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Ken sagte noch einmaclass="underline" »Allmächtiger« und wandte sich der Steuerung für den Kran zu.

»Nicht anrühren«, sagte ich.

Er hielt inne und drehte sich wieder um. »Klar, Sie haben recht. Aber es ist doch falsch, ihn so liegenzulassen.«

Ich schüttelte den Kopf. Wir mußten ihn so liegenlassen, und wenn das einem Menschen gleichgültig war, dann Scott selbst.

»Wir müssen die Polizei rufen«, sagte Ken dumpf.

»Ja. Und Yvonne helfen, und dafür sorgen, daß niemand mehr hier hereinkommt.«

»Gott.«

Ein Nahthefter lag zu meinen Füßen auf dem Boden. Ich ließ ihn liegen. Es brannte kein Licht: Nur das Tageslicht fiel durch mattverglaste Oberlichter. Alles sah sauber und ordentlich aus, einsatzbereit. Es spielte keine Rolle mehr, dachte ich, daß wir ohne Überschuhe in diesen sterilen Bereich gelaufen waren.

Wir gingen wieder auf den Gang hinaus und zu Yvonne, die am Boden kniete, den Kopf an die Wand gedrückt. Ken hockte sich neben sie. Sie drehte sich um und klammerte sich schluchzend an ihn.

»Er war ... so gut ... zu meinen Jungs.«

Es gab schlimmere Grabsprüche. Ich ging an den beiden vorbei ins Büro und holte Kens Schlüsselbund, das auf dem Schreibtisch lag. Die Etiketten waren vom häufigen Gebrauch alle verwischt, aber ich fand »OP-Vorraum« und ging damit den Flur hinunter, um zu sehen, worauf er paßte.

Yvonne und Ken waren aufgestanden. Er gab ihr gerade sein nicht besonders sauberes Taschentuch, damit sie ihr verweintes Gesicht abwischen konnte. Mit stumpfen Augen beobachtete er, wie ich vorbeiging; wahrscheinlich gelang es ihm ebensowenig wie mir, den Anblick im OP zu verdrängen.

Die Tür zum Vorraum war sicher mit allen möglichen Fingerabdrücken übersät, aber ich führte trotzdem den Schlüssel ein, ohne noch welche hinzuzufügen, und stellte fest, daß er sich mühelos drehen ließ. Indem ich nur den Schlüssel anfaßte, schloß ich die Tür, sperrte sie ab und ging dann um die Ecke, den Flur entlang, nichts wie hinaus an die frische Luft.

Die Außentür, die zur Großtier-Aufnahme führte, war geschlossen. Ich suchte den Schlüssel aus dem Bund und steckte ihn ins Schlüsselloch. Ich drehte ihn wie zum Aufschließen, aber nichts geschah. Ich versuchte es andersherum: Das Schloß klickte hörbar zu. Damit war die ganze Chirurgie vor zufälligen Blicken geschützt, doch alle hatten Schlüssel ... es war eine einzige Katastrophe.

Ich kehrte zum Büro zurück, wieder vorbei an der dünnen Lache von Erbrochenem. Ken hatte den Arm um

Yvonne gelegt und führte sie zum Waschraum hinter der Eingangshalle. Ich fand ein großes Stück Papier, schrieb BITTE NICHT EINTRETEN darauf, schnappte mir eine Rolle Klebeband und ging zur Außentür. Selbst Oliver, dachte ich, als ich die Notiz anklebte, würde sich vielleicht daran halten, zumindest bis er sich im Büro erkundigt hatte, warum sie dort war.

Ich ging ins Büro und schrieb einen zweiten Zettel, den ich an die Tür des OP-Vorraums klebte, wieder ohne Fingerabdrücke zu hinterlassen. Dann kam Ken aus der Eingangshalle ins Büro, und einen Moment lang standen wir nur schweigend da und schauten auf das Telefon.

»Das wird furchtbar«, sagte er.

»Mhm.«

Er setzte sich in den Sessel hinter dem Schreibtisch und griff zum Hörer. »Yvonne sagt, Carey ist noch nicht da. Er wollte vor der Obduktion vorbeikommen. Meinen Sie nicht, wir sollten auf ihn warten?«

»Nein.«

»Aber was sage ich denn?« fragte er dumpf. »Wie kann ich das sagen?«

»Sagen Sie einfach, wer Sie sind, wo Sie sind und daß hier ein Toter ist. Sprechen Sie langsam, das spart Zeit.«

»Machen Sie das.« Er gab mir den Hörer. »Mir ist schlecht.«

Ich machte es in Diktiergeschwindigkeit. Es werde jemand kommen, sagten sie.

Noch vor der Ankunft der Polizei tauchte Carey selber auf und wollte wissen, warum das Eintrittsverbotsschild an der Tür war.

»Ich wußte nicht, daß eins da ist«, sagte Ken müde.

»Das habe ich aufgehängt«, sagte ich.

»Aha.«

»Warum?« fragte Carey.

Ihm das zu sagen fiel mir schwer. Als ich es tat, wurde er noch grauer. Ken überließ ihm den Schreibtischsessel und fragte, ob er einen Schluck Wasser haben wolle. Carey stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch, legte den Kopf in die Hände und antwortete nicht.

Das Telefon klingelte, und da es meiner Hand am nächsten war, nahm ich ab.

»Hier Lucy. Wer ist am Apparat?« fragte eine Stimme.

»Peter.«

»Oh. Ist Yvonne da?«

»Ehm . wo sind Sie?«

»Im Container natürlich.«

Mir fiel ein, daß man die Nummer des alten Gebäudes auf einen provisorischen Anschluß in der Behelfsunterkunft übertragen hatte. Das dünne Band der Ärztegemeinschaft zur gut organisierten Praxis von einst wurde jetzt bis zum äußersten strapaziert.

»Yvonne ist hier«, sagte ich, »aber sie fühlt sich nicht wohl.«

»Vor einer Viertelstunde ging es ihr noch prima.«

»Lucy, wenn Sie können, kommen Sie hier rüber.«

»Unmöglich. Belinda und ich stecken bis über die Ohren in Staupe-Impfungen. Na, würden Sie Yvonne jedenfalls ausrichten, daß ihr überfahrener Hund hier eingetroffen ist, aber der Ärmste ist schon tot. Sie soll doch bitte herkommen und mit den Besitzern sprechen, die sind ganz außer sich.«

»Sie kann nicht kommen«, sagte ich.

Endlich hörte sie den Unglückston in meiner Stimme.

»Was ist los?« fragte sie, nun auch selbst beunruhigt.

»Schicken Sie die Hunde weg. Ich kann es nicht am Telefon sagen, aber es ist eine Katastrophe.«

Nach einer kurzen Stille legte sie einfach auf, und einen Augenblick später sah ich sie durchs Fenster die Stufen des Containers herunterkommen und auf die Eingangshalle zueilen.

Sie erschien an der Bürotür, bereit, mich dafür auszuschimpfen, daß ich sie erschreckt hatte.

Ein Blick auf Careys geneigten Kopf, auf Ken, noch blasser als sonst, auf meine eigenen Anzeichen von Streß überzeugte sie davon, daß Furcht am Platz war.

»Was ist?« fragte sie.

Da die anderen beiden stumm blieben, sagte ich: »Scott ist tot.«

»O nein!« Sie war entsetzt. »Mit seinem Motorrad? Ich habe ihm immer gesagt, daß er mit der Maschine eines Tages in den Tod rast. Oh, der Ärmste.«

»Es war kein Motorradunfall«, sagte ich. »Er ist hier, im OP, und es sieht aus ... nun, es sieht aus, als hätte ihn jemand umgebracht.«

Sie setzte sich abrupt auf einen der Stühle, den Mund in ungläubigem Schock geöffnet.

»Yvonne hat ihn gefunden«, sagte ich. »Sie ist im Waschraum. Sie könnte Ihre Hilfe gebrauchen.«

Die starke, vernünftige Lucy stand wieder auf und machte sich auf den Weg.

Durchs Fenster sah ich Oliver Quincy in seinem dreckbespritzten weißen Wagen ankommen, den er neben meinem parkte.

»Wieso kommt die Polizei nicht?« fragte Ken gereizt.

Die Polizei, dachte ich, würde alles übernehmen. Mein Blick fiel auf die Mappe mit den Briefen, die Ken mir in einer anderen, fernen Zeitzone aufgedrängt hatte, und aus einer spontanen Regung nahm ich sie und schaffte sie hinaus zu meinem Wagen, so daß ich Oliver begegnete, der seinen gerade abschloß.

»Ich sollte Sie wohl warnen ...«, sagte ich langsam.

Barsch unterbrach er: »Mich warnen? Wovor?«

»Ken und Carey können es Ihnen sagen«, erwiderte ich. »Sie sind im Büro.«

»Doch nicht noch ein totes Pferd?«

Ich schüttelte den Kopf. Er zuckte die Achseln, wandte sich ab und ging durch die hintere Tür ins Büro, wobei er unterwegs einen fragenden Blick auf das Eintrittsverbotsschild warf. Ich verstaute die Briefmappe im Kofferraum, schloß ab und wollte gerade hinter Oliver her gehen, als ein Polizeiwagen auf den Parkplatz rollte.