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Doch Lady Belcourts grüne Augen ruhten bereits auf Will. »William Herondale«, ergänzte sie und lächelte amüsiert.

Tessa hielt innerlich die Luft an, aber die Zähne der Vampirin wirkten völlig normal — von spitzen Schneidezähnen war nichts zu sehen.

»Was für eine Überraschung, Sie hier anzutreffen!«, fügte Lady Belcourt spöttisch hinzu.

»Sie kennen einander?«, fragte Charlotte erstaunt.

»William hat mir beim Pharao zwanzig Pfund abgenommen«, erzählte Lady Belcourt und ließ ihre grünen Augen auf eine Weise über Wills Gestalt gleiten, die Tessa ein Kribbeln im Nacken verursachte.

»Vor ein paar Wochen, in einem Klub ... einem Schattenwelt-Spielsalon.«

»Tatsächlich?«, fragte Charlotte spitz und musterte den jungen Schattenjäger, der nur lässig die Achseln zuckte.

»Alles Teil meiner Nachforschungen. Ich hatte mich in dieser Lasterhöhle als törichter Irdischer ausgegeben, auf der Suche nach Vergnügungen der ganz besonderen Art«, erklärte Will. »Es hätte nur unnötig Verdacht erregt, wenn ich es abgelehnt hätte, mich am Kartenspiel zu beteiligen.«

Charlotte schob das Kinn vor. »Nichtsdestoweniger handelt es sich bei dem Geld, das du gewonnen hast, um ein Beweismittel, Will. Du hättest es dem Rat aushändigen müssen.«

»Ich habe es für Gin ausgegeben.«

»Will!«

Doch der junge Mann zuckte nur erneut die Achseln. »Die Verlockungen des Lasters sind eine beschwerliche Verantwortung.«

»Und dennoch scheinst du sie erstaunlich gut tragen zu können«, bemerkte Jem mit einem belustigten Glitzern in den silberhellen Augen.

»Darüber werden wir uns später noch unterhalten, William«, verkündete Charlotte gepresst. Dann wandte sie sich wieder an ihren Gast: »Lady Belcourt, habe ich richtig verstanden, dass Sie ebenfalls Mitglied im Pandemonium Club sind?«

Lady Belcourt verzog indigniert das Gesicht. »Ganz gewiss nicht. Ich war an jenem Abend nur deshalb dort, weil ein befreundeter Hexenmeister hoffte, dort beim Kartenspiel schnelles Geld machen zu können. Der Klub steht den meisten Schattenweltlern offen und man sieht es gern, wenn wir dort verkehren, da dies die Irdischen beeindruckt und ihre Brieftasche öffnet. Ich weiß, dass dieses Etablissement von Schattenweltlern geführt wird, aber ich würde dem Club niemals beitreten. Das Ganze erscheint mir so déclassé.«

»De Quincey ist Mitglied im Pandemonium«, warf Charlotte ein und in ihren großen braunen Augen konnte Tessa das Funkeln messerscharfer Intelligenz erkennen. »Mir wurde zugetragen, dass er genau genommen sogar der Präsident des Clubs ist. Haben Sie das gewusst?«

Lady Belcourt schüttelte den Kopf; diese Information schien sie eindeutig nicht zu interessieren. »De Quincey und ich standen einander vor vielen Jahren einmal nahe. Aber das ist längst vorbei und ich habe ihm gegenüber keinerlei Zweifel an meinem mangelnden Interesse am Pandemonium aufkommen lassen. Gut möglich, dass er den Club leitet. Das Ganze ist eine lächerliche Organisation, wenn Sie mich fragen, aber zweifellos auch eine sehr lukrative.« Sie beugte sich vor und faltete ihre schlanken, behandschuhten Hände im Schoß.

Ihre Bewegungen übten auf Tessa eine seltsame Faszination aus - selbst in der kleinsten Geste lag eine animalische Eleganz. Tessa hatte das Gefühl, eine Katze zu beobachten, die durch die Schatten schleicht.

»Zunächst einmal müssen Sie über de Quincey wissen, dass er der gefährlichste Vampir in ganz London ist«, fuhr Lady Belcourt fort. »Er hat sich von ganz unten bis an die Spitze des mächtigsten Clans hochgearbeitet. Jeder Vampir der Stadt ist seinen Launen unterworfen.« Sie presste ihre scharlachroten Lippen zu einer dünnen Linie zusammen. »Als Nächstes müssen Sie wissen, dass de Quincey alt ist - sehr alt, selbst für einen Vampir. Der Großteil seines Lebens fand vor der Unterzeichnung des Abkommens statt — und er verabscheut es, ebenso wie er es verabscheut, sich dem Joch des Gesetzes beugen zu müssen. Und am meisten verabscheut er die Nephilim.«

Tessa sah, wie Jem sich zu Will hinüberbeugte und ihm etwas zuflüsterte, worauf sich dessen Mundwinkel amüsiert verzogen. »Kaum zu glauben — wie kann uns irgendjemand verabscheuen, wo wir doch so charmant sind?«, warf Will spöttisch ein.

»Gewiss sind Sie sich der Tatsache bewusst, dass die meisten Schattenweltler Sie und Ihresgleichen nicht gerade ins Herz geschlossen haben. Oder sollte ich mich irren?«

»Aber wir dachten, de Quincey sei ein Verbündeter.« Charlotte legte ihre kleinen, sehnigen Hände auf die Lehne eines der Polstersessel. »Jedenfalls hat er immer mit dem Rat kooperiert.«

»Das ist nur vorgespielt. Es liegt in seinem ureigenen Interesse, mit Ihnen zu kooperieren, also frisst er Kreide. Aber er sähe nichts lieber, als wenn Sie alle im tiefsten Höllenschlund schmachten würden.«

Charlotte war bleich geworden, fasste sich aber wieder. »Und Sie wissen nichts über seine Verbindung zu zwei Frauen, die sich als die Dunklen Schwestern bezeichnen? Nichts über sein Interesse an Automaten ... mechanischen Geschöpfen?«

»Die Dunklen Schwestern!« Lady Belcourt erschauderte. »Diese hässlichen, unerquicklichen Kreaturen. Hexen, soweit ich weiß. Ich habe ihre Gesellschaft stets gemieden. Sie sind dafür bekannt, dass sie die Wünsche einiger Clubmitglieder bedienen, welche einen etwas ... fragwürdigen Geschmack haben. Dämonen-Drogen, Schattenwelt-Huren und dergleichen.«

»Und was ist mit den Automaten?«

Lady Belcourt winkte gelangweilt ab. »Falls de Quincey eine Vorliebe für Uhrwerkteile hegen sollte, so ist mir darüber jedenfalls nichts bekannt. Um ehrlich zu sein, Charlotte: Als Sie mich vorhin kontaktierten, hatte ich zunächst nicht die Absicht, Ihnen überhaupt irgendwelche Informationen zu geben. Es ist eine Sache, mit dem Rat ein paar Schattenweltgeheimnisse zu teilen, aber etwas völlig anderes, den mächtigsten Vampir Londons zu hintergehen. Ich habe meine Meinung erst geändert, als ich von Ihrer kleinen Gestaltwandlerin erfuhr.« Sie heftete ihre grünen Augen auf Tessa und lächelte. »Eine gewisse Familienähnlichkeit ist nicht zu leugnen.«

Tessa starrte sie an. »Ähnlichkeit mit wem?«

»Nun, mit Nathaniel, natürlich. Ihrem Bruder.«

Tessa hatte das Gefühl, als hätte man ihr plötzlich eiskaltes Wasser in den Kragen geschüttet. Sie richtete sich hellwach auf »Sie haben meinen Bruder gesehen?«

Lady Belcourt verzog die roten Lippen zu einem Lächeln — dem Lächeln einer Frau, die wusste, dass sie die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Anwesenden besaß. »Ich bin ihm ein paar Mal im Pandemonium Club begegnet«, erklärte sie. »Der Ärmste hatte diese unglückselige Ausstrahlung eines Irdischen, der unter einem Zauber steht. Wahrscheinlich hat er dort sein gesamtes Hab und Gut verspielt — wie es in der Regel bei allen irdischen Besuchern des Clubs der Fall ist. Charlotte sagte mir, dass die Dunklen Schwestern ihn in ihre Gewalt gebracht haben. Das überrascht mich nicht. Die beiden lieben es, Irdische in die Schuldenfalle zu locken und das Geld dann auf äußerst abstoßende Weise einzufordern ...«

»Aber lebt er noch?«, hakte Tessa nach. »Haben Sie ihn noch lebend gesehen?«

»Ja. Unsere letzte Begegnung liegt zwar schon ein paar Tage zurück, aber da war er jedenfalls noch ziemlich lebendig.« Lady Belcourt wedelte gelangweilt mit der Hand, die durch den scharlachroten Handschuh den Eindruck erweckte, als sei sie in Blut getaucht. »Um wieder zum eigentlichen Thema zurückzukehren: Haben Sie gewusst, Charlotte, dass de Quincey in seinem Stadthaus am Carleton Square regelmäßig Soireen veranstaltet?«

Charlotte nahm die Hände von der Rückenlehne.

»Es ist mir gerüchteweise zu Ohren gekommen.«

»Bedauerlicherweise hat de Quincey es versäumt, unsere Namen auf die Gästeliste zu setzen. Aber vielleicht ist seine Einladung ja auch mit der Post verloren gegangen«, bemerkte Will.

»Bei diesen Abendgesellschaften werden Menschen gefoltert und getötet«, fuhr Lady Belcourt ungerührt fort. »Ich glaube, ihre Leichname werden in der Themse entsorgt, wo sich dann die Gassenjungen um die angeschwemmten Überreste streiten dürfen. Nun, Charlotte, haben Sie davon ebenfalls gewusst?«