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Ich nickte.

»Carey war mehr oder minder zusammengebrochen. Als ich reinkam, gab der Beamte ihm gerade ein Glas Wasser. Wasser! Einen Brandy hätte er gebraucht. Sowie er mich sah, sagte er, er könne nicht mehr weitermachen, es sei alles zuviel für ihn. Ich sagte ihm, wir seien auf ihn angewiesen, aber darauf hat er nicht direkt geantwortet. Er sagte nur, Scott habe zehn Jahre oder noch länger in der Praxis gearbeitet, und einen Anästhesisten wie ihn würden wir nie mehr finden.«

»Und werden Sie?«

Er machte eine Gebärde des Nichtwissens, die nicht nur seine Schultern, sondern auch Kopf und Hals mit einbezog.

»Wenn Carey die Partnerschaft auflöst«, sagte er, »denn darauf läuft es hinaus, wenn er aufgibt, dann müssen wir von vorn anfangen.«

»Und um von vorn anzufangen«, hob ich hervor, »müssen Sie reinen Tisch machen. Deshalb gehen wir jetzt mal die Zufahrt hoch und ziehen an der Klingel.«

Sein langer Schädel wandte sich langsam zu mir.

»Woher wissen Sie, daß hier ein Klingelzug ist?«

Darauf konnte ich nicht antworten. Mir war beim Sprechen nicht klar gewesen, daß ich aus der Erinnerung schöpfte.

»Redewendung«, sagte ich lahm.

Er schüttelte den Kopf. »Sie wissen Dinge, die Sie nicht wissen können. Das ist mir schon mal aufgefallen. Am allerersten Abend sagten Sie, daß mein Vater Kenny hieß. Woher haben Sie das gewußt?«

Nach einer Weile sagte ich: »Wenn ich Sie irgendwie weiterbringe, erzähle ich es Ihnen.«

»Das ist alles?«

»Das ist alles.«

Ich ließ den Wagen an, fuhr durch das Tor und hielt auf einem kiesbestreuten runden Platz kurz vor dem Haus. Dann stieg ich allein aus und ging das letzte Stück zu Fuß. Ich zog an dem Klingelzug, einem schmiedeeisernen Stab mit einem vergoldeten Knauf am Ende. Ich wußte, schon bevor es ertönte, wie das leise Glockenspiel im Haus sich anhören würde.

Wer an die Tür hätte kommen sollen, wußte ich nicht mehr, aber die Frau, die sie jetzt öffnete, war es sicher nicht. Sie war von unbestimmtem Alter, rotblond, mit trockenem gelocktem Haar, hellen Wimpern und deutlichem Flaum auf Oberlippe und Kinn. Dünn und kräftig, in Jeans, kariertem Hemd und ausgeblichenem Pullover, bemühte sie sich nicht, ihre Vorzüge herauszustreichen, war aber auf unkonventionelle Art nicht unattraktiv. Sie musterte mich von oben bis unten und wartete.

»Miss Zoe Mackintosh?« fragte ich.

»Ich kaufe nichts. Guten Tag.«

Die Tür begann sich zu schließen.

»Ich bin kein Vertreter«, sagte ich hastig.

»Sondern?« Die Tür hielt inne.

»Ich komme von Hewett und Partnern.«

»Warum sagen Sie das nicht gleich?« Sie machte die Tür weiter auf. »Aber ich hab niemand bestellt.«

»Wir gehen, ehm ... der Frage nach, warum zwei von Ihren Pferden bei uns in der Klinik gestorben sind.«

»Das kommt aber ein bißchen spät«, bemerkte sie.

»Könnten wir Ihnen vielleicht ein paar Fragen stellen?«

Sie legte den Kopf schräg. »Meinetwegen. Wer ist wir?«

Ich blickte zum Wagen zurück. »Ken McClure ist bei mir.«

»O nein. Er hat sie doch umgebracht.«

»Das glaube ich nicht«, sagte ich. »Könnten Sie uns nicht bitte anhören?«

Sie zögerte. »Er hat irgendwelchen Quatsch von Atropin erzählt.«

»Und wenn das nun kein Quatsch gewesen ist?«

Sie unterzog mich einer weiteren Musterung, kompromißlos und direkt, und entschloß sich dann, die Verteidigung zumindest ihre Argumente vorbringen zu lassen.

»Dann kommen Sie mal rein«, sagte sie. Sie trat beiseite, blickte zum Wagen hinüber und fügte widerwillig hinzu: »Ich habe Ken gesagt, er soll nie wieder einen Fuß hier auf den Hof setzen, aber er kann auch kommen.«

»Danke.«

Ich winkte Ken herbei, doch er näherte sich argwöhnisch und blieb einen ganzen Schritt hinter mir stehen.

