Выбрать главу

»Ah jo«, wiederholte Vince.

»Wie groß ist der Zeitunterschied zwischen Maine und Colorado? Eine Stunde?«

»Zwei«, korrigierte Dave.

»Zwei«, wiederholte sie, überlegte. »Zwei Stunden. Als also George, der Zeichner, Cogan zum letzten Mal sah und sich die Fahrstuhltüren schlossen, war es in Maine schon nach zwölf Uhr.«

»Vorausgesetzt, die Zeiten stimmen«, bestätigte Dave, »aber das müssen wir ja nun mal annehmen, oder?«

»Haut das hin?«, wollte Stephanie wissen. »Kann er in der Zeit hergekommen sein?«

»Ja«, antwortete Vince.

»Nein«, antwortete Dave.

»Vielleicht«, sagten die beiden, und Stephanie blickte verdutzt vom einen zum anderen, die Kaffeetasse in der Hand.

16

»Das ist wieder einer der Gründe, warum sich die Geschichte nicht für eine Zeitung wie den Globe eignet«, sagte Vince nach einer kurzen Pause, in der er seinen milchigen Kaffee trank und seine Gedanken sammelte.

»Selbst wenn wir die Story weitergeben wollten.«

»Aber das wollen wir nicht«, warf Dave ziemlich gereizt ein.

»Nein, das wollen wir nicht«, stimmte Vince zu. »Aber selbst wenn wir das täten … Steffi, wenn eine große Zeitung wie der Globe oder die New York Times einen Bericht oder eine Serie macht, dann möchte sie Antworten geben oder wenigstens vorschlagen. Ob ich damit ein Problem habe? Und was für eins! Du kannst jede große Zeitung in die Hand nehmen, und was findest du auf der Titelseite? Fragen, die sich als Nachrichten tarnen. Wo ist Osama bin Laden? Wir wissen es nicht. Was macht der Präsident im Mittleren Osten? Wir wissen es nicht, weil er es selbst nicht weiß. Erholt sich die Wirtschaft oder geht sie den Bach runter? Die Experten streiten sich. Sind Eier gut oder schlecht für die Gesundheit? Hängt davon ab, welcher Studie man glaubt. Nicht mal die Meteorologen legen sich heute noch fest, ob tatsächlich ein Nordostwind aus Nordosten kommt, weil sie sich beim letzten Mal geirrt haben. Wenn eine Zeitung also eine Reportage über bessere Lebensbedingungen für Minderheiten bringt, möchte sie gerne sagen können: Wenn man dies, das und jenes macht, wird die Lage 2030 besser sein.«

»Und wenn sie einen Beitrag über ungelöste Rätsel bringt«, erklärte Dave, »will sie dem Leser sagen können, dass die Lichter an der Küste wahrscheinlich Reflexionen in den Wolken waren und die Vergiftungen beim Picknick der Kirchengemeinde die Tat einer sitzen gelassenen Sekretärin der

Methodisten. Aber die Sache mit dem möglichen Zeitablauf …«

»Über den du ja auch gleich nachgedacht hast«, fügte Vince grinsend hinzu.

»Und der ist wirklich ziemlich zusammengezimmert, egal wie man es wendet«, sagte Dave.

»Dann ist er halt zusammengezimmert«, entgegnete Vince.

»Verdammt, ich habe die Sache untersucht, habe mir fast die Finger wund gewählt, da darf mein Ergebnis doch wohl zusammengezimmert sein, oder?«

»Mein Vater sagte immer, selbst wenn man den ganzen Tag Kreide schneidet, wird kein Käse daraus«, sagte Dave, aber er lächelte ein wenig dabei.

»Stimmt, aber lass mich trotzdem noch ein bisschen rumzimmern«, meinte Vince. »Sagen wir, die Fahrstuhltüren schlossen sich um zwanzig nach zehn, Colorado-Zeit, ja? Sagen wir weiterhin, der Beweisführung zuliebe, dass alles von langer Hand geplant war und ein Wagen mit laufendem Motor vor dem Gebäude wartete.«

»Okay«, sagte Stephanie und beobachtete Vince aufmerksam.

»Reine Phantasie«, schnaubte Dave verächtlich, wirkte aber dennoch interessiert.

»Es ist natürlich weit hergeholt«, stimmte Vince zu, »aber schließlich war er um Viertel nach zehn in Denver und etwas mehr als fünf Stunden später bei Jan’s Wharfside. Das ist auch weit hergeholt, aber es ist eine Tatsache. Beide Male war er es selbst. Darf ich jetzt fortfahren?«

»Tu dir keinen Zwang an«, sagte Dave.

