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»Falls wir noch eine Praxis haben«, sagte Ken heftig.

Dieser Gedanke war auch schon den anderen gekommen, die weiter trübsinnig dreinschauten.

»Wie ist das Feuer ausgebrochen?« fragte ich.

Der grauhaarige Mann antwortete mit todmüder Stimme: »Wir hatten die Anstreicher hier. Unter uns verzichten wir aufs Rauchen, aber Handwerker mit Zigaretten ...« Er ließ den Satz unbeendet, denn das Szenario war allgemein bekannt.

»Keine Brandstiftung also«, sagte ich.

»Sind Sie Journalist?« wollte eine von den Frauen wissen.

»Nein, ganz bestimmt nicht.«

Ken schüttelte den Kopf. »Er ist Diplomat. Er regelt alles mögliche.«

Keiner von ihnen wirkte beeindruckt. Die Frauen meinten, ein Diplomat sei das letzte, was sie brauchten, doch der grauhaarige Mann sagte, wenn ich irgendwelche praktischen Vorschläge hätte, solle ich sie äußern.

Zögernd sagte ich: »Ich würde die ganze Nacht jemand hierlassen, bei voller Beleuchtung.«

»Tja ... wieso?«

»Falls es doch Brandstiftung war.«

»Das kann keine Brandstiftung gewesen sein«, sagte der Grauhaarige. »Weshalb sollte irgend jemand unsere Praxis anzünden wollen?«

Einer der anderen Männer sagte: »Bei der Klinik hier hätten sie jedenfalls nicht viel ausrichten können. Die haben wir ganz aus feuerhemmendem Material bauen lassen. Sie ist angeblich brandsicher.«

»Und sie hat ja auch nicht gebrannt«, sagte die Frau. »Die Feuerschutztüren im Durchgang haben standgehalten. Die Feuerwehrleute haben tonnenweise Wasser da hineingejagt.«

»Und den Kaffeeautomaten ruiniert«, sagte der Mann auf dem Fußboden.

Einige lächelten schwach.

»Wir haben also noch unsere Klinik«, erklärte mir der grauhaarige Mann, »aber wir haben die Apotheke verloren, das Labor, die Kleintierpraxis und, wie Sie gehört haben, alle unsere Unterlagen. Die Steuer situation allein . « Er brach ab und schüttelte hoffnungslos den Kopf. »Ich glaube, ins Bett zu gehen war ein guter Vorschlag, und wir sollten ihn annehmen. Wer aber die Nacht über hierbleiben kann, soll sich bitte melden.«

Sie hatten alle genug, und niemand muckste sich.

Nach einer merklichen Pause stieß Ken hervor: »Ich bleibe, wenn Peter bleibt.«

Das hatte ich mir selbst eingebrockt, dachte ich. Nun ja.

»Okay«, sagte ich.

»Wer hat Bereitschaftsdienst?« fragte der grauhaarige Mann.

»Ich«, sagte Ken.

»Und ich auch«, setzte eine dunkelhaarige junge Frau hinzu.

Der Grauschopf nickte. »In Ordnung. Ken bleibt dann hier. Alle anderen gehen schlafen.« Er stand auf und stieß sich müde, mit flach aufgelegten Händen vom Schreibtisch ab. »Kriegsrat morgen früh um neun hier, in diesem Büro.« Er kam um den Schreibtisch herum und blieb vor mir stehen. »Danke, wer immer Sie sind.« Er drückte mir kurz die Hand. »Carey Hewett«, stellte er sich vor.

»Peter Darwin.«

»Oh. Irgendwie verwandt mit ...?«:

Ich schüttelte den Kopf.

»Nein. Natürlich nicht. Es ist spät. Feierabend, Leute.«

Er ging als erster aus dem Büro, und die anderen wanderten hinter ihm her, gähnten und nickten mir kurz zu, nannten aber nicht ihre Namen. Keiner von ihnen zeigte sich neugierig oder äußerte gar Bedenken gegenüber dem Fremden, den sie so einfach auf ihrer Klinik zurückließen. Wahrscheinlich vertrauten sie Ken und übertrugen ihr Vertrauen auch auf seine Bekannten.

»Wo ist Belinda?« fragte ich, als der letzte von ihnen verschwunden war.

»Belinda?« Ken sah einen Augenblick verwirrt aus. »Belinda ... die ist mit den Pferden weg.« Er schwieg und erklärte es dann. »Wir hatten drei Pferde draußen in den Boxen. Patienten. Pflegebedürftig. Wir haben sie zu einem Trainer geschafft, der Platz in seinem Stall hat. Belinda ist mitgefahren, um nach dem Rechten zu sehen.« Neuerliche Pause. »Sie waren aufgeregt, verstehen Sie? Sie konnten den Rauch riechen. Und wir wußten ja nicht ... ich meine, die Klinik hätte doch auch in Brand geraten können - und die Boxen.«

»Ja.«

Er zitterte immer noch.

Ich sagte: »Es ist ganz schön kalt hier.«

»Bitte? Ja, wahrscheinlich. Die Feuerwehrleute sagten, wir sollten die Zentralheizung erst wieder anstellen, wenn sie überprüft worden ist. Wir haben Gasheizung.«

»Gas? Auch im Bürogebäude?«

»Ja, aber sie war abgestellt. Ist sie nach Feierabend immer. Die Feuerwehrleute fragten danach.« Er starrte mich an. »Sie haben sofort die Hauptleitung gesperrt.« Das Zittern wurde wieder stärker. »Das Ganze ist ein Alptraum. Es ist ... es ist ...«

»Ja«, sagte ich, »setzen Sie sich.« Ich wies auf den Sessel des grauhaarigen Mannes hinter dem Schreibtisch, die einzige halbwegs bequeme Sitzgelegenheit, die zu sehen war.

Ken tastete sich vorwärts und setzte sich, als wären ihm die Beine weggeknickt. Er hatte die Art von langen, schlaksigen Gliedmaßen, die immer so aussehen, als seien sie im Begriff, aus dem Hüftgelenk, Kniegelenk, Fußgelenk zu springen - ein Skelett, das kaum noch hält. Der längliche Norwegerkopf unterstrich diesen Eindruck, und die dünnen großknochigen Finger waren eine Anatomiestunde für sich.

»Von dem Feuer abgesehen«, sagte ich, »wo liegt das Problem?«

Er stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch und legte den Kopf in die Hände und antwortete mindestens eine Minute lang nicht. Als er schließlich sprach, war seine Stimme leise und äußerst beherrscht.

»Ich operiere etwa fünfmal in der Woche Pferde.

Normalerweise verliert man noch nicht eins von zweihundert, die auf den Operationstisch kommen. Bei mir wären das ein bis höchstens zwei Todesfälle im Jahr. Man kann nichts dafür, Pferde sind schwierig in der Narkose. Wie auch immer«, er schluckte, »mir sind in den vergangenen zwei Monaten vier weggestorben.«

Das schien mir eher Pech zu sein als eine fürchterliche Katastrophe, doch ich sagte: »Ist das übermäßig viel?«

»Sie verstehen nicht!« Die Anspannung ließ seine Stimme einen Moment auffahren, und er unterdrückte sie mit Mühe.

»Das geht in der Branche doch wie ein Lauffeuer herum. Die Leute lachen sich eins. Dann dringt es auch bald an die Öffentlichkeit, und keiner schickt einem noch Pferde. Sie verlangen einen anderen Tierarzt. Man braucht Jahre, um sich einen Namen zu machen. Verlieren können Sie ihn wie nichts.« Er schnippte mit den langen Fingern. »Ich weiß, daß ich ein guter Chirurg bin. Carey weiß es, sie wissen es alle, sonst wäre ich bereits draußen. Aber sie müssen auch an sich selbst denken. Wir sitzen alle im selben Boot.«

Ich winkte mit der Hand durch das leere Büro.

»Die Leute, die hier waren ...?«:

Ken nickte. »Eine Gemeinschaftspraxis von sechs Tierärzten, mich eingeschlossen, und dazu Scott, der Anästhesiepfleger. Und bevor Sie mich fragen - nein, ihm kann ich nichts vorwerfen. Er ist fachlich kompetent und im übrigen ausgebildeter Tierpfleger, wie Belinda.«

»Was ist heute morgen passiert?« fragte ich.

»Wieder das gleiche«, sagte Ken unglücklich. »Ich hatte eine Röhrbeinfraktur zu verschrauben. Routine. Aber der Herzschlag des Pferdes verlangsamte sich, und sein Blutdruck sank wie ein Stein, und wir konnten es nicht zurückholen.«

»Wir?«

»Normalerweise wären es nur Scott, Belinda und ich gewesen, aber heute hat auch Oliver Quincy assistiert. Und zwar, weil der Besitzer darauf bestand, er hatte nämlich die Gerüchte gehört. Und trotzdem ist das Pferd gestorben, und ich kann nicht ... ich weiß nicht ... mein ganzes Leben hängt daran.«

Nach einer Pause sagte ich: »Die Instrumente und Medikamente, die Sie benutzen, haben Sie alle überprüft, nehme ich an.«

»Aber natürlich. Wieder und wieder. Heute morgen haben wir alles doppelt kontrolliert, bevor wir es benutzt haben. Dreifach. Ich hab’s geprüft, Scott hat’s geprüft, Oliver hat’s geprüft. Jeder für sich.«