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»Nein. Ich habe die von Ken McClure benutzt.«

»Wo waren Sie, Sir, zwischen neun Uhr gestern abend und neun Uhr heute früh?«

Ich lächelte fast, war die Frage doch klassisch. Ruhig sagte ich: »Ich bin nach London gefahren, zu einem privaten Dinner. Von elf bis zwei war ich in Gesellschaft des stellvertretenden Direktors vom Sicherheitsdienst des Jockey-Clubs, dann bin ich wieder hierher nach Cheltenham gefahren und zu Bett gegangen. Ich wohne bei den Eltern von Ken McClures Verlobter, etwa eine Meile von hier.«

Er notierte sich Stichwörter. »Danke, Sir.«

»Wann ist er gestorben?« fragte ich.

»Sie erwarten doch nicht, daß ich das beantworte.«

Ich seufzte. Es mußte nach drei gewesen sein, als Ken Scott die Aufsicht überlassen hatte. Alle würden das gleiche nebelhafte Alibi haben wie ich: zu Hause im Bett.

Kommissar Ramsey fragte, wie lange ich bei den Eltern der Verlobten von Ken McClure noch wohnen bliebe.

»Das ist offen«, sagte ich. »Ein paar Tage, würde ich meinen.«

»Wir müssen Sie vielleicht noch einmal sprechen, Sir.«

»Ken wird wissen, wo ich bin, falls ich abreise.«

Er nickte, machte sich eine letzte Notiz, dankte mir und bat den Konstabler, Ken in das Büro zu holen. Als ich auf den Flur hinaustrat, kamen Carey und der Polizist vom Sonntag, dessen Namen ich noch immer nicht kannte, gerade aus dem OP-Vorraum. Carey ging schleppend, das graue Haupt gebeugt, verzweifelt.

Mit leerem Blick kam er auf mich zu und betrat das Büro. »Es ist alles an seinem Platz«, sagte er mit bleierner Stimme.

Der Sonntagspolizist folgte Carey ins Büro und schloß die Tür, während der Konstabler und ich die Klinik durch den Hinterausgang verließen. Wir fanden Ken und Belinda draußen bei den Boxen, wo sie, die Arme auf die geschlossenen unteren Türhälften gestützt, müßig ihren Patienten zuschauten.

»Sie sind dran mit den hohen Tieren«, sagte ich zu Ken.

Er sah deprimiert drein.

»Ich fahre wieder nach Thetford Cottage«, sagte ich. »Da bin ich, wenn Sie mich brauchen.«

Belinda sagte: »Ich bleibe hier bei Ken.«

Ich lächelte sie an, und nach einer Sekunde lächelte sie zurück, nicht gerade breit, aber doch immerhin ein Fortschritt.

Vicky und Greg waren nicht da, als ich zum Haus kam. Sie hatten als ersten Schritt zur Bekämpfung der Langeweile ein Taxiunternehmen eingespannt, das sie auf Verlangen herumfuhr, da sie sich beide nicht recht zutrauten, einen Mietwagen zu nehmen und selbst zu fahren. »Die Taxifahrer kennen sich aus«, hatte Vicky gesagt. »Sie sagen uns, was wir tun und was wir uns ansehen sollen.«

Ich schloß die Haustür auf, brachte Kens Schreibmaschine und die Mappe mit den Briefen hinauf in mein Zimmer und machte mich an die Arbeit.

Kens Briefe, alle auf dem Schreibpapier der Praxis und mit seiner ausladenden Unterschrift versehen, erklärten, daß die Polizei eine Aufstellung der verbrannten Arzneimittel verlangte, und baten um die Mitarbeit der Firma. An sich fand ich den Brief ganz in Ordnung, aber er war auch wie geschaffen zur »gelegentlichen Erledigung«. Ich spannte die erste Kopie in die Maschine, tippte den ersten Namen von der Adressenliste oben ein und ging dann bis ganz runter, um unter Kens Unterschrift noch einen Absatz hinzuzufügen.

»Die Sache ist von größter Dringlichkeit«, schrieb ich, »da die Polizei befürchtet, es könnten vor der Brandlegung bestimmte gefährliche, nicht handelsübliche oder verbotene Stoffe entwendet und später in Umlauf gebracht worden sein. Wir bitten Sie, unser Ersuchen vorrangig zu behandeln und uns in dem beigefügten adressierten Freiumschlag postwendend Kopien von sämtlichen relevanten Rechnungen zuzusenden. Hewett und Partner

dankt Ihnen im voraus für Ihre Bemühungen.«

In Japan hätte ich noch ein paar »hochachtungsvoll« dazwischengestreut, aber Hochachtung kam in der britischen Wirtschaft offenbar nicht gut an, wie mehrere verblüffte japanische Geschäftsleute mir erzählt hatten. Ebenso führten beispielsweise Verbeugungen nicht zu einer schnellen Einigung, sondern zu unwillkürlichem Zusammenzucken. In Japan war es der Gastgeber, der seinem Gast ein Geschenk machte, nicht umgekehrt. Der Möglichkeiten, einander in Verlegenheit zu bringen, war kein Ende.