»Wenn ein Auto mit laufendem Motor auf ihn wartete, brauchte er vielleicht eine halbe Stunde bis nach Stapleton. Einen Linienflug kann er auf gar keinen Fall genommen haben. Er hätte das Ticket bar bezahlt und einen Decknamen benutzt haben können – damals ging das noch –, aber es gibt keine direkten Linienflüge von Denver nach Bangor. Überhaupt keine von Denver nach Maine.«

»Habt ihr das geprüft?«

»Ja, ich. Mit einem Linienflug wäre er frühestens um Viertel vor sieben in Bangor gelandet, lange nachdem das Mädchen im Restaurant ihn gesehen hatte. Zu der Jahreszeit wäre sogar schon die letzte Fähre nach Moosie fort gewesen.«

»Um sechs geht die letzte?«, fragte Stephanie.

»Ja, und zwar bis Mitte Mai«, erwiderte Dave.

»Dann muss er Charter geflogen sein«, sagte sie. »Ein Charterflugzeug? Gab es Fluggesellschaften, die von Denver aus mit Charterjets flogen? Hätte er sich das leisten können?«

»Ja, ja und ja«, antwortete Vince, »aber es hätte ihn schon ein paar tausend Mäuse gekostet, das hätte sich auf jeden Fall auf seinem Bankkonto bemerkbar gemacht.«

»Tat es aber nicht?«

Vince schüttelte den Kopf. »Es gab keine auffälligen Kontobewegungen vor seinem Verschwinden. Trotzdem muss er ein Flugzeug gechartert haben. Ich habe bei verschiedenen Chartergesellschatten nachgefragt, die mir alle versicherten, dass der Flug an einem guten Tag – wenn eine kleine Lear wie die 35 oder 55 in einen kräftigen Jetstream gerät – rund drei Stunden dauern würde, vielleicht etwas länger.«

»Von Denver nach Bangor«, wiederholte Stephanie.

»Von Denver nach Bangor, ja, es gibt hier in der Nähe sonst nichts, wo die kleinen Vögel landen können. Die Rollbahn ist nicht lang genug, verstehst du?«

Ja, das verstand sie. »Habt ihr die Chartergesellschaften in Denver überprüft?«

»Ich hab’s versucht. Leider ohne großen Erfolg. Von den fünf Gesellschaften, die Jets in der fraglichen Größenordnung haben, waren überhaupt nur zwei bereit, mit mir zu reden. Müssen sie schließlich nicht, stimmt’s? Ich war nur ein Kleinstadt-Journalist, der einen Unfalltod recherchiert, kein Bulle, der in einem Mordfall ermittelt. Einer von ihnen erklärte mir außerdem, dass es nicht nur darum ging, die FBOs zu überprüfen, die von Stapleton aus starten …«

»Was sind FBOs?«

»Fixed Base Operations«, erklärte Vince. »Das sind Gesellschaften, die Flugzeuge chartern, aber auch zahlreiche andere Dienstleistungen anbieten: Sie holen Startgenehmigungen ein, unterhalten kleine Terminals für Passagiere, die privat fliegen, damit sie nicht unters gemeine Volk müssen, außerdem verkaufen, warten und reparieren sie Flugzeuge. Bei zig FBOs kann man durch den Zoll gehen, man kann bei ihnen Höhenmesser kaufen, wenn der eigene kaputt ist, oder der Pilot kann sich acht Stunden in der Lounge erholen, wenn er seine maximale Flugzeit erreicht hat. Manche FBOs wie Signature Air sind riesige Unternehmen, große Ketten wie Holiday Inn oder McDonald’s. Andere sind kleine Klitschen mit einem Snackautomaten und einem Windsack am Rollfeld.«

»Du hast dich wirklich schlau gemacht«, sagte Stephanie anerkennend.

»Allerdings, und inzwischen weiß ich, dass nicht nur Piloten und Flugzeuge aus Colorado Stapleton und andere Flughäfen in Colorado anflogen oder anfliegen. Zum Beispiel könnte das Flugzeug einer FBO von La-Guardia in New York mit Passagieren nach Denver fliegen, die ihre Verwandten in Colorado besuchen wollen. Dann erkundigt sich der Pilot, ob jemand nach New York will, damit er nicht leer zurück muss.«

»Heutzutage stehen die Passagiere für den Rückflug natürlich vorher im Computer«, sagte Dave. »Verstehst du, Steffi?«

Sie nickte. Und sie sah noch etwas anderes. »Das heißt, die Buchung für Mr Cogans Flug könnte beispielsweise im Archiv von Adler Air in New York sein.«

»Oder bei Adler Air in Montpelier, Vermont«, ergänzte Vince.

»Oder bei Alles in Butter Jets aus Washington, D. C«, sagte Dave.