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»Wenn ich mich geirrt habe, dann tut es mir leid«, fuhr sie fort. »Es gibt nichts, womit ich es wiedergutmachen könnte. Aber ich wollte, dass du es weißt… dass es mir wirklich leidtut.« Erneut verstummte Clary und dieses Mal dehnte sich die Stille zwischen ihnen weiter und weiter aus – wie ein Faden, der immer stärker gestrafft wurde. »Jetzt darfst du ruhig etwas sagen«, platzte sie schließlich heraus. »Ehrlich gesagt wäre das echt toll.«

Jace musterte sie ungläubig. »Damit ich das richtig verstehe…«, setzte er an. »Du bist hierhergekommen, um dich bei mir zu entschuldigen?«

Betroffen starrte Clary ihn an. »Natürlich.«

»Clary«, sagte er betont langsam, »du hast mir das Leben gerettet.«

»Ich hab dich niedergestochen. Mit einem riesigen Schwert. Du bist in Flammen aufgegangen.«

Jace’ Lippen zuckten kaum merklich. »Okay«, räumte er ein. »Dann unterscheiden sich unsere Probleme möglicherweise von denen anderer Paare.« Er hob eine Hand, als wollte er ihr Gesicht berühren, ließ sie aber rasch wieder sinken. »Ich hab dich gehört«, meinte er sanft. »Als du mir gesagt hast, dass ich nicht tot sei. Und mich aufgefordert hast, die Augen zu öffnen.«

Schweigend schauten sie einander an; der Moment dauerte wahrscheinlich nur Sekunden, doch er kam Clary wie eine Ewigkeit vor. Es tat so gut, Jace auf diese Weise zu sehen – wieder vollständig er selbst. Dabei vergaß sie fast ihre Sorge, dieses Gespräch könnte in den nächsten Minuten eine schreckliche Wendung nehmen.

Endlich räusperte Jace sich und fragte: »Was glaubst du eigentlich, warum ich mich in dich verliebt habe?«

Diese Bemerkung war das Letzte, womit Clary gerechnet hätte. »Ich… das ist nicht fair, so was zu fragen.«

»Ich finde die Frage total fair«, entgegnete er. »Meinst du, ich würde dich nicht kennen, Clary? Das Mädchen, das in ein Hotel voller Vampire gestiefelt ist, um ihren besten Freund da rauszuholen? Das Mädchen, das ein Portal erschaffen und sich nach Idris teleportiert hat, weil sie die Vorstellung hasste, vom Geschehen ausgeschlossen zu werden?«

»Deswegen hast du mich doch angebrüllt…«

»Ich hab mich selbst angebrüllt«, erwiderte Jace. »In vielerlei Hinsicht sind wir uns schrecklich ähnlich. Wir sind unbesonnen. Wir denken nicht nach, bevor wir handeln. Und wir tun alles für die Menschen, die wir lieben. Mir war nie bewusst, wie Furcht einflößend das für diejenigen gewesen ist, die mich lieben – bis ich es dann bei dir erlebt habe. Und es hat mir eine Heidenangst eingejagt. Wie sollte ich dich beschützen, wenn du dich nicht beschützen lässt?« Er beugte sich vor. »Das ist übrigens eine rein rhetorische Frage.«

»Prima, denn ich brauche keinen Schutz.«

»Ich wusste, dass du das sagen würdest. Aber die Sache ist die: Manchmal brauchst du Schutz. Und manchmal brauche ich Schutz. Wir sind dazu bestimmt, uns gegenseitig zu beschützen, aber nicht vor allem und jedem. Nicht vor der Wahrheit. Denn darum geht es letztendlich – jemanden zu lieben und ihn so zu akzeptieren, wie er ist.«

Clary blickte auf ihre Hände. Sie sehnte sich so danach, sie auszustrecken und Jace zu berühren. Es kam ihr fast vor, als würde sie jemanden im Gefängnis besuchen, wo man sich deutlich und aus unmittelbarer Nähe sehen konnte, aber durch eine bruchsichere Glasscheibe voneinander getrennt war.

»Ich habe mich in dich verliebt, weil du einer der tapfersten Menschen bist, denen ich je begegnet bin«, erklärte Jace. »Also wie sollte ich von dir verlangen, nicht länger tapfer zu sein, nur weil ich dich liebe?« Er fuhr sich mit den Händen durch die Haare, bis sie wild in alle Richtungen standen und es Clary in den Fingern juckte, sie wieder glatt zu streichen. »Du hast nach mir gesucht und mich gerettet, als die meisten anderen längst das Handtuch geworfen hatten. Selbst diejenigen, die noch nicht aufgegeben hatten, wussten nicht mehr weiter. Glaubst du wirklich, mir ist nicht klar, was du auf dich genommen hast?« Seine Augen nahmen einen dunkleren Ton an. »Wie kommst du bloß auf die Idee, ich könnte auch nur eine Sekunde wütend auf dich sein?«