Verschwenderisch frankierte ich einen DIN-A4-Umschlag für die Rückantwort und adressierte ihn an Hewett und Partner in Thetford Cottage (vorübergehendes Büro). Das Ergebnis sah so amtlich und überzeugend aus, daß ich mir einigen Erfolg davon versprach.

Dann faltete ich Brief und Rückumschlag ineinander und steckte sie in ein Geschäftskuvert mit der Adresse des Pharmaproduzenten. Ohne Kopierer und ohne Kohlepapier (an das ich nicht gedacht hatte) dauerte es ziemlich lange, bis ich den Zusatz auf alle Briefe getippt hatte, aber als es geschafft war, fuhr ich zum Postamt in der langen Einkaufsstraße und schickte den ganzen Stoß Anfragen los.

Wieder zurück in Thetford Cottage, holte ich eine Stunde Schlaf nach und wählte dann auf gut Glück die Nummer von Kens Funktelefon.

Er meldete sich sofort: »Ken McClure.«

»Wo sind Sie?« fragte ich. »Hier ist Peter.«

»Auf dem Weg zu einer schwachen Sehne. Was liegt an?«

»Ich dachte, wir könnten mal die Mackintoshs besuchen ... oder die Nagrebbs.«

Er zog hörbar die Luft ein. »Sie haben wirklich tolle Ideen, wie man sich einen Nachmittag verdirbt. Nein, danke.«

»Wo finde ich sie?« fragte ich.

»Das ist doch nicht Ihr Ernst?«

»Möchten Sie Ihren guten Namen wiederhaben oder nicht?«

Nach einer Pause erklärte er mir den Weg. »Zoe Mackintosh ist eine Tigerin, und ihr Papa ist im Traumland. Ich treffe Sie da vor dem Haus, in etwa einer Viertelstunde.«

»Prima.«

Ich fuhr durch Riddlescombe und hielt an einem Hang, der das Dorf der Mackintoshs überblickte. Schieferdächer, gelbgraue Cotswold-Steinmauern, Winterbäume, die noch keine Knospen trugen. Anthrazit- und cremefarbener Himmel, tief hängend und gehetzt. Schlafende Wiesen, die auf den Frühling warteten.

Das Gefühl des Deja-vu war überwältigend. Ich war früher schon über diese Anhöhe gekommen und hatte diese Dächer gesehen, war die Straße entlanggelaufen, auf der ich jetzt mit dem Wagen stand. Jimmy und ich hatten uns über einen kindischen Witz schiefgelacht, hatten uns die Kleider heruntergerissen und waren nackt in den Bach gesprungen, der nieder ins Tal floß. Von da, wo ich stand, konnte ich den Bach nicht sehen, aber ich wußte, daß er dort war.

Kurz vor der mit Ken verabredeten Zeit ließ ich den Motor an, löste die Bremse und fuhr die Anhöhe hinunter. Den Bach konnte ich noch immer nicht sehen. Mußte etwas durcheinandergebracht haben, dachte ich, dabei war ich mir so sicher gewesen. Ich tat es mit einem Schulterzucken ab. Auf Erinnerungen war schon nach einer Woche kein Verlaß mehr: Nach zwanzig Jahren war das aussichtslos.

Ken traf sich mit mir vor der Einfahrt zu einem langen grauen Haus mit efeubewachsenen Giebeln. Ich war hier schon gewesen. Ich kannte die Muster auf den geöffneten

Flügeln des schmiedeeisernen Tors.

»Hallo«, sagte ich nüchtern, als ich ausstieg.

»Sie wissen hoffentlich, was Sie tun«, tönte es dumpf vom Fahrerfenster seines Wagens her.

»Meistens«, sagte ich.

»O Gott.« Er hielt inne. »Zoe kennt mein Auto. Sie wird auf mich losgehen.«

»Dann steigen Sie bei mir ein, Sie Feigling.«

Er kletterte aus seinem Wagen, zwängte sich zu mir rein und legte Einhalt gebietend seine Hand auf meine, als ich losfahren wollte.

»Carey sagt, er will ausscheiden«, sagte er. »Ich finde, das sollten Sie wissen.«

»Das ist doch undenkbar.«

»Ich weiß. Ich glaube aber, er meint es wirklich ernst. Und er ist das einzige, was uns zusammenhält.«

»Wann hat er denn gesagt, er wolle aufhören?«

»Im Büro. Nachdem Sie gegangen waren, bin ich ja da rein, nicht? Da war Carey bei dem Kommissar.«