mit jedem Atemzug.

Der Ausgang tauchte nun vor ihm auf, ein offener Durchgang in das Jahr 1989.

Billy eilte darauf zu. Er spürte bereits, dass irgendetwas nicht in Ordnung war.

20

Tom sprang aus dem Bett, sobald er das erste Alarmsignal vernommen hatte. Joyce erreichte die Tür noch vor ihm.

Die Maschinenkäfer hatten diese Alarmgeräte aus drei Rauchdetektoren zusammengebaut, die Doug im Eisenwarenladen erstanden hatte. Die Signale waren schrill und durchdringend. Tom und Joyce hatten in Erwartung der Signale in ihren Kleidern geschlafen, aber als der Alarm tatsächlich losschrillte, erschien ihnen das völlig unwirklich. Tom hörte auf, nach seiner Uhr zu suchen, und versuchte sich daran zu erinnern, was Ben ihm für diesen Fall erklärt hatte: Wenn der Alarm losgeht; dann nehmen Sie Ihre Waffe und begeben sich schnellstens zur Grenze des Anwesens. Aber er musste nur Joyce folgen, die an der Tür stand und ihm ungeduldig zuwinkte.

Sie liefen durch das dunkle Wohnzimmer, durch die Küche und hinaus in eine grelle Lichtflut. Fünfzehn Natriumdampf-Sicherheitsleuchten — ebenfalls aus dem Home-Hardware-Eisenwarenladen — waren im Garten installiert worden.

Außerhalb der Reichweite dieser Leuchten, in den Büschen und im hohen Gras am Waldrand, kauerte er zusammen mit Joyce — und mit Doug und Catherine, die noch schneller das Haus verlassen hatten als sie.

Die Alarmsignale brachen abrupt ab. Grillen nahmen nach und nach im Dunkel des Waldes wieder ihr Lied auf. Tom spürte, wie sein Puls raste.

Das Haus war inmitten der als Silhouetten erkennbaren Kiefern und unter einem üppigen Sternenhimmel grell erleuchtet.

Ein nächtlicher Wind strich durch die Kiefernspitzen und ließ sie schwanken. Tom spielte mit den Zehen im feuchten Bett aus Kiefernnadeln. Er war mit nackten Füßen hinausgelaufen.

Er sah sich suchend um. »Wo ist Ben?«

»Im Haus«, sagte Archer. »Hören Sie, wir sollten uns ein wenig verteilen… damit wir eine größere Fläche sichern können.«

Archer spielte Space Soldier. Aber es war kein Spiel. »Das ist es, nicht wahr?«

Archer lachte nervös zu ihm herüber. »Das große Finale.«

Tom wandte sich gerade noch rechtzeitig zum Haus um, sodass er sehen konnte, wie die Fenster explodierten.