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Und so hatte ich mir Französisch in Kairo angeeignet, Russisch in Moskau, Spanisch in Madrid. An Japanisch hatte er nicht gedacht. Diese Versetzung war eine Laune des Auswärtigen Amtes gewesen.

Als Vicky und Belinda wiederkamen, Vicky diesmal in Rot, fuhren wir zu einer kleinen Dorfschenke mit angebautem Restaurant. Ken und Belinda kannten den Weg, und ich lenkte den Mietwagen mit Vicky und Greg im Fond hinter ihnen her, was Belinda zu dem Fehlschluß verleitete, »Helfer« bedeute Chauffeur. Sie warf mir streng mißbilligende Blicke zu, als ich ihnen allen in die Bar folgte und Kens Einladung zu einem Drink vor dem Essen annahm.

Wir setzten uns an einen kleinen dunklen Tisch in der Ecke eines Raums mit schwerem Balkenwerk und Eichenmöbeln. Das Licht der rot beschirmten Wandlampen war gerade hell genug, damit wir die Speisekarten lesen konnten, und insgesamt herrschte eine warme Atmosphäre, wie man sie auf der ganzen Welt nicht findet, außer in einem britischen Pub.

Belinda starrte mich über ihr Glas hinweg an. »Mutter sagt, Sie sind Sekretär. Ich verstehe nicht, wozu sie einen braucht.«

»Nein, Liebes -«, setzte Vicky an, doch Belinda bewegte Schweigen gebietend die Hand. »Sekretär, Chauffeur, Hilfskraft, was heißt das schon? Jetzt, wo du hier bist, kann ich mich sehr gut selber um dich kümmern, Mutter. Entschuldige, daß ich so offen bin, aber mir ist nicht klar, warum du diesen Personalaufwand betreibst.«

Greg und Vicky fiel das Kinn herunter, und beide sahen zutiefst verlegen aus.

»Peter .« Vicky fehlten die Worte.

»Ist schon gut«, versicherte ich ihr und sagte ruhig zu Belinda: »Ich bin Staatsbeamter. Referent im Auswärtigen Amt. Ihre Mutter bezahlt mich nicht. Ich bin wirklich nur hier, um ihnen über die schwierigen ersten Tage nach dem Überfall hinwegzuhelfen. Ich wollte sowieso nach England, deshalb sind wir zusammen gefahren. Vielleicht hätte ich das eher erklären sollen. Tut mir sehr leid.«

Sich schuldlos zu entschuldigen entschärfte gewöhnlich die Lage, hatte ich festgestellt. Die Japaner taten es unentwegt. Belinda zuckte mit den Schultern und verzog den Mund. »Dann entschuldigen Sie«, sagte sie ungefähr in meine Richtung, ohne mich wirklich anzusehen. »Aber woher sollte ich das wissen?«

»Ich hab dir doch erzählt ...«:, begann Vicky.

»Lassen Sie nur«, sagte ich. »Was steht denn Gutes auf der Speisekarte?«

Das wußte Belinda sofort, und schon belehrte sie Greg und ihre Mutter. Ken war mit seinen Gedanken die ganze Zeit weit fort gewesen, aber jetzt bemühte er sich sichtlich, die Stimmung des Abends zu retten, und einigermaßen gelang es ihm.

»Was für einen Wein möchtest du zum Essen . ehm . Mutter?« fragte er.

»Sag nicht Mutter zu mir, sag Vicky.«

Er ging mühelos zu Vicky über, ohne das »ehm«. Sie sagte, sie trinke am liebsten Rotwein. Irgendeinen. Er könne wählen.

Vicky und Ken würden miteinander auskommen, dachte ich, und das freute mich für Vicky. Belinda taute beim Essen soweit auf, daß die zarte Schönheit, die es Ken angetan haben mußte, zur Geltung kam, und Greg brachte einen Toast auf ihre Hochzeit aus.

»Sind Sie verheiratet?« fragte mich Ken, als er mit Vicky anstieß.

»Noch nicht.«

»Tragen Sie sich mit dem Gedanken?«

»Mehr oder weniger schon.«

Er nickte, und ich dachte an die junge Engländerin, die ich in Japan zurückgelassen und die sich einen dickeren Fisch aus dem Diplomatenteich geangelt hatte. Die jungen Engländerinnen unter den Botschaftsangestellten im Ausland waren oft die erlesenen Produkte vornehmer Internatserziehung, in aller Regel intelligent und gutaussehend. Liebschaften zwischen ihnen und den unverheirateten Diplomaten machten das Leben rundum interessant, endeten oft aber ohne Aufhebens, ohne Tränen. Ich hatte in drei verschiedenen Ländern liebevoll Lebewohl gesagt und es nicht bedauert.

Als der Kaffee kam, hatten die Beziehungen zwischen Greg, Vicky, Belinda und Ken bereits die Form angenommen, die sie wahrscheinlich behalten würden. Vicky war wie eine frisch gegossene Rose so weit wiederaufgeblüht, daß sie ganz leicht mit Ken flirtete. Ken und Greg waren nach außen herzlich, blieben innerlich aber steif. Belinda kommandierte ihre Mutter herum, war zurückhaltend gegenüber Greg und betrachtete Ken als ihr Eigentum. Alles in allem eine ziemlich normale Konstellation.

Ken zog sich mit seinen Sorgen immer noch etwa alle fünf Minuten sekundenlang in sich selbst zurück, machte aber keinen Versuch, darüber zu reden. Statt dessen sprach er von einem Pferd, das er vor zwei Jahren für ein Spottgeld gekauft hatte, um es vor dem Einschläfern zu bewahren.

»Schönes Pferd«, sagte er. »Hatte sich ein Röhrbein gebrochen. Der Besitzer wollte es töten lassen. Ich sagte ihm, ich könne das Tier retten, wenn er die Operation bezahle, aber dafür wollte er nicht aufkommen. Außerdem hätte das Pferd natürlich ein Jahr aussetzen müssen, bevor es wieder lief. Zuviel Umstände, meinte der Besitzer. Schläfern Sie’s ein. Also bot ich ihm ein bißchen mehr, als er von den Hundefutterfabrikanten bekommen hätte, und er war einverstanden. Ich hab das Pferd operiert, hab es ruhen lassen, dann wieder ins Training gestellt, und seit es neulich ein Rennen gewonnen hat, redet Ronnie Upjohn, das ist der Besitzer, kein Wort mehr mit mir, außer daß er sagt, er will mich verklagen.«

»So eine Frechheit«, sagte Vicky empört.

Ken nickte. »Zum Glück hab ich mir damals von ihm schriftlich geben lassen, daß er wußte, eine Operation könnte das Pferd vielleicht retten, daß er es aber lieber einschläfern lassen wollte, deshalb hat er vor Gericht keine Chance. Er wird schon nicht klagen. Aber ich denke, ich habe einen Kunden verloren.«

Ronnie Upjohn, dachte ich.

Den Namen kannte ich auch. Konkrete Einzelheiten konnte ich nicht damit verbinden, nur daß er in meiner vagen Erinnerung mit einem anderen Namen verknüpft war: Travers.

Upjohn und Travers.

Wer oder was waren Upjohn und Travers?

»Wir haben vor, das Pferd in ein paar Wochen hier in Cheltenham laufen zu lassen«, sagte Ken. »Ich will es Belinda schenken, es tritt dann in ihrem Namen an, und wenn es gewinnt, ist das ein schönes Hochzeitsgeschenk für uns beide.«

»Was für ein Rennen?« fragte ich gesprächshalber.

»Ein Hürdenlauf über zwei Meilen. Sind Sie Rennsportliebhaber?«

»Ich gehe manchmal hin«, sagte ich. »In Cheltenham war ich seit Jahren nicht mehr.«

»Peters Eltern haben sich auf der Rennbahn von Cheltenham kennengelernt«, sagte Vicky, und da Belinda und Ken sich interessiert zeigten, erzählte ich ihnen allen eine Version der Tatsachen, die zwar keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben konnte, aber durchaus genügte für das zwanglose Tischgeplauder mit Leuten, die man voraussichtlich nicht näher kennenlernen wird.

»Meine Mutter half dort als Sekretärin aus«, sagte ich. »Mein Vater platzte in ihr Büro, um etwas zu fragen, und peng, Liebe auf den ersten Blick.«

»Bei uns war es nicht auf den ersten Blick«, sagte Belinda und berührte flüchtig Kens Hand. »Eher auf den fünfzigsten oder sechzigsten.«

Ken nickte. »Ich hatte sie monatelang vor der Nase und hab sie nie so richtig wahrgenommen.«

»Du mußtest erst über diese schreckliche Eaglewood wegkommen«, neckte Belinda.

»Izzy Eaglewood ist nicht schrecklich«, widersprach Ken.

»Ach, du weißt doch, wie ich das meine«, sagte seine Verlobte; und natürlich wußten wir es alle.

Izzy Eaglewood, dachte ich. Ein vertrauter Name, der doch falsch klang. Irgendwie anders. Eaglewood war