Выбрать главу

»Äh, die Band hat inzwischen ihren Namen geändert – sie heißt jetzt ›Midnight Burrito‹«, erklärte Jordan.

Verärgert warf Maia ihm einen Blick zu, woraufhin Jordan noch tiefer in den Polstern des Sofas versank. Simon fragte sich, worüber sich die beiden wohl unterhalten hatten, bevor er nach Hause gekommen war. »Hast du mit irgendjemand anderem aus deiner Familie geredet?«, erkundigte Maia sich besorgt. Ihre bernsteinfarbenen Augen waren voller Anteilnahme.

Simon wusste, dass er sich kindisch verhielt, aber irgendetwas an der Art und Weise, wie sie ihn anschaute, gefiel ihm nicht. Es kam ihm so vor, als würde das Problem durch ihre Sorge erst real werden, wohingegen er sonst so tun konnte, als wäre überhaupt nichts passiert. »Ja, hab ich«, sagte er. »Mit meiner Familie ist alles in Ordnung.«

»Wirklich?«, hakte Jordan nach. »Du hast nämlich dein Handy hier vergessen. Und deine Schwester hat etwa alle fünf Minuten angerufen. Den ganzen Tag über. Gestern auch.«

Ein eisiges Gefühl breitete sich in Simons Magen aus. Er nahm das Telefon von Jordan entgegen und schaute auf das Display: siebzehn Anrufe in Abwesenheit, alle von Rebecca. »Mist«, murmelte er. »Das hatte ich eigentlich vermeiden wollen.«

»Na ja, sie ist deine Schwester«, sagte Maia. »War doch klar, dass sie dich irgendwann anrufen würde.«

»Ich weiß, aber ich hab versucht, sie da rauszuhalten – hab ihr Nachrichten aufs Band gesprochen, wenn ich wusste, dass sie nicht da war und so. Ich… ich schätze, ich wollte wohl vor dem Unvermeidlichen davonlaufen.«

»Und was jetzt?«

Simon legte das Handy auf die Fensterbank. »Ihr weiterhin aus dem Weg gehen?«

»Nein, mach das nicht«, sagte Jordan und nahm die Hände aus den Taschen. »Du solltest mit deiner Schwester reden.«

»Und was genau soll ich ihr sagen?« Simons Ton klang schärfer, als er beabsichtigt hatte.

»Deine Mutter hat ihr bestimmt irgendetwas erzählt«, erwiderte Jordan. »Sie macht sich wahrscheinlich Sorgen.«

Simon schüttelte den Kopf. »Sie kommt in ein paar Wochen sowieso zu Thanksgiving nach Hause. Bis dahin will ich sie nicht mit reinziehen, in das, was zwischen mir und meiner Mutter läuft.«

»Aber sie hängt da schon mit drin. Sie ist Teil deiner Familie«, entgegnete Maia. »Außerdem: Das, was mit deiner Mutter los ist, gehört jetzt zu deinem Leben.«

»In dem Fall will ich Rebecca lieber ganz aus meinem Leben raushalten.« Simon wusste, dass er unvernünftig reagierte, konnte aber nichts dagegen machen. Seine Schwester war… besonders. Anders. Ein Teil seines Lebens, der bis jetzt von all diesem Irrsinn unberührt geblieben war. Möglicherweise der einzige Teil.

Genervt riss Maia die Hände hoch und wandte sich an Jordan: »Sag doch auch mal was! Schließlich bist du doch sein Praetor-Beistand.«

»Ach, kommt schon«, protestierte Simon, bevor Jordan den Mund aufmachen konnte. »Hat einer von euch beiden vielleicht noch Kontakt zu seinen Eltern? Oder anderen Familienmitgliedern?«

Maia und Jordan tauschten rasch einen Blick und dann meinte Jordan gedehnt: »Nein, aber wir hatten auch vorher schon keine gute Beziehung zu ihnen…«

»Womit dann alles gesagt wäre«, erwiderte Simon. »Wir sind alle Waisen. Waisen im Sturm.«

»Du kannst deine Schwester nicht einfach ignorieren«, beharrte Maia.

»Und ob ich das kann.«

»Und was ist, wenn Rebecca heimkommt und euer Haus aussieht wie das Filmset von Der Exorzist? Und deine Mom nicht erklären kann, wo du steckst?« Jordan beugte sich vor, die Hände auf die Knie gestützt. »Dann wird deine Schwester die Polizei rufen und deine Mutter wird in einer Nervenklinik landen.«

»Ich glaub einfach nicht, dass ich schon dazu bereit bin, ihre Stimme zu hören«, widersprach Simon, obwohl er wusste, dass er die Diskussion verloren hatte. »Auf jeden Fall muss ich jetzt dringend weg, aber ich verspreche, ihr eine SMS zu schicken.«

»Okay«, sagte Jordan, schaute dabei jedoch nicht Simon, sondern Maia an, als hoffte er, sie würde seine Fortschritte mit Simon bemerken und wohlwollend nicken.

Simon fragte sich, ob Jordan und Maia sich während der vergangenen zwei Wochen, in denen er kaum in der Wohnung gewesen war, überhaupt gesehen hatten. Aber wenn er an die angespannte Stimmung dachte, die bei seiner Rückkehr im Wohnzimmer geherrscht hatte, tippte er auf Nein; allerdings konnte man sich bei den beiden nie sicher sein.

»Das ist doch schon mal ein Anfang«, fügte Jordan hinzu.

Der goldfarbene Aufzug setzte sich ratternd in Bewegung und hielt im zweiten Geschoss des Instituts. Clary holte tief Luft und betrat den Flur. Genau wie Alec und Isabelle ihr versichert hatten, war das Gebäude still und menschenleer. Von draußen drang nur das leise Rauschen des Verkehrs auf der York Avenue an ihr Ohr. Clary stellte sich vor, sie könnte hören, wie die im Sonnenlicht tanzenden Staubpartikel gegeneinanderprallten. Entlang der Wand befand sich eine Reihe Kleiderhaken, an denen die Bewohner des Instituts bei ihrer Rückkehr ihre Mäntel aufhängen konnten. Eine von Jace’ schwarzen Jacken hing noch immer dort, die Ärmel baumelten gespenstisch leer herab.

Clary schauderte und machte sich dann auf den Weg zur Bibliothek. Dabei erinnerte sie sich, wie Jace sie zum ersten Mal durch diese Gänge geführt und ihr mit unbekümmerter Stimme von den Schattenjägern und von Idris erzählt hatte, einer Welt, von deren Existenz sie nicht einmal geahnt hatte. Während er redete, hatte sie ihn heimlich beobachtet – zumindest hatte sie das damals gedacht, aber heute wusste sie, dass Jace nichts entging. Sie hatte das Licht gesehen, das von seinen hellen Haaren reflektierte, die schnellen Bewegungen seiner schlanken Hände, das Spiel seiner Muskeln, während er mit den Armen gestikulierte.

Ohne auf einen anderen Nephilim zu treffen, erreichte sie schließlich die Bibliothek und stieß die Tür auf. Dieser Raum jagte ihr immer noch einen Schauer über den Rücken; daran hatte sich seit ihrem ersten Besuch nichts geändert. Der kreisförmige, innerhalb eines Turms errichtete Saal besaß eine Empore, die sich direkt oberhalb der hohen Bücherregale an der Wand entlangzog. In der Raummitte stand der massive Schreibtisch, den Clary noch immer mit Hodge in Verbindung brachte: eine gewaltige Tischplatte – aus einem Eichenholzblock geschnitzt –, die auf den Rücken zweier kniender Engel ruhte. Fast erwartete Clary, dass Hodge sich dahinter erhob, seinen scharfäugigen Raben Hugo auf der linken Schulter.

Rasch schüttelte sie die Erinnerungen daran ab und lief zur Wendeltreppe am hinteren Ende des Raums. Sie trug Jeans und Turnschuhe mit Gummisohlen und auf ihren Fußknöcheln prangte eine Unhörbarkeitsrune; die Stille war fast unheimlich, während sie die Stufen hinaufsprang und die Empore betrat. Auch hier standen Bücher, allerdings hinter Glas verschlossen. Einige der Wälzer waren uralt, mit ausgefransten Einbänden und Rücken, die nur noch von wenigen Fäden zusammengehalten wurden. Bei anderen handelte es sich eindeutig um Werke Schwarzer oder gefährlicher Magie: Von unaussprechlichen Kulten, Des Dämons Pocken, Ein praktischer Ratgeber zur Auferweckung der Toten.

Zwischen den abgeschlossenen Bücherschränken standen Schaukästen, in denen Exemplare seltener und außergewöhnlicher Objekte ausgestellt waren – ein zierlicher Glasflakon mit einem riesigen Smaragd als Stöpsel; eine Krone mit einem Diamanten, die nicht so aussah, als würde sie jemals auf einen menschlichen Kopf passen; ein Anhänger in der Gestalt eines Engels, dessen Schwingen aus Zahnrädern und Metallteilen gefertigt waren. Und in der letzten Vitrine, genau wie Isabelle es beschrieben hatte, lagen zwei glänzende Goldringe, geformt wie aufgerollte Blätter und mit überaus filigranen Verzierungen.

Natürlich war auch dieser Schaukasten verschlossen, aber eine Entriegelungsrune – die Clary mit äußerster Vorsicht auftrug, damit deren Kraft nicht den Glasdeckel sprengte und unerwünschte Besucher anlockte – ließ das Schloss aufspringen. Behutsam öffnete Clary die Vitrine. Doch erst in dem Moment, in dem sie ihre Stele wieder in die Tasche schob, zögerte sie.