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Guilbert.

Ihr redet wie ein Spanier, und als wenn Ihr die Spanier nicht kenntet. Wir schweben diesen Augenblick in einer größern Gefahr, als ihr alle nicht seht.

Marie.

Bester Guilbert!

Guilbert.

Ich ehre die unternehmende Seele unsers Bruders, ich habe im stillen seinem Heldengange zugesehn und wünsche, daß alles gut ausschlagen möge, wünsche, daß Marie sich entschließen könnte, Clavigo ihre Hand zu geben, denn —

lächelnd

ihr Herz hat er doch. —

Marie.

Ihr seid grausam.

Sophie.

Hör ihn! ich bitte dich, hör ihn!

Guilbert.

Dein Bruder hat ihm eine Erklärung abgedrungen, die dich vor den Augen aller Welt rechtfertigen soll, und die wird uns verderben.

Buenco.

Wie?

Marie.

O Gott!

Guilbert.

Er stellte sie aus in der Hoffnung, dich zu bewegen. Bewegt er dich nicht, so muß er alles anwenden, um das Papier zu vernichten; er kann's, er wird's. Dein Bruder will es gleich nach seiner Rückkehr von Aranjuez drucken und ausstreuen. Ich fürchte, wenn du beharrest, er wird nicht zurückkehren.

Sophie.

Lieber Guilbert!

Marie.

Ich vergehe!

Guilbert.

Clavigo kann das Papier nicht auskommen lassen. Verwirfst du seinen Antrag und er ist ein Mann von Ehre, so geht er deinem Bruder entgegen, und einer von beiden bleibt; und dein Bruder sterbe oder siege, er ist verloren. Ein Fremder in Spanien! Mörder dieses geliebten Höflings! — Schwester, es ist ganz gut, daß man edel denkt und fühlt; nur, sich und die Seinigen zugrunde zu richten —

Marie.

Rate mir, Sophie, hilf mir!

Guilbert.

Und, Buenco, widerlegen Sie mich!

Buenco.

Er wagt's nicht, er fürchtet für sein Leben; sonst hätt er gar nicht geschrieben, sonst böt er Marien seine Hand nicht an.

Guilbert.

Desto schlimmer; so findet er hundert, die ihm ihren Arm leihen, hundert, die unserm Bruder tückisch auf dem Wege das Leben rauben. Ha! Buenco, bist du so jung? Ein Hofmann sollte keine Meuchelmörder im Sold haben?

Buenco.

Der König ist groß und gut.

Guilbert.

Auf denn! Durch all die Mauern, die ihn umschließen, die Wachen, das Zeremoniell und all das, womit die Hofschranzen ihn von seinem Volke geschieden haben, dringen Sie durch und retten Sie uns! — Wer kommt?

Clavigo kommt.

Clavigo.

Ich muß! Ich muß!

Marie tut einen Schrei und fällt Sophien in die Arme.

Sophie.

Grausamer! in welchen Zustand versetzen Sie uns!

Guilbert und Buenco treten zu ihr.

Clavigo.

