Trink ein Gläschen! Reib dir die Schläfe mit dem Balsam. Reib, Sibylle.
Camille setzt sich.
Ich halt's nicht aus.
Claudine.
O mein Vater! Pedro gefährlich verwundt. Sebastian wollte mich nicht hören!
Gonzalo.
Es hat's ihm niemand gesagt.
Camille.
In dem Lärm, in der Angst!
Claudine.
Ohne Hilfe vielleicht.
Gonzalo.
Du machst dir's zu fürchterlich vor. Ein Stich in den Arm, ein Ritzchen: Liebes Kind, einem Manne, was ist das? Sei ruhig! Ich will einen nach Sarossa sprengen.
Camille.
All Eure Leute und Pferde sind mit Sebastianen.
Gonzalo.
Verflucht.
Claudine.
O, aus dem Dorf drüben.
Sibylle.
Ja, wer soll bei Nacht übers Wasser? Die Fähre steht drüben: ihr hört ja, es ist alles fort.
Gonzalo.
Bis morgen gedulde dich, Liebchen, und geh jetzt zu Bette.
Claudine.
Laßt mich noch einen Augenblick. Bis sich das Blut gesetzt hat. Ich könnte jetzt nicht schlafen. Aber! die Augen fallen Euch zu. Sorgt für Eure Gesundheit.
Gonzalo.
Laßt mich.
Claudine.
Ihr werdet mich beruhigen!
Gonzalo.
Nun denn! Nichten, ihr wacht mir aber bei ihr. Ich bitt euch, verlaßt sie nicht! Morgen mit dem frühsten sollst du Nachricht von Pedro haben. Weckt mich, Nichten, gegen Morgen. Gute Nacht. Lieb Mädchen, leg dich bald. Leucht mir, Camille. Gute Nacht.
Mit Camille ab.
Claudine. Sibylle.
Sibylle nach einer Pause.
Der Kopf möchte mir zerspringen. Die Knie sind mir wie geradbrecht. Auf solch einen Tag solch eine Nacht!
Claudine.
Ich kann euch nicht zumuten, zu wachen, Nichten.
Sibylle.
Aber Euer Vater?
Claudine.
Laßt; der soll nichts erfahren. Geht hinauf legt euch wenigstens auf die Betten. Nur in Kleidern, es ist doch immer Ruh. Ihr seid alle wach, eh mein Vater, und dann — Laßt mich nur!
Camille kommt.
Sibylle.
Nichtchen will, wir sollen schlafen gehn.
Camille.
Lieb Nichtchen! Gott lohn's! Ich halt's nicht aus.
Sibylle.
Wir begleiten dich zuerst ins Bett.
Claudine.
Laßt's nur. Ich bin ja hier gleich neben an. Und muß mich noch erst erholen.
Sibylle und Camille.
Gute Nacht denn.
Claudine.
Gute Nacht.
Sibylle und Camille ab.
Bin ich euch los? Darf ich dem Tumult meines Herzens Freiheit lassen? Pedro! Pedro! wie fühl ich in diesen Augenblicken, daß ich dich liebe! Ha, wie das all drängt und tobt, die verborgne, mir selbst bisher verborgne Leidenschaft! — Wo bist du? — und was bist du mir? — Tot, Pedro! — Nein! verwundet! — Ohne Hilfe! — Verwundet? — Zu dir — zu dir! — Mein Schimmel, der du mich so treu auf die Falkenjagd trugst, was wärst du mir jetzt! Mein Kopf! Mein Herz! Es ist nicht kühn, es ist nichts —
Auf dem Tisch die Gartenschlüssel findend.