»Zoe .« sagte er zögernd.

»Schon gut, Sie haben sich einen Teufelsadvokaten mitgebracht, wie ich sehe. Also rein mit Ihnen, und lassen Sie hören.«

Wir betraten eine schwarzweiß geflieste Diele, und sie schloß die Tür hinter uns. Dann ging sie durch die Diele voran, einen kurzen Gang hinunter, und führte uns in ein quadratisches Zimmer, vollgestopft mit Bürozubehör, Rennfarben, Fotos, durchgesessenen Sesseln und sechs verschiedenen Hunden. Zoe schob etliche Hunde von den Sitzgelegenheiten herunter und bat uns, Platz zu nehmen.

Ich hatte den vagen Eindruck, daß das Innere des Hauses irgendwie verkehrt war: Es roch nicht, wie es sollte, und Geräusche fehlten. Zoes Zimmer roch nach Hunden. Das versperrte mir den Weg zurück, so wie man sich an eine bestimmte Melodie nicht erinnert, wenn gerade eine andere auf die Trommelfelle eindröhnt.

»Wohnen Sie hier schon lange?« fragte ich.

Sie zog belustigt die Brauen hoch und schaute in dem kramigen Zimmer umher.

»Sieht man das nicht?« sagte sie.

»Na ja, doch.«

»So rund zwanzig Jahre«, sagte sie. »Dreiundzwanzig, vierundzwanzig.«

»Eine lange Zeit«, stimmte ich zu.

»Ja. Also, was ist mit den Pferden?« »Ich glaube, daß sie und mehrere andere als Folge von Versicherungsbetrügereien gestorben sind.«

Sie schüttelte entschieden den Kopf. »Unsere beiden waren nicht versichert. Ihre Besitzer lassen uns das nicht vergessen.«

Ich sagte: »Pferde können versichert werden, ohne daß der Besitzer oder der Trainer es weiß.«

Ihre Augen weiteten sich langsam, als ihr die Erinnerung kam.

»Russet Eaglewood hat das mal gemacht. Es war ein Glück für sie.«

»Ja, hat sie mir erzählt.«

Ken schaute mich forschend an.

Zoe dachte nach. »Sie haben also auch mit ihr gesprochen, wegen der toten Pferde der Eaglewoods?«

»Deren Pferde und Ihre Pferde sind auf die gleiche Art gestorben.«

Zoe blickte zu Ken. Ich schüttelte den Kopf. »Er kann nichts dafür.«

»Sondern?«

»Das versuchen wir herauszufinden.« Ich hielt inne. »Die Pferde sind alle in der Klinik gestorben, mit einer Ausnahme vielleicht ...«

»Wie viele sind gestorben?« unterbrach sie.

»Acht oder neun«, sagte ich.

»Sie machen Witze!«

Ken wandte ein: »Das hätten Sie ihr nicht sagen sollen.«

»Einen Tod könnte man vielleicht auf Fahrlässigkeit Ihrerseits zurückführen«, sagte ich. »Vielleicht auch zwei. Aber acht unerklärte Todesfälle? Wo Sie doch ein erfahrener Chirurg sind? Sie halten da für jemand anders den Kopf hin, Ken, und vernünftige Menschen wie Miss Mackintosh werden das einsehen.«

Die vernünftige Miss Mackintosh warf mir einen ironischen Blick zu, betrachtete Ken fortan aber dennoch als Opfer und nicht mehr als Schurken.

»Um die Pferde ins Spital zu bekommen, nachdem sie versichert waren«, sagte ich, »mußten sie natürlich krank gemacht werden. Deshalb möchten wir, daß Sie sich einmal scharf darauf konzentrieren, wer Gelegenheit hatte, Ihren Pferden durch Verabreichung von Atropin so schwere Kolikanfälle zu bereiten, daß sie sofort operiert werden mußten.«

Anstatt direkt zu antworten, sagte sie: »Haben die Eaglewood-Pferde auch Atropin bekommen?«

»Nein«, sagte ich. »Die waren bestellt.«

Sie schnappte nach Luft und rettete sich dann in ein Lachen.

»Wer sind Sie?« fragte sie.

»Peter. Ein Freund von Ken.«

»Da hat er Glück, würde ich meinen.«

Ich gab ihr den ironischen Blick zurück.

»Na schön«, sagte sie. »Nachdem Ken das also aufgebracht hatte, war ich zwar wütend, aber ich habe trotzdem darüber nachgedacht. Offen gestanden, für einen Zehner hätte jeder von unseren Stallburschen seine Mutter an die Pferde verfüttert. Ein präparierter Apfel? Kurze Absprache in der Kneipe? Zu einfach. Tut mir leid.«