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»Und Sebastian kann Jace auch nicht sonderlich ins Herz geschlossen haben. Er war sein Leben lang furchtbar eifersüchtig auf ihn, weil er glaubte, Jace wäre Valentins Liebling«, fügte Clary hinzu.

»Ganz zu schweigen davon, dass Jace ihn getötet hat«, bemerkte Magnus. »Das müsste eigentlich jeden abstoßen.«

»Aber es scheint, als würde Jace sich an keinen dieser Vorfälle erinnern… oder es einfach nicht glauben wollen«, stellte Clary frustriert fest.

Er erinnert sich durchaus. Doch die Kraft dieses Bundes sorgt dafür, dass Jace’ Verstand sich an diesen Tatsachen vorbeibewegt, so wie Wasser die Felsen in einem Flussbett umströmt. Das Ganze besitzt eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Zauber, mit dem Magnus deinen Geist belegt hatte, Clarissa: Jedes Mal, wenn du Teile der Verborgenen Welt gesehen hast, hat dein Verstand sie abgelehnt und sich anderen Dingen zugewandt. Deshalb ist es vollkommen sinnlos, mit Jace über Jonathan zu diskutieren. Die Wahrheit vermag ihre Verbindung nicht zu trennen.

Clary musste an den Moment zurückdenken, als sie Jace daran erinnert hatte, dass Sebastian für Max’ Tod verantwortlich war: Jace’ Gesicht hatte sich einen Moment nachdenklich verzogen und dann wieder geglättet, als hätte er ihre Worte sofort wieder vergessen.

Vielleicht könnt ihr ja einen gewissen Trost aus der Tatsache schöpfen, dass Jonathan Morgenstern genauso sehr an Jace gebunden ist wie dieser an ihn. Daher kann er Jace keinen Schaden zufügen. Er würde es gar nicht wollen, fügte Zachariah hinzu.

Genervt warf Alec die Hände hoch. »Soll das heißen, dass die beiden sich jetzt lieben? Dass sie beste Freunde sind?« Aus seiner Stimme sprachen Schmerz und Eifersucht.

Nein. Die beiden sind jetzt der jeweils andere. Sie sehen, was der andere sieht. Und sie wissen, dass der andere für sie irgendwie unentbehrlich ist. Sebastian ist der Anführer, das Haupt der beiden. Alles, was er glaubt, wird auch Jace glauben. Alles, was er will, wird Jace tun.

»Dann ist er also besessen«, sagte Alec tonlos.

Bei einer Besessenheit ist ein Teil des ursprünglichen Bewusstseins häufig noch intakt. Diejenigen, die einmal besessen waren, berichten oft, dass sie ihre eigenen Handlungen wie von außen beobachtet haben, dass sie um Hilfe geschrien haben, aber nicht gehört werden konnten. Doch Jace ist nach wie vor Herr seiner Sinne. Er hält sich selbst für geistig vollkommen gesund. Und er ist davon überzeugt, dass Sebastians Wünsche genau das sind, was er selbst auch will.

»Und was wollte er dann von mir?«, fragte Clary mit zittriger Stimme. »Warum ist er heute Nacht in meinem Zimmer aufgetaucht?« Sie hoffte inständig, dass ihre Wangen nicht glühten, und versuchte, die Erinnerung zu verdrängen – die Erinnerung daran, wie sie ihn geküsst hatte, wie sich sein Körper hart auf ihren gepresst hatte.

Er liebt dich noch immer, erklärte Bruder Zachariah in erstaunlich sanftem Ton. Du bist der Dreh- und Angelpunkt seiner Welt. Daran hat sich nichts geändert.

»Und das ist auch der Grund, warum wir Lukes Haus verlassen mussten«, sagte Jocelyn angespannt. »Jace wird zurückkommen, um Clary zu holen. Deswegen konnten wir auch nicht im Hauptquartier des Rudels bleiben. Ich habe keine Ahnung, wo wir sicher sind…«

»Hier«, erwiderte Magnus. »Ich kann einen Wall aus Schutzzaubern errichten, der Jace und Sebastian fernhalten wird.«

Clary sah, wie sich große Erleichterung in den Augen ihrer Mutter abzeichnete. »Danke«, sagte Jocelyn.

Doch Magnus winkte ab: »Es ist mir eine Ehre. Ich liebe es, wütende Schattenjäger abzuwehren, insbesondere wenn sie auch noch besessen sind.«

Er ist nicht besessen, ermahnte Bruder Zachariah den Hexenmeister.

»Ach, das sind doch nur Haarspaltereien«, flötete Magnus. »Bleibt die Frage: Was haben die beiden jetzt vor? Welche Pläne schmieden sie?«

»Als Clary die beiden in der Bibliothek gesehen hat, meinte Sebastian zu Jace, dass er in ein paar Wochen ohnehin das Institut leiten würde«, warf Alec ein. »Das heißt also, dass sie irgendetwas aushecken.«

»Vermutlich wollen sie Valentins Werk fortsetzen«, überlegte Magnus laut. »Nieder mit den Schattenweltlern, Tod allen uneinsichtigen Schattenjägern, blablabla…«

»Kann schon sein«, räumte Clary ein, aber sie war sich nicht ganz sicher. »Jace hat irgendwas gesagt… dass Sebastian einer größeren Sache dient.«

»Weiß der Himmel, was sich dahinter verbirgt«, schnaubte Jocelyn. »Ich war jahrelang mit einem Fanatiker verheiratet – ich weiß, was ›einer größeren Sache dienen‹ bedeutet. Es bedeutet, dass man Unschuldige foltert, brutale Morde begeht, seinen ehemaligen Freunden den Rücken kehrt… und das alles im Namen einer Sache, die man für bedeutend hält, für wichtiger als man selbst, die aber in Wirklichkeit nichts anderes ist als Gier und kindisches Gehabe, verpackt in eine blumige Sprache.«

»Mom«, protestierte Clary, besorgt darüber, dass Jocelyn so verbittert klang.

Doch Jocelyn wandte sich bereits an Bruder Zachariah. »Du hast gesagt, keine Waffe dieser Welt könnte den einen verletzen, ohne den anderen ebenfalls zu verwunden«, konstatierte sie. »Keine Waffe, von der du weißt…«

Plötzlich leuchteten Magnus’ Augen auf, wie die Pupillen einer Katze im Licht eines Scheinwerfers. »Du meinst…«

»Die Eisernen Schwestern«, bestätigte Jocelyn. »Sie sind die unangefochtenen Expertinnen auf dem Gebiet der Waffenkunde. Möglicherweise wissen sie ja eine Antwort.«

Soweit Clary wusste, waren die Eisernen Schwestern der Schwesterorden der Stillen Brüder, doch im Gegensatz zu diesen verzichteten sie darauf, sich Augen und Mund zuzunähen. Allerdings lebten sie noch zurückgezogener – in fast völliger Abgeschiedenheit auf einer alten Festung, deren Standort unbekannt war. Nur äußerst selten ließen sie sich in der Öffentlichkeit blicken und nahmen in der Regel weder an Ratssitzungen noch am Leben in Alicante teil. Die Aufgabe dieser Frauen bestand nicht im Kampf, sondern in der Kreation: Ihre Hände schufen die Waffen, die Stelen, die Seraphklingen, die den Nephilim das Überleben ermöglichten.

Es gab Runen, die ausschließlich die Eisernen Schwestern meißeln konnten, und nur sie verstanden es, die silberweiße Substanz namens Adamant zu Dämonentürmen, Stelen und Elbenlichtsteinen zu verarbeiten und kannten alle damit verbundenen Geheimnisse.

Es wäre möglich, sagte Bruder Zachariah nach einer langen Pause.

»Wenn Sebastian getötet werden könnte… falls es eine Waffe gibt, die ihn töten, aber Jace unversehrt lassen würde… bedeutet das dann, dass Jace nicht länger unter seinem Einfluss stehen würde?«, fragte Clary.

Nach einer noch längeren Pause nickte Bruder Zachariah und bestätigte: Das scheint mir wahrscheinlich.

»Dann sollten wir uns auf den Weg zu diesen Schwestern machen.« Die Erschöpfung lastete wie ein wuchtiger Mantel auf Clarys Schultern, drückte schwer auf ihre Lider und hinterließ einen sauren Geschmack in ihrem Mund. Gähnend rieb sie sich die Augen, im Versuch, die Müdigkeit zu vertreiben. »Jetzt sofort.«

»Ich kann nicht mitkommen«, warf Magnus ein. »Der Zugang zur Adamant-Zitadelle ist nur Schattenjägerinnen gestattet.«

»Und du gehst auch nicht«, beschied Jocelyn Clary in ihrem strengsten Du-wirst-nicht-mit-Simon-nach-Mitternacht-durch-die-Clubs-ziehen-Tonfall. »Hier, innerhalb der Schutzschilde, bist du wesentlich sicherer.«

»Isabelle«, meinte Alec. »Isabelle könnte die Eisernen Schwestern aufsuchen.«

»Hast du denn eine Ahnung, wo sie gerade steckt?«, fragte Clary.

»Zu Hause, vermute ich mal«, erwiderte Alec und zuckte die Achseln. »Ich kann sie anrufen…«

»Ich kümmere mich darum«, warf Magnus ein, fischte sein Handy aus der Tasche und tippte mit der Geschwindigkeit des geübten Benutzers eine SMS in die Tasten. »Es ist schon spät und wir müssen sie ja nicht unbedingt wecken. Im Grunde brauchen wir alle etwas Ruhe. Vor morgen früh werde ich ohnehin niemanden zu den Eisernen Schwestern teleportieren.«