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»Welch nobles Angebot«, unterbrach Will ihn.

»Schließlich gibt es nichts Wichtigeres auf der Welt als Geld.« Seine Augen funkelten vor Empörung und auch Jem wirkte nicht weniger entrüstet.

»Das ist doch nicht Nates Schuld!«, fauchte Jessamine. »Habt ihr nicht gehört, was er gesagt hat? De Quincey hätte ihn sonst getötet. Außerdem wusste er, wer Nate war ... woher er kam. Letztendlich hätte de Quincey Tessa auch ohne ihn gefunden und Nate wäre völlig umsonst gestorben.«

»Ach, das ist also deine objektive, von ethischen Grundsätzen geleitete Meinung, Jess?«, bemerkte Will. »Und die hat gewiss nichts mit der Tatsache zu tun, dass du Tessas Bruder seit seiner Ankunft permanent hinterherläufst, oder? Dir ist jeder Irdische recht, stimmt’s? Ganz gleich, wie nichtsnutzig ...«

Jessamine kreischte empört auf und sprang von ihrem Stuhl auf. Charlotte versuchte, mit erhobener Stimme zwischen die beiden zu gehen, die nun wütend aufeinander einschimpften, doch Tessa hörte gar nicht mehr zu. Ihr Blick ruhte auf Nate.

Sie hatte schon eine ganze Weile gewusst, dass ihr Bruder schwach war und dass die Charaktereigenschaft, die ihre Tante als Unschuld bezeichnet hatte, in Wahrheit nichts anderes darstellte als das kindische Verhalten eines verzogenen, bockigen Kleinkinds. Als Junge und erstgeborener Sohn und noch dazu mit attraktivem Äußeren gesegnet, war Nate stets der Prinz seines eigenen kleinen Königreichs gewesen. Tessa hatte das alles verstanden, und obwohl es eigentlich seine Aufgabe als älterer Bruder gewesen wäre, sie zu beschützen, waren tatsächlich sie und ihre Tante diejenigen gewesen, die Nate vor Schlimmerem bewahrt hatten.

Doch er war ihr Bruder und sie liebte ihn. Und wie jedes Mal, wenn es um Nate ging, erwachte der alte Beschützerinstinkt in ihr. »Jessamine hat recht«, sagte sie laut, um sich über die wütenden Stimmen im Raum verständlich zu machen. »Es hätte ihm nichts genutzt, de Quinceys Forderungen abzulehnen, und es bringt auch jetzt nichts mehr, darüber zu streiten. Jetzt geht es nur noch darum, dass wir mehr über de Quinceys Pläne erfahren. Weißt du irgendetwas darüber, Nate? Hat er dir erzählt, was er von mir wollte?«

Nathaniel schüttelte den Kopf. »Nachdem ich eingewilligt hatte, dich nach England zu holen, hat er mich in seiner Stadtvilla gefangen gehalten. Dann zwang er mich, ein Kündigungsschreiben an Mortmain zu senden — der arme Mann muss gedacht haben, dass ich ihm seine Großzügigkeit mit schlechter Münze danke. De Quincey hatte nicht vor, mich auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen, bis er dich endlich in die Finger bekommen würde — ich diente als seine Rückversicherung. Er gab den Dunklen Schwestern meinen Ring, um dir zu beweisen, dass ich mich in ihrer Macht befand. Außerdem versprach er mir wieder und wieder, dass er dir kein Leid zufügen würde ... dass er die Dunklen Schwestern einfach nur angewiesen habe, dich in der Nutzung deiner Fähigkeiten zu unterrichten. Die Schwestern mussten ihm täglich von deinen Fortschritten berichten; deshalb wusste ich wenigstens, dass du noch am Leben warst.

Und da ich de Quinceys Haus ohnehin nicht verlassen konnte, habe ich nach einer Weile damit begonnen, die Machenschaften des Pandemonium Clubs genauer zu beobachten. Ich erkannte, dass die Organisation eine klar umrissene Hierarchie besaß. Die unterste Stufe bildeten diejenigen, die kaum etwas zu sagen hatten, wie Mortmain und seinesgleichen. De Quincey und die anderen Höhergestellten duldeten ihre Gesellschaft hauptsächlich wegen ihres Geldes, und damit sie den Club auch weiterhin frequentierten, köderten sie sie immer wieder mit kurzen Demonstrationen und kleinen Einblicken in die Welt der Magie und der Schattenwesen. Über ihnen stand eine Gruppe von Mitgliedern mit mehr Macht und Einfluss im Club, wie die Dunklen Schwestern — allesamt übernatürliche Wesen und kein einziger Mensch darunter. Und an der Spitze schließlich thronte de Quincey, den die anderen als den ›Magister‹ bezeichneten.

