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Sophie.

Fehlt dir was? Heiliger Gott! was fehlt dir?

Marie.

Du wirst mich ängstigen, daß ich zuletzt kaum traue, ein Glas Wasser zu begehren — Sophie! — Bruder! — Was enthält der Brief? Sieh, wie er zittert! wie ihn aller Mut verläßt!

Sophie.

Bruder, mein Bruder!

Beaumarchais wirft sich sprachlos in einen Sessel und läßt den Brief fallen.

Sophie.

Mein Bruder!

Sie hebt den Brief auf und liest.

Marie.

Laß mich ihn sehn! ich muß —

Sie will aufstehn.

Weh! Ich fühl's. Es ist das Letzte. Schwester, aus Barmherzigkeit den letzten schnellen Todesstoß! Er verrät uns! —

Beaumarchais aufspringend.

Er verrät uns!

An die Stirn schlagend und auf die Brust.

Hier! hier! es ist alles so dumpf, so tot vor meiner Seele, als hätt ein Donnerschlag meine Sinnen gelähmt. Marie! Marie! du bist verraten! — und ich stehe hier! Wohin? — Was? — Ich sehe nichts, nichts! keinen Weg, keine Rettung!

Er wirft sich in Sessel.

Guilbert kommt.

Sophie.

Guilbert! Rat! Hülfe! Wir sind verloren!

Guilbert.

Weib!

Sophie.

Lies! Lies! Der Gesandte meldet unserm Bruder: Clavigo habe ihn peinlich angeklagt, als sei er unter einem falschen Namen in sein Haus geschlichen, habe ihm im Bette die Pistole vorgehalten, habe ihn gezwungen, eine schimpfliche Erklärung zu unterschreiben; und wenn er sich nicht schnell aus dem Königreiche entfernt, so schleppen sie ihn ins Gefängnis, daraus ihn zu befreien der Gesandte vielleicht selbst nicht imstande ist.

Beaumarchais aufspringend.

Ja, sie sollen's! sie sollen's! sollen mich in's Gefängnis schleppen. Aber von seinem Leichname weg, von der Stätte weg, wo ich mich in seinem Blute werde geletzt haben. — Ach! der grimmige, entsetzliche Durst nach seinem Blute füllt mich ganz. Dank sei dir, Gott im Himmel, daß du dem Menschen mitten im glühenden unerträglichsten Leiden ein Labsal sendest, eine Erquickung! Wie ich die dürstende Rache in meinem Busen fühle! wie aus der Vernichtung meiner selbst, aus der stumpfen Unentschlossenheit mich das herrliche Gefühl, die Begier nach seinem Blute herausreißt, mich über mich selbst reißt! Rache! Wie mir's wohl ist! wie alles an mir nach ihm hinstrebt, ihn zu fassen, ihn zu vernichten!

Sophie.

Du bist fürchterlich, Bruder.

Beaumarchais.

Desto besser. — Ach! Keinen Degen, kein Gewehr! Mit diesen Händen will ich ihn erwürgen, daß mein die Wonne sei! ganz mein eigen das Gefühclass="underline" ich hab ihn vernichtet!

Marie.

Mein Herz! Mein Herz!

Beaumarchais.

Ich hab dich nicht retten können, so sollst du gerächt werden. Ich schnaube nach seiner Spur, meine Zähne gelüstet's nach seinem Fleische, meinen Gaumen nach seinem Blute. Bin ich ein rasendes Tier geworden? Mir glüht in jeder Ader, mir zuckt in jeder Nerve die Begier nach ihm! — Ich würde den ewig hassen, der mir ihn jetzt mit Gift vergäbe, der mir ihn meuchelmörderisch aus dem Wege räumte. O hilf mir, Guilbert, ihn aufsuchen! Wo ist Buenco? Helft mir ihn finden!

Guilbert.

Rette dich! Rette dich! Du bist außer dir.

Marie.

Fliehe, mein Bruder!

Sophie.

Führ ihn weg, er bringt seine Schwester um.

Buenco kommt.

Buenco.

Auf, Herr! Fort! Ich sah's voraus. Ich gab auf alles acht. Und nun! man stellt Euch nach, Ihr seid verloren, wenn Ihr nicht im Augenblick die Stadt verlaßt.

Beaumarchais.

Nimmermehr! Wo ist Clavigo?

Buenco.

Ich weiß nicht.

Beaumarchais.

Du weißt's. Ich bitte dich fußfällig, sag mir's.

Sophie.

Um Gottes willen, Buenco!

Marie.

Ach! Luft! Luft!

Sie fällt zurück.

Clavigo! —

Buenco.

Hülfe, sie stirbt!

Sophie.

Verlaß uns nicht, Gott im Himmel! — Fort, mein Bruder, fort!

Beaumarchais fällt vor Marien nieder, die ungeachtet aller Hülfe nicht wieder

zu sich selbst kommt.

Dich verlassen! Dich verlassen!

Sophie.

So bleib, und verderb uns alle, wie du Marien getötet hast! Du bist hin, o meine Schwester! durch die Unbesonnenheit deines Bruders.

Beaumarchais.

Halt, Schwester!

Sophie spottend.

Retter! — Rächer! — Hilf dir selber!

Beaumarchais.

Verdien ich das?

Sophie.

Gib mir sie wieder! Und dann geh in Kerker, geh aufs Martergerüst, geh, vergieße dein Blut, und gib mir sie wieder!

Beaumarchais.

Sophie!

Sophie.

Ha! und ist sie hin, ist sie tot — so erhalte dich uns!

Ihm um den Hals fallend.

Mein Bruder, erhalte dich uns! unserm Vater! Eile, eile! Das war ihr Schicksal! Sie hat's geendet. Und ein Gott ist im Himmel, dem laß die Rache.

Buenco.

Fort! fort! Kommen Sie mit mir, ich verberge Sie, bis wir Mittel finden, Sie aus dem Königreiche zu schaffen.

Beaumarchais fällt auf Marien und küßt sie.

Schwester!

Sie reißen ihn los, er faßt Sophien, sie macht sich los, man bringt Marien weg, und Buenco mit Beaumarchais ab.

Guilbert. Ein Arzt.

Sophie aus dem Zimmer zurückkommend, darein man Marien gebracht hat.

Zu spät! Sie ist hin! Sie ist tot!

Guilbert.

Kommen Sie, mein Herr! Sehen Sie selbst! Es ist nicht möglich!

Ab.

Fünfter Akt

Strasse vor dem Hause Guilberts. Nacht

Das Haus ist offen. Vor der Tür stehen drei in schwarze Mäntel gehüllte Männer mit Fackeln. Clavigo, in einen Mantel gewickelt, den Degen unterm Arm, kommt. Ein Bedienter geht voraus mit einer Fackel.

Clavigo.

Ich sagte dir's, du solltest diese Straße meiden.

Bedienter.

Wir hätten einen gar großen Umweg nehmen müssen, und Sie eilen so. Es ist nicht

weit von hier, wo Don Carlos sich aufhält.

Clavigo.

Fackeln dort?