»Schön und gut, aber warum wolltest du mich dann nicht sehen?«

»Weil…« Jace holte tief Luft. »Okay, gute Frage. Aber es gibt da etwas, das du nicht weißt. Das Schwert, das du benutzt hast… das Raziel Simon gegeben hat…«

»Glorious«, warf Clary ein. »Das Flammenschwert des Erzengels Michael. Es wurde zerstört.«

»Nicht zerstört – vom Himmlischen Feuer verzehrt. Und es ist dorthin zurückgekehrt, wo es herkam.« Jace lächelte matt. »Andernfalls hätte unser Engel echten Erklärungsnotstand gehabt, sobald Michael herausgefunden hätte, dass sein Kumpel Raziel einem Haufen leichtsinniger Menschen sein Lieblingsschwert ausgeliehen hatte. Aber darum geht es gar nicht. Dieses Schwert… die Art und Weise, wie es gebrannt hat… das war kein herkömmliches Feuer.«

»Das hab ich mir schon gedacht.« Clary wünschte, Jace würde die Arme ausstrecken und sie an sich ziehen. Aber da er Wert auf den Abstand zwischen ihnen zu legen schien, rührte sie sich nicht von der Stelle. Dabei bereitete es ihr fast körperliche Schmerzen, ihm so nahe zu sein und ihn nicht berühren zu können.

»Ich wünschte, du hättest nicht diesen Pullover angezogen«, murmelte Jace im nächsten Moment.

»Wie bitte?« Clary schaute an sich herab. »Ich dachte, du magst ihn.«

»Tu ich auch«, erwiderte er, schüttelte dann den Kopf und meinte: »Ach, nicht so wichtig. Na jedenfalls, dieses Feuer… das war Himmlisches Feuer. Der brennende Dornbusch, Feuer und Schwefel, die Feuersäule, die den Kindern Israel den Weg leuchtete – von diesem Feuer reden wir hier. ›Denn ein Feuer ist angegangen durch meinen Zorn und wird brennen bis in die unterste Hölle und wird verzehren das Land mit seinem Gewächs und wird anzünden die Grundfesten der Berge.‹ Dieses Feuer hat alles weggebrannt, was Lilith mir angetan hatte.« Er griff nach dem Saum seines grauen Shirts und hob es hoch.

Clary hielt den Atem an, denn auf der glatten Haut seiner Brust, direkt über seinem Herzen, war Liliths Mal nicht länger zu sehen – nur noch eine weiße Narbe an der Stelle, wo ihn das Engelsschwert durchbohrt hatte. Spontan streckte Clary die Hand aus, um ihn zu berühren.

Doch Jace wich zurück und schüttelte den Kopf. Enttäuschung zeichnete sich auf Clarys Gesicht ab, bevor sie ihre Gefühle verbergen konnte. Gleichzeitig rollte Jace sein Shirt wieder hinunter und wandte sich ihr zu. »Clary… dieses Feuer… es ist noch immer in mir.«

Verständnislos starrte sie ihn an. »Was meinst du damit?«

Jace holte tief Luft und streckte ihr die Hände entgegen, die Handflächen nach unten. Sie sahen aus wie immer: schlank und vertraut, die Voyance-Rune auf seinem rechten Handrücken überlagert von einer Vielzahl weißer Narben. Aber während sie beide darauf starrten, begannen Jace’ Hände leicht zu zittern, bis sie schließlich durchscheinend schimmerten. Genau wie Glorious’ Klinge schien auch seine Haut sich in Glas zu verwandeln… in Glas, unter dem eine goldene Substanz gefangen war, die sich bewegte, ihre Farbe veränderte und brannte. Durch seine transparente Haut konnte Clary die Konturen seines Skeletts erkennen: goldene Knochen, zusammengehalten von flammenden Sehnen.

Im nächsten Moment hörte sie, wie Jace scharf die Luft einsog. Er schaute auf und ihre Blicke trafen sich. Seine Augen leuchteten golden. Sie hatten schon immer einen goldfarbenen Ton besessen, doch Clary hätte schwören können, dass dieses Gold sich nun ebenfalls bewegte und brannte. Jace’ Atmung ging stoßweise und auf seinen Wangen und Schlüsselbeinen glitzerten Schweißperlen.

»Du hast recht«, sagte Clary. »Unsere Probleme unterscheiden sich tatsächlich von denen anderer Paare.«

Sprachlos starrte Jace sie an. Dann ballte er die Hände langsam zu Fäusten, woraufhin das Feuer verschwand und seine ganz normalen, vertrauten und unversehrten Hände zurückließ. Schließlich brachte er ein ersticktes Lachen hervor: »Ist das alles, was dir dazu einfällt?«