Die Oberschicht des Clubs traf sich oft zu Versammlungen, zu denen Menschen und untere Ränge keine Einladung erhielten. Bei einer dieser Zusammenkünfte hörte ich erstmals von den Schattenjägern. De Quincey verachtet die Nephilim«, wandte Nate sich an Henry und Charlotte. »Er hegt einen tiefen Groll gegen alle Schattenjäger — gegen Sie. Und er redete ständig davon, wie viel besser alles wäre, wenn die Nephilim vernichtet würden und die Schattenweltler in Frieden ihren Geschäften nachgehen könnten ...«

»Was für ein Unsinn!«, stieß Henry aufrichtig gekränkt hervor. »Ich wüsste nicht, welche Sorte von Frieden ihm vorschwebt, wenn es uns Schattenjäger nicht mehr gäbe.«

»De Quincey sprach auch davon, dass bisher nicht die geringste Chance bestanden hätte, die Schattenjäger zu besiegen, weil deren Waffen allen anderen weit überlegen seien. Der Sage nach habe Gott die Nephilim zu überragenden Kriegern gemacht, die kein Lebewesen jemals vernichten könne. Daraufhin hat de Quincey sich wohl gedacht: ›Warum nicht eine Kreatur erschaffen, die keinerlei Leben in sich trägt?‹«

»Die Automaten«, warf Charlotte ein. »Seine Klockwerk-Armee.« Verwirrt starrte Nate die Schattenjägerin an: »Sie haben sie gesehen?«

»Ein paar dieser Kreaturen haben Ihre Schwester gestern Abend angegriffen«, erklärte Will. »Glücklicherweise waren wir Schattenjäger-Monster zur Stelle, um sie zu retten.«

»Wobei man sagen muss, dass sie sich gar nicht schlecht geschlagen hat«, murmelte Jem.

»Wissen Sie etwas über diese Automaten?«, fragte Charlotte drängend und beugte sich begierig vor. »Irgendetwas, das uns weiterhelfen könnte? Hat de Quincey in Ihrer Gegenwart je darüber gesprochen?«

Nate ließ sich gegen die Sessellehne sinken. »Ja, schon. Aber das Meiste habe ich nicht verstanden. Ich bin technisch nicht sehr begabt ...«

»Ach, die Sache ist ganz einfach«, mischte Henry sich in einem beruhigenden Ton ein — wie jemand, der eine verängstigte Katze zu besänftigen versucht.

»Im Augenblick funktionieren de Quinceys Kreaturen nur aufgrund eines inneren Mechanismus: Sie müssen aufgezogen werden, genau wie Uhren. Aber wir haben in seiner Bibliothek die Abschrift einer Zauberformel gefunden, die den Schluss nahelegt, dass er nach einer Möglichkeit sucht, seine Kreaturen mit Leben zu erfüllen ... ihre Klockwerk-Hülle mit Dämonenenergie zu verquicken und damit zum Leben zu erwecken.«

»Oh, das meinen Sie! Ja, darüber hat er mehrfach gesprochen«, erwiderte Nathaniel, erfreut wie ein kleines Kind, das im Unterricht die richtige Antwort zu geben wusste.

Tessa konnte förmlich sehen, wie die Schattenjäger die Ohren spitzten — endlich erhielten sie die Sorte von Informationen, die sie wirklich interessierte.

»Das war einer der Gründe, warum de Quincey die Dunklen Schwestern überhaupt in Dienst genommen hat — nicht nur um Tessa auszubilden«, fuhr Nate fort. »Die Schwestern sind Hexen und sollten für ihn untersuchen, auf welchem Weg eine Verquickung vorgenommen werden konnte. Und das ist ihnen auch gelungen. Zwar erst vor ein paar Wochen, aber sie haben einen Weg gefunden.«

»Tatsächlich?«, fragte Charlotte bestürzt. »Aber warum hat de Quincey diese Formel noch nicht angewendet? Worauf wartet er denn?«

Nate schaute von Charlottes besorgter Miene zu Tessa und danach in die Runde. »Ich ... ich dachte, Sie wüssten das. De Quincey sagte, dass die Verquickungsformel nur bei Vollmond durchgeführt werden könne. Bei Vollendung des zweiten Mondviertels werden die Dunklen Schwestern sich ans Werk machen und dann ... de Quincey hat Dutzende dieser Kreaturen in seinem Versteck gehortet. Und ich weiß, dass er vorhat, noch viel mehr dieser KlockwerkMonster zu erschaffen — Hunderte, wenn nicht gar Tausende. Vermutlich wird er sie dann mit Leben erfüllen lassen und ...«

»Bei Vollmond?«, hakte Charlotte nach, warf einen Blick aus dem Fenster und biss sich auf die Lippe.