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»Meiner da drüben«, sagte Fred, in die entgegengesetzte Richtung deutend.

Wir trennten uns, der Abend war vorbei.

»Sind nett, die Leute«, sagte Fred zufrieden.

»Ja«, stimmte ich zu.

Wir stiegen in seinen Wagen und schnallten uns pflichtbewußt an. Er ließ den Motor anspringen, schaltete das Licht ein, stieß rückwärts aus der Parklücke und schlug die Richtung zum Flughafen ein.

»Stopp!« rief ich plötzlich und riß an dem Verschluß des Sicherheitsgurts herum, der so leicht zugegangen war.

»Was?« Fred stellte den Fuß auf die Bremse, begriff

aber nichts. »Was zum Teufel ist denn los?«

Ich antwortete ihm nicht. Ich bekam endlich den blöden Gurt herunter, stieß die Tür auf und rannte fast schon los, noch ehe ich beide Füße auf dem Boden hatte.

Beim Herausfahren hatte ich im gleitenden Licht von Freds Scheinwerfern Vicky gesehen - das ferne Glitzern ihres paillettenbesetzten Kasacks -, und ich hatte gesehen, daß sie kämpfte, daß sie hinfiel, bedrängt von einer dunklen Gestalt, die sie halb verdeckte und sie angriff, eine Gestalt mit unverkennbar bösen Absichten ...

Ich rannte schneller und hörte sie gellend schreien.

Ich rief: »Vicky, Vicky«, um damit den Straßenräuber zu verscheuchen, doch er klebte an ihr wie eine Klette, vornübergebeugt, entschlossen, während sie am Boden lag und nach ihm trat.

Von Greg war nichts zu sehen.

Ich erreichte den Mann bei Vicky und rammte ihn aus vollem Lauf, um ihn in die Flucht zu schlagen. Er war robuster, als ich gedacht hatte, und so leicht nicht abzuschrecken, und er lief keineswegs vor mir weg, sondern schien mich lediglich als weiteres Opfer zu betrachten. Seine kräftige Faust schoß nach meinem Gesicht, ein Schlag, dem ich rein instinktiv auswich, und ich versuchte ihn bei den Kleidern zu fassen und gegen ein parkendes Auto zu werfen.

Ohne Erfolg. Sein nächster Schlag traf mich in den Brustkorb, daß mir die Luft wegblieb und daß ich meinte, er hätte mir das Herz ans Rückgrat gepinnt. Das Gesicht über den Fäusten war eine dunkle Fläche mit schmalen Augen: Er war kleiner als ich und stämmiger.

Ich drohte den Kampf zu verlieren, und das machte mich zwar wütend, aber auch nicht viel wehrhafter. Ich hatte es mit Feindseligkeit zu tun, dachte ich, nicht nur mit

Habgier. Hinter dem Überfall steckte Haß.

Vicky, die stöhnend davongekrochen war, kam plötzlich wie elektrisiert auf die Beine und trat hinter unseren Angreifer. Einen Moment lang sah ich ihre Augen über seiner Schulter, angstgeweitet und doch resolut. Sie zielte und versetzte ihm einen heftigen Fußtritt. Er zischte seinen Schmerz heraus, drehte sich nach ihr um und bekam einen ungezielten Tritt von mir, der ihn in die Kniekehle traf.

Vicky hielt ihre Hände mit den langen scharlachroten Nägeln vor sich, die Finger gekrümmt wie eine Hexe. Auf ihrem Kasack waren glänzende Blutspritzer. Ihr Mund war weit geöffnet, die Lippen aber vorgestülpt, so daß es in dem trüben Licht aussah wie das Zähnefletschen eines Wolfs, und sie stieß einen Schrei aus, der tief begann und sich zu einem lauten, hellen Kreischen irgendwo über dem hohen G steigerte.

Es ließ mir die Nackenhaare zu Berge stehen, und dem Dieb nahm es den Mut. Er stolperte einen Schritt an ihr vorbei, dann noch einen und verzog sich endlich in einem schwerfälligen Trott.

Vicky sank mir kraftlos in die Arme, nicht mehr die wütende, siegreiche Furie, sondern nur noch ein zitterndes Häufchen Elend, das mit heiserer Stimme wirres Zeug redete.

»Gott. Ogottogott ... Die waren zu zweit ... Greg ...«

Rasch näher kommende Scheinwerfer strahlten uns an. Vicky und ich erstarrten wie geblendete Kaninchen, und ich spannte die Muskeln, um uns beide nach der Seite zu werfen, als der Wagen mit quietschenden Reifen anhielt und die schwarze Gestalt, die wie ein Schatten in den Lichtkegel trat, sich in den vertrauten Anblick Freds verwandelte. Der rettende Konsul. Guter alter Fred. Ich fühlte mich etwas benommen und kam mir deshalb blöd vor.

»Geht’s ihr gut?« fragte Fred mich besorgt. »Wo ist Greg?«

Vicky und ich lösten uns voneinander, und zu dritt machten wir uns auf die Suche nach Greg.

Er war nicht schwer zu finden. Bewußtlos zusammengesunken lag er vor dem Hinterrad auf der straßenabge-wandten Seite des dunkelblauen BMW, der ihm und Vicky gehörte.

Ein Augenblick ungläubigen, entsetzten Schweigens trat ein. Dann fiel Vicky mit einem Aufschrei neben ihm auf die Knie, und ich hockte mich hin und legte ihm die Finger an den Hals, um den Puls unter seinem Kinn zu fühlen.

»Er lebt«, sagte ich erleichtert im Aufstehen.

Vicky schnüffelte, weinte immer noch vor Kummer. Fred sagte, praktisch wie immer: »Am besten rufen wir einen Krankenwagen.«

Ich stimmte ihm zu, doch ehe wir etwas unternehmen konnten, jaulte ein Polizeiauto die Straße entlang und hielt neben uns an, auf dem Dach eine Leiste mit rot, weiß und blau blinkendem Licht.

Ein kräftiger Mann in mitternachtsblauer Hose und Hemd mit Dienstabzeichen stieg aus, zückte sein Notizbuch und erklärte, er sei wegen einer schreienden Frau verständigt worden; was es damit auf sich habe? Alle Achtung, dachte ich. Phantastisches Einsatztempo. Er sei in der Nähe Streife gefahren, sagte er.

Greg begann zu stöhnen, bevor jemand antworten konnte, und als er versuchte, sich aufzurappeln, wirkte er benommen, desorientiert und schrecklich alt.

Vicky umfaßte seine Schultern, um ihn zu stützen. Gequält, voll Rührung und Dankbarkeit blickte er sie an, sah das Blut an ihrem Kleid und bat sie um Entschuldigung.

»Entschuldigung!« rief Vicky verständnislos. »Wofür denn?«

Er antwortete nicht, aber was er meinte, war klar: Es tat ihm leid, daß er sie nicht hatte beschützen können. Ich wertete es als gutes Zeichen, offenbar wußte er, wo er war und was passiert war.

Der Polizist rief über das Sprechfunkgerät, das er am Gürtel trug, den Krankenwagen und fragte Vicky dann bemerkenswert freundlich, was eigentlich vorgefallen sei. Sie blickte zu ihm hoch und versuchte zu antworten, doch die Sätze kamen unzusammenhängend und unter halb hysterischen Atemstößen heraus, wie Gedankensplitter.

»Gregs Brieftasche . die haben seinen Kopf gegen den Wagen geknallt ... Schatten ... hab sie nicht gesehen ... er wollte ... na ja, er wollte mir die Ringe abnehmen ... die Flugscheine ... es ist die Hochzeit meiner Tochter ... ich hätte ihn umgebracht ...«

Sie hörte auf zu reden, als wüßte sie selbst, daß es ungereimtes Zeug war, und sah hilflos von einem zum andern.

»Lassen Sie sich Zeit, Ma’am«, sagte der Polizist. »Nur langsam.«

Sie holte tief Atem und versuchte es noch einmal. »Die haben da gelauert ... hinter dem Wagen ... ich könnte sie umbringen ... Sie haben sich auf Greg gestürzt, als er rüber ist ... ich hasse sie ... Ich hoffe, die brechen sich das Genick .«

Sie hatte rote Flecke über den Backenknochen von der extremen Anspannung, und ähnlich gerötete Stellen an Kinn und Hals. An ihrem Hals war auch Blut, ziemlich viel sogar.

»Es geht Ihnen schon besser«, sagte der Polizist.

Er war ungefähr in meinem Alter, dachte ich, und der

Dienst hatte ihm die ungezwungene Freundlichkeit noch nicht ausgetrieben.

»Mein Ohr tut weh«, sagte Vicky heftig. »Ich könnte ihn umbringen.«

Wir hatten wohl alle schon bemerkt, woher das Blut auf ihrem Kasack kam, uns aber noch nicht darum gekümmert. An einem ihrer Ohrläppchen war eine ausgefranste, gleichmäßig tropfende Wunde. Sie drehte ein wenig den Kopf, und plötzlich schimmerte das andere Ohr im Licht der Scheinwerfer, geschmückt mit einem großen, diamantenbekränzten Aquamarin.

»Ihr Ohrring!« rief Fred aus und suchte bereits nach einem Taschentuch, fand aber keins. »Sie müssen verbunden werden.«

Vicky hielt sich zögernd einen Finger ans Ohr und zuckte scharf zusammen.