Ja, sie ist's! Sie ist's! Und ich bin Clavigo. — Hören Sie mich, Beste, wenn Sie mich nicht ansehen wollen! Zu der Zeit, da mich Guilbert mit Freundlichkeit in sein Haus aufnahm, da ich ein armer unbedeutender Junge war, da ich in meinem Herzen eine unüberwindliche Leidenschaft für Sie fühlte, war's da Verdienst an mir? Oder war's nicht vielmehr innere Übereinstimmung der Charaktere, geheime Zuneigung des Herzens, daß auch Sie für mich nicht unempfindlich blieben, daß ich nach einer Zeit mir schmeicheln konnte, dies Herz ganz zu besitzen? Und nun — bin ich nicht ebenderselbe? Warum soll ich nicht hoffen dürfen? warum nicht bitten? Wollten Sie einen Freund, einen Geliebten, den Sie nach einer gefährlichen, unglücklichen Seereise lange für verloren geachtet, nicht wieder an Ihren Busen nehmen, wenn er unvermutet wiederkäme und sein gerettetes Leben zu Ihren Füßen legte? Und habe ich weniger auf einem stürmischen Meere diese Zeit geschwebet? Sind unsere Leidenschaften, mit denen wir im ewigen Streit leben, nicht schrecklicher, unbezwinglicher als jene Wellen, die den Unglücklichen fern von seinem Vaterlande verschlagen! Marie! Marie! Wie können Sie mich hassen, da ich nie aufgehört habe, Sie zu lieben? Mitten in allem Taumel, durch all den verführerischen Gesang der Eitelkeit und des Stolzes hab ich mich immer jener seligen unbefangenen Tage erinnert, die ich in glücklicher Einschränkung zu Ihren Füßen zubrachte, da wir eine Reihe von blühenden Aussichten vor uns liegen sahen. — Und nun, warum wollten Sie nicht mit mir alles erfüllen, was wir hofften? Wollen Sie das Glück des Lebens nun nicht ausgenießen, weil ein düsterer Zwischenraum sich unsern Hoffnungen eingeschoben hatte? Nein, meine Liebe, glauben Sie, die besten Freuden der Welt sind nicht ganz rein; die höchste Wonne wird auch durch unsere Leidenschaften, durch das Schicksal unterbrochen. Wollen wir uns beklagen, daß es uns gegangen ist wie allen andern, und wollen wir uns strafbar machen, indem wir diese Gelegenheit von uns stoßen, das Vergangene herzustellen, eine zerrüttete Familie wieder aufzurichten, die heldenmütige Tat eines edlen Bruders zu belohnen und unser eigen Glück auf ewig zu befestigen? — Meine Freunde, um die ich's nicht verdient habe, meine Freunde, die es sein müssen, weil Sie Freunde der Tugend sind, zu der ich rückkehre, verbinden Sie Ihr Flehen mit dem meinigen! Marie!

Er wirft sich nieder.

Marie! Kennst du meine Stimme nicht mehr? Vernimmst du nicht mehr den Ton meines Herzens? Marie! Marie!

Marie.

O Clavigo!

Clavigo springt auf und faßt ihre Hand mit entzückten Küssen.

Sie vergibt mir, sie liebt mich!

Er umarmt den Guilbert, den Buenco.

Sie liebt mich noch! O Marie, mein Herz sagte mir's! Ich hätte mich zu deinen Füßen werfen, stumm meinen Schmerz, meine Reue ausweinen wollen; du hättest mich ohne Worte verstanden, wie ich ohne Worte meine Vergebung erhalte. Nein, diese innige Verwandtschaft unserer Seelen ist nicht aufgehoben; nein, sie vernehmen einander noch wie ehemals, wo kein Laut, kein Wink nötig war, um die innersten Bewegungen sich mitzuteilen. Marie — Marie — Marie! —

Beaumarchais tritt auf.

Beaumarchais.

Ha!

Clavigo, ihm entgegen fliegend.

Mein Bruder!

Beaumarchais.

Du vergibst ihm?

Marie.

Laßt, laßt mich! Meine Sinnen vergehn.

Man führt sie weg.

Beaumarchais.

Sie hat ihm vergeben?

Buenco.

Es sieht so aus.

Beaumarchais.

Du verdienst dein Glück nicht.

Clavigo.

Glaube, daß ich's fühle!

Sophie kommt zurück.

Sie vergibt ihm. Ein Strom von Tränen brach aus ihren Augen.»Er soll sich entfernen«, rief sie schluchzend,»daß ich mich erhole! Ich vergeb ihm. — Ach Schwester!«rief sie, und fiel mir um den Hals,»woher weiß er, daß ich ihn so liebe?»

Clavigo, ihr die Hand küssend.

Ich bin der glücklichste Mensch unter der Sonne. Mein Bruder!

Beaumarchais umarmt ihn.