Und diese Schlüssel? Eine Gottheit sandte mir sie! — Durchs kleine Pförtchen in Garten, hinten die Terrasse hinunter; und in einer halben Stunde bin ich in Sarossa! — Die Herberge? — Ich werde sie finden! — Und diese Kleider? Die Nacht? — Hab ich nicht meines Vettern Garderobe noch da? Paßt mir nicht sein blaues Wams wie angegossen? — Ha, und seinen Degen! — Die Liebe geleitet mich; da sind keine Gefahren! — Und auf dem Wege? — Nein, ich wag's nicht! So allein! Und wenn deine Nichten erwachen und dein Vater? — Und du, Pedro, liegst in deinem Blute! Dein letzter Atemzug ruft nach Claudinen! Ich komme, ich komme! — Fühle, wie meine Seele zu dir hinüberreicht! — An deinem Bette liegen, um dich weinen, wehklagen möcht ich, Pedro! — Nur daß ich dich sehe; deine Hand fühle, daß dein Puls noch schlägt; daß ein schwacher Druck mir sage, er lebt noch, er liebt dich noch! — Ist niemand, der ihn verbinde? der das Blut stille?
Herz, mein Herz,
Ach, will verzagen!
Soll ich's tragen,
Soll ich fliehn,
Soll ich's wagen,
Soll ich hin?
Herz, mein Herz,
Hör auf, zu zagen;
Ich will's wagen,
Ich muß hin!
Gegen Morgen, vor der Herberge zu Sarossa
Crugantino, den Degen unterm Arm.
So hatte Basko recht? Man stellt mir nach? Wo er nur stickt? Sie sind an mir vorbei gesprengt und gelaufen. Ha! ich kenn die Büsche besser als ihr, und ihr habt keine sonderlichen Spürhunde, und die besten beißen uns nicht.
Klopft an die Türe der Herberge.
Ein Knabe kömmt.
Knabe.
Gnädiger Herr!
Crugantino.
Ist Basko zu Haus kommen?
Knabe.
Ja, gnädiger Herr, mit einem Blessierten, der liegt in ihrer Stube. Hernach ist er gleich fort und hat mir befohlen zu wachen, wenn etwa der Fremde schellte. Und Ihnen soll ich sagen, er sei nach Mirmolo. Ich kenn zwar so keinen Ort; ich glaubte, er spaßte.
Crugantino.
Gut! Geh hinein und halt dich munter!
Junge ab.
Mirmolo! Unsre Losung für Villa Bella! Nach Villa Bella, Basko! Ich versteh! — Sebastian! Wer ist der Sebastian? Was hat er gegen mich? — Das wird sich all entwickeln, das wird all zu verbeißen sein; hättst du nur deine Zither nicht im Stich gelassen! Das ist ein schurkischer Streich, darüber du Ohrfeigen verdient hättest von einem Hundsfutt! Deine Zither! Ich möchte rasend werden. Was sollte man von dem Kerl sagen, der in ein Gedränge käm mit seinem Freund; und sich durchschlüg und seinen Freund im Stich ließ? Pfui! über den Kerl! Pfui! Und deine Zither, mehr wert als zehn Freunde; deine Gesellin Gespielin, Buhlerin; die noch all deine Liebsten ausgehalten hat! Wie wär's, ich kehrte zurück? denn die Spürhunde sind fort! Wohl! kein Mensch vermutet mich dort! Wohl! ich weiß die Schliche! Das wär ein Streich! in der Verwirrung, in der das Haus ist — Ach, und die arme Claudine! Dies Abenteuer sieht windig aus. Doch, allons! erst die Zither befreit, und das übrige gibt sich!
Er die eine Seite der Straße hinauf, Claudine in Mannskleidern an der andern.
Claudine.
Da bin ich! Götter, das ist Sarossa! Und nun die Herberge! Mir zittern meine Knie; ich kann nicht mehr.
Auf eine Hausbank sich setzend, der Herberge gegenüber.
Crugantino.
Eine Erscheinung! Was will der geputzte Bube die Nacht hier? Abenteuer über Abenteuer! Wollen's doch besehen.
Claudine.
Weh, ich höre jemand!
Crugantino.
Mein Herr!
Claudine.
Ich bin verloren!
Crugantino.
Keine Furcht! Sie haben mit einer redlichen braven Seele zu tun. Kann ich was dienen?
Claudine.
Ich bitte! Ich weiß schon! Ich bitte, lassen Sie mich!
Crugantino.
Welche Stimme?
Bei der Hand nehmend.
Himmel, welche Hand!
Claudine.
Lassen Sie mich!
Crugantino.
Claudine!
Claudine aufspringend.