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Wie schlimm waren die Verbrennungen? Ersten Grades? Dritten Grades? Er sah an sich herab. Unter dem zu Asche gewordenen Hemd entdeckte er eine Insel versengter und geschwärzter Haut. Er schloss die Augen und entschied, er würde sich die Wunde nicht mehr ansehen, denn der Anblick des mit Blasen übersäten Fleisches war zu beängstigend und in keiner Weise sinnvoll.

Er fühlte sich jetzt wie betrunken, leicht benommen.

Er stützte sich auf seinen unversehrten Arm und hielt Ausschau nach dem Eindringling. Auch der war gestürzt. Toms Schuss hatte ihn zwar verfehlt, aber diese plötzliche Begegnung hatte ihn aufgehalten. Deshalb bin ich doch hier, entsann Tom sich. Um ihn aufzuhalten, damit die Maschinenkäfer in seinem Innern ihre Arbeit vollenden können. Vielleicht war er schon längst tot.

Es war eine schwache Hoffnung, die sofort erstickt wurde.

Der Eindringling stand erneut auf.

In diesem Akt lag etwas Heldenhaftes, dachte Tom. Es war eine taumelnde, gequälte Bewegung, die auf Fehlfunktion, auf demontierte Getriebe, überhitzte Maschinen, zerbeultes Blech schließen ließ. Der Eindringling stand auf und bewegte den Kopf, als ob seine Brille beschlagen wäre, eine suchende und vogelähnliche Bewegung. Dann riss er sich den Helm herunter und schaute zu Tom herüber.

Tom konnte im schwachen Licht nicht viel von seinen Gesichtszügen erkennen, aber es schien ihm, als sei diese Offenbarung eines menschlichen Gesichts noch schlimmer, als es die Maske gewesen war. Was war das für ein Ausdruck? Etwas wie Verzweiflung, dachte Tom. Er verspürte den seltsamen Drang, um eine Auszeit zu bitten. Ich bin verletzt. Du bist verletzt. Belassen wir es dabei.

Aber der Eindringling zielte, leicht zitternd, mit der tödlichen rechten Hand.

Oh Scheiße, dachte Tom. Was ist mit meiner Pistole passiert?

Er hatte sie auf der Straße liegen lassen.

Ein unzulänglicher Klumpen Plastik. Sie hatte ihm sowieso nicht viel genützt. Sie lag meterweit entfernt. Es hätten ebenso gut mehrere Kilometer sein können.

Der Eindringling zielte, schoss aber nicht, sondern lief in einem humpelnden, jedoch stetigen Trab über Toms bekieste Auffahrt. Wenn ich mich jetzt rühre, dachte Tom, dann bringt er mich um. Wenn ich versuche, meine Waffe zu holen oder mich in den Graben zu rollen, erschießt er mich. Und wenn ich hierbleibe — dann tötet er mich auch.

Er hatte schon so gut wie endgültig den Entschluss gefasst, trotz allem seine Waffe zu bergen, wobei er auf den Überraschungseffekt und darauf hoffte, dass das Wirken der kybernetischen Helfer ihm vielleicht eine Chance gegen die tödliche rechte Hand einräumte — als das Wunder geschah.

Das Wunder kündigte sich durch Licht an.

Das Licht zauberte seltsame, breite Schatten auf die Kiefern, und die Schatten wiegten sich und schwankten wie etwas Riesengroßes und Lebendiges. Dann hörte er das Brummen des Motors, das Geräusch eines Automobils, das vom Highway die Post Road herunterkam. Dabei tasteten die Scheinwerferstrahlen die sanft geschwungene Kurve südlich des Simmons-Hauses ab.

Der Wagen fuhr schnell.

Tom wandte sich ebenso zu ihm um wie der Eindringling. Die Scheinwerfer waren blendend hell. Tom nutzte die Gelegenheit, um sich nach links in den Graben neben der Straße zu werfen. Er hob den Kopf über den Rand und sah, wie der Eindringling in seine Richtung humpelte, während der Wagen zuerst auszuweichen schien… Dann schlingerten Reifen kreischend über Asphalt, der Wagen beschrieb einen Bogen, und der Eindringling stand gebannt im grellen Schein der Wagenscheinwerfer wie ein Bruchstück aus einem Traum, regungslos, bis der Aufprall ihn wie einen fremdartigen Vogel in die Luft schleuderte.

Normalerweise hätte die Rüstung Billy vor den Folgen der Kollision bewahrt — zumindest zum großen Teil. Vielleicht hatte sie ihn auch tatsächlich beschützt. Der Zusammenstoß hatte ihn nicht getötet. Nicht ganz.

Aber er war zerbrochen. Innerlich zerbrochen. Die Rüstung war zerbrochen und der Körper.

Blut sickerte an den aufgeplatzten Scharnieren aus seiner Rüstung. Die Drüse im Deckflügel war zerquetscht worden, der letzte Rest des Stimulans strömte nutzlos aus. Billy war nur noch Billy.

Trotzdem erhob er sich.

Und er spürte dabei, wie sich die Rippen in seiner Brust verschoben.

Er wandte sich zum Haus um. Er ignorierte Tom Winter, ignorierte das Rotieren des nächtlichen Sternenhimmels und versuchte auch, seine Schmerzen zu ignorieren. Er konnte sich kein anderes Ziel denken als den Tunnel, den er verwechselt hatte mit Flucht oder Heimkehr.

Er lief durch die offene Haustür, dieses helle rechteckige Lichtfeld. Diese Tür, hinter der eine Tür lag, die wiederum eine Tür in der Zeit darstellte. Das war alles, was er sich jemals gewünscht hatte, eine Auflösung seines Lebens, einen Weg nach Hause. Er stellte es sich als Straße vor, malte es sich im Geiste mit plötzlicher Klarheit aus. Eine staubige Straße, die sich in trockene, weit entfernte Berge unter einem klaren blauen Himmel schlängelt.

Sanktuarium. Eine Tür zu seiner eigenen Zerstörung.

Billy schälte die zerbrochenen Reste seiner Rüstung von seinem Körper und betrat das Haus.

Entgegen aller Vernunft und Berechnung holte Tom seine Waffe und folgte dem Eindringling ins Haus.

Konfrontiert mit der Aufforderung, seine Handlungsweise zu rechtfertigen, hätte er vielleicht geantwortet, der Eindringling hätte noch immer die Möglichkeit gehabt zu fliehen, durch den Tunnel nach Manhattan zu verschwinden, sich zu erholen und seine Rüstung zu reparieren. Die Vorstellung, dass die Ereignisse, die er soeben miterlebt hatte, nicht das Ende sein könnten, war ein zu schmerzvoller Gedanke. Daher erhob er sich und folgte dem Eindringling, trotz der erdrückenden Schmerzen seines eigenen verbrannten Fleisches, ins Haus. Doug Archer und Joyce und Catherine kamen um die Hausecke, als er gerade zur Tür ging. Sie riefen ihm zu, er solle stehen bleiben, aber er hörte kaum ihre Stimmen. Sie verstanden ihn nicht. Sie hatten den Höhepunkt versäumt.

Das Haus war voll grauen, unangenehmen Rauchs, doch die kybernetischen Helfer hatten alle Brände gelöscht. Ben Collier lag blutend und starr auf den Treppenstufen. Tom nahm diese Tatsache zur Kenntnis, schob sie jedoch beiseite. Das war etwas, womit man sich später beschäftigen musste.

Ihm war schwindelig, als er die Treppe hinuntereilte. Er hatte Schmerzen, aber diese Schmerzen gehörten irgendwie nicht zu ihm. Er machte sich Sorgen wegen eines möglichen Schocks. Wahrscheinlich stand er sogar unter Schock. Was immer das bedeutete oder später bedeuten könnte. Im Augenblick war es gleichgültig. Er zwang sich weiterzugehen.

Er stieß nach einigen Metern im Tunnel auf den Eindringling.

Der Eindringling war an der kahlen weißen Wandung zusammengebrochen — wahrscheinlich zum letzten Mal, dachte Tom. Er war ohne Rüstung, waffenlos, nackt, verwundet. Tom spürte, wie seine eigenen Finger sich öffneten, hörte das Klappern seiner Waffe, als sie zu Boden fiel. Der Eindringling schaute nicht auf.

Tom streckte eine Hand aus, um sich abzustützen, aber die Wand war zu glatt. Er verlor das Gleichgewicht und setzte sich unsanft hin.

Jetzt sitzen wir beide hier unten, dachte Tom.

Er befand sich am Rand der Bewusstlosigkeit. Die Schmerzen waren sehr schlimm. Er schenkte seiner linken Seite einen weiteren kurzen Blick. Seine Benommenheit verlieh ihm ein wenig Objektivität. Versengtes Fleisch, dachte er. Er hatte seinen Körper noch nie zuvor als »Fleisch« betrachtet. Gegrillte Rippchen. Es reizte ihn zum Lachen, aber er hatte Angst vor dem Lärm, den sein Gelächter in diesem leeren Tunnel erzeugen